Nichts ist mehr so wie am Anfang

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Auf der ersten Titelseite von Prisma, die den Zeitraum vom 8. bis zum 14. Februar 1977 umfasste, kündigt das "Wochenmagazin zur Zeitung" einen großen Farbbericht über "Die Geisha Schule" an.

Auf der ersten Titelseite von Prisma, die den Zeitraum vom 8. bis zum 14. Februar 1977 umfasste, kündigt das "Wochenmagazin zur Zeitung" einen großen Farbbericht über "Die Geisha Schule" an.

Zur Altersgruppe der jahrzehntelang kontinuierlich gestiegenen Leserschaft gehören gleichermaßen junge wie ältere Menschen.

Wer zur „Prisma“ kommt, trifft als Erstes - nein, nicht auf einen Fernseher, sondern einen Kickertisch. „Der ist das Wichtigste in unserer Redaktion“, sagt Detlef Hartlap. Der Chefredakteur der „Prisma“, die jeden Freitag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ beiliegt, hat Recht: Sein Magazin schreibt Freizeitthemen groß - und ist damit weit mehr als der wöchentliche Begleiter durchs Fernsehprogramm.

Mit ihrer aktuellen Ausgabe feiert die „Prisma“ ihren 30. Geburtstag. Auf dem Titel prangt prominent eine goldene „30“. Unten links daneben und auf fünf anderen Seiten im Heft stehen Anzeigen für Treppenlifte. „Da mag manch einer denken, die »Prisma« sei eher etwas für ältere Leute“, sagt Hartlap. „Aber unsere Leserschaft verteilt sich sehr gleichmäßig von jung bis alt.“ Tatsächlich bescheinigen Marktforscher dem Magazin auch in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen 1,5 Millionen Leser. Das sind mehr als bei „Bravo“ und „Neon“ zusammen.

Wer in der ersten Ausgabe der „Prisma“ vom 8. Januar 1977 blättert, dem wird nostalgisch zumute: Das damals noch überschaubare Fernsehprogramm füllte zwei Seiten pro Tag. Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF und die dritten Programme waren damals noch unter sich. Es gab Rubriken wie „Das Neueste von Heinz Erhardt“, Fernseh-Features wie „Zum Blauen Bock - auf Mallorca vorgeschunkelt“ und den „großen Farbbericht“, etwa über eine japanische „Geisha-Schule“. Das musikalische Samstagabendprogramm vor genau 30 Jahren bestritten Charles Aznavour („Gala in Los Angeles“) im Ersten und Ilja Richter („Disco 77“) im ZDF, das Nachmittagsprogramm der Dritten war stark auf Bildung und Erziehung („Telekolleg“) ausgerichtet.

1977 wurde „Prisma“ nur im Rheinland und in Dortmund vertrieben, später kam ganz Westfalen dazu, nach der Wende Ostdeutschland und Teile von Niedersachsen. Inhaltlich ist heute - außer dem abgeschlossenen Kurzkrimi und dem TV-Programm als Herzstück - in der „Prisma“ kaum noch etwas wie vor dreißig Jahren: Die Zahl der Sender und der Umfang ihres Angebots haben sich vervielfacht - und dementsprechend auch die Programmseiten. Aber auch die inhaltliche Ausrichtung der „Prisma“ hat sich geändert. Um sich von konkurrierenden Fernsehzeitschriften abzusetzen, musste sie von der reinen TV-Beilage „zum „Multi-Themen-Supplement werden“, erklärt Detlef Hartlap. „Das ist immer noch ein Experiment.“ Und an dieser Versuchsanordnung arbeitet er seit seinem Amtsantritt 1993 mit immer neuen Themenmischungen von der Ausstellungsrezension bis zur Gesundheitsgeschichte. Als Erstes hat Hartlap den Kommentar und das Horoskop eingeführt - zwei Schritte weg vom Fernsehen, hin zur Freizeitunterhaltung.

Ein Pfund, mit dem die Zeitschrift seit ihrer Gründung wuchern kann, ist ihre große Verbreitung. „Für unsere Auflage können wir nichts“, sagt Hartlap lapidar. Da ist die „Prisma“ abhängig von den Zeitungstiteln, denen sie beiliegt: Sinkende Auflage des Mutterblatts bedeutet weniger Exemplare für die Beilage. In den vergangenen fünf Jahren ist die Auflage der „Prisma“ um zehn Prozent gefallen - auf immer noch beachtliche 4,6 Millionen Exemplare. „Man sieht an dieser Entwicklung, was den Zeitungen an Lesern abhandengekommen ist“, sagt Hartlap. „Eine beängstigende Entwicklung.“

30 Prozent der Leser bezeichnen die „Prisma“ heute eindeutig als „unterhaltendes Magazin“, 1993 sagten das nur drei Prozent. Damit liegt der Image-Schwerpunkt zwar immer noch auf der „Fernsehbeilage“. Aber die veränderte Wahrnehmung durch die Leser ist ein Beleg dafür, dass die Erweiterung des Themenspektrums beim Publikum ankommt.

Hartlaps Büro im vierten Stock des „Rundschau“-Hauses in der Kölner Stolkstraße, wo neben der „Prisma“ auch die „Kölnische Rundschau“ und die regionale Dependance der Deutschen Presseagentur ihren Sitz hat, steht übrigens am weitesten entfernt vom „Prisma“-Kicker, dem „heimlichen Herz“ der Redaktion. Trotzdem spielt das Thema „Freizeit“ auch in der Arbeit des Chefredakteurs eine große Rolle. Auf seinem Schreibtisch liegt der aktuelle „Kicker“. Die Geschichte hat er dabei immer im Rücken: Auf einem Regal an der Wand stapeln sich alte „Prisma“-Nummern - auch die Erstausgabe ist darunter.

Zur Geburtstagsparty laden die „Prisma“-Macher am 30. März ins Phantasialand in Brühl ein. Leser und Prominente sind dabei, auch der Medienpreis „Prix Medial“ wird verliehen. Das Phantasialand sei „ein Erlebnisbereich sondergleichen - und sehr populär“, sagt Hartlap. Fast klingt das so, als schwärmte der Chefredakteur hier von seiner eigenen Zeitschrift. Sein Phantasialand entsteht jede Woche neu auf Papier.

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