Kiosk-Besitzer klagenIn Hagen müssen Büdchen sonntags früher schließen

Lesezeit 5 Minuten
Helga Klimek-Herrmann vor ihrem Kiosk in Hagen-Kabel

Helga Klimek-Herrmann vor ihrem Kiosk in Hagen-Kabel

Hagen – Von wegen, ein Büdchen ist ein Büdchen, völlig egal, ob es in Hagen oder in Köln steht. Das ist mitnichten der Fall und wird in den Großstädten an Rhein und Ruhr, wo die Trinkhallen-Kultur besonders ausgeprägt ist, noch zu so mancher Auseinandersetzung führen. Auslöser eines kurios anmutenden Streits ist ein Supermarkt-Betreiber aus Hagen, der auf die Idee kam, einen Teil seiner Verkaufsfläche abzutrennen, als Kiosk zu deklarieren, um auf diese Weise die Ladenöffnungszeiten zu unterlaufen und seine Waren auch am Sonntag verkaufen zu können. Ein Streit, der plötzlich Existenzen bedroht.

Die Stadt Hagen hat ihm das untersagt – und der Betreiber sofort gekontert. „Er hat argumentiert, dass die anderen Kioskbesitzer sich doch auch nicht an das Ladenöffnungsgesetz halten“, sagt ein Stadtsprecher. „Damit hat er schlafende Hunde geweckt.“

Die Stadt, die sich zehn Jahre lang schon aus Personalmangel nicht um die Öffnungszeiten gekümmert hatte, ging dieser Behauptung nach und musste dem Supermarkt-Betreiber recht geben. Mit der Folge, dass alle 104 Kioskbesitzer nach einer Übergangszeit bis zum Ende der Sommerferien künftig sonntags nur noch fünf Stunden und samstags bis 22 Uhr öffnen dürfen. Bei Zuwiderhandlung droht ihnen ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro.

Keinesfalls wird sich Helga Klimek-Herrmann das gefallen lassen. Sie rückt entschlossen ihre orangefarbene Steppjacke zurecht, die linke Faust ist in die Hüfte gestemmt. „Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie die Stadt meine Existenz vernichtet“, sagt die Inhaberin des Schnuckerlädchens an der Schwerter Straße im Hagener Stadtteil Kabel. „Wir sind hier alle stocksauer.“ Der Sonntag sei für den Umsatz besonders wichtig. Ihr Schnuckerläaden hatte bisher sonntags von 8 bis 19 Uhr geöffnet. Damit ist jetzt Schluss, Der Tankstellenpächter nicht weit von ihrem Kiosk entfernt dürfe dagegen 24 Stunden am Tag alles verkaufen, was im weitesten Sinne als Reisebedarf gilt. „Uns will man das verbieten. Das kann doch kein Mensch nachvollziehen.“ Klimek-Herrmann will alle Kiosk-Betreiber zusammentrommeln, hat schon die Industrie- und Handelskammer eingeschaltet, um der Stadt so richtig Dampf zu machen.

Der Betreiber eines Kiosks braucht seit 2005 keine spezielle Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz mehr und darf während der Öffnungszeiten auch Alkohol verkaufen. Lediglich der Ausschank ist untersagt. Büdchen gelten seitdem rechtlich als Einzelhandelsbetrieb und sind daher an das Ladenöffnungsgesetz des Landes NRW vom Mai 2013 gebunden. Danach gehören Trinkhallen und Kioske zu Verkaufsstellen und dürfen montags bis freitags unbegrenzt, samstags von 0 bis 22 Uhr und an Sonn- und Feiertagen fünf Stunden öffnen, wenn das Kernsortiment aus den Warengruppen Zeitungen und Zeitschriften, Blumen und Pflanzen, Back- und Konditorwaren besteht. Ostermontag, Pfingstmontag und am zweiten Weihnachtstag darf nicht geöffnet werden. Wer gegen das Gesetz verstößt, muss mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro rechnen. Für Tankstellen gilt das nicht. Dort dürfen 24 Stunden täglich Produkte des Reisebedarfs verkauft werden. (pb)

In Köln kann man die ganze Aufregung nicht verstehen. Während die Gewerbeaufsicht der Stadt Hagen alle Trinkhallen als Verkaufsstellen einstuft, die sich deshalb an die Ladenöffnungszeiten halten müssen, gibt es im gesamten Kölner Stadtgebiet qua definitionem kein einziges Büdchen, sondern lediglich 850 so genannte Mischbetriebe.

„In Köln haben die Trinkhallen eine lange Tradition“, sagt Bernd Götting. Für den Leiter der Kölner Gewerbeaufsicht handelt es sich bei den Büdchen um „erlaubnisfreie Schankwirtschaften“, für die andere Regeln gelten. „Dort werden an den Kunden alkoholfreie Getränke ausgeschenkt oder kleine Speisen zubereitet, die vor Ort verzehrt werden.“ Alle anderen Artikel wie Flaschenbier, Zeitungen, Zigaretten und Süßwaren seien lediglich Zubehör, die nebenbei verkauft werden. Der Vorteil: Ein Büdchen, das eigentlich eine – wenn auch alkoholfreie – Kneipe ist, müsse sich an keine Ladenöffnungszeiten, sondern lediglich an die Sperrstunden halten. Das riecht verdächtig nach einer kölschen Lösung.

Es stehe ihm nicht an, die Kollegen in Hagen zu kritisieren, aber „aus unserer Sicht müsste man selbst einen Kiosk, der eindeutig räumlich von einem Supermarkt abgetrennt ist, genehmigen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind“, sagt Götting. Das Problem in Hagen ließe sich aus Kölner Sicht leicht lösen. Etwa mit belegten Brötchen, die im Büdchen belegt, verkauft und verzehrt werden können – zusammen mit einer Tasse Kaffee oder einer Cola. Genau das macht Rita Klimek-Herrmann aus Hagen-Kabel seit 14 Jahren. Ebenso wie ihre Kölner Kollegin Petra Schönenborn, die ein Büdchen in der Weißenburgstraße im Agnesviertel betreibt. „Wir hatten früher am Sonntag immer geschlossen. Seit die Supermärkte abends länger auf haben, können wir uns das nicht mehr leisten. Der Sonntag ist enorm wichtig für unsere Existenz“, sagt sie.

Bei der Stadt Hagen ist man sichtlich unglücklich über den Streit um die Sonntagsöffnung. „Unsere Gewerbeaufsicht muss das umsetzen, was im Gesetz steht“, sagt der Stadtsprecher. „Wir haben doch gar kein Interesse daran, den Bestand unserer Trinkhallen zu gefährden, geschweige denn das Personal, um ständig die Öffnungszeiten zu kontrollieren.“

Im Wirtschaftsministerium des Landes sieht man die Angelegenheit eher gelassen. Das Ladenöffnungsgesetz sei unter Beteiligung aller gesellschaftlicher Gruppen lange diskutiert worden, sagt eine Sprecherin. „Für die Umsetzung und die Überwachung sind die Kommunen verantwortlich.“ Da werde man sich genauso wenig einmischen wie bei der Frage, wann ein Büdchen ein Büdchen und wann es eine erlaubnisfreie Schankwirtschaft sei.

KStA abonnieren