Tod von Lisa-Maria KellermayrObduktion bestätigt Suizid von österreichischer Ärztin

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Kellermayr Wien 010822

Menschen zünden in Wien Kerzen an, um Lisa-Maria Kellermayr zu gedenken.

München – Auf Wunsch ihrer Angehörigen ist die Leiche der über Monate von Impfgegnern bedrohten österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr nun doch obduziert worden. Dabei wurden laut dem am Mittwoch veröffentlichten Ergebnis keine Hinweise auf das Einwirken anderer Menschen gefunden. Es werde deshalb weiter von Suizid ausgegangen, teilte die Staatsanwaltschaft in Wels mit. Angehörige der Ärztin hatten die Obduktion gefordert, deren vorläufiges Ergebnis nun veröffentlicht wurde. Das schriftliche Gutachten und die chemisch-toxikologischen Untersuchungsergebnisse würden allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen, erklärte die Staatsanwaltschaft nach Angaben der Nachrichtenagentur APA.

Kellermayr tot in Praxis aufgefunden – Polizei geht von Suizid aus

Die 36-Jährige aus Oberösterreich war am vergangenen Freitag tot in ihrer Praxis in Seewalchen am Attersee gefunden worden. Sie hatte sich im Kampf gegen Corona engagiert und war in sozialen Medien zum Ziel von Hass-Postings von Impfgegnern geworden.

Die Ermittlungen wegen der Drohungen gingen weiter, so der Sprecher. Auch die deutschen Behörden würden Spuren verfolgen. So hat die Staatsanwaltschaft München in dem Fall Ermittlungen aufgenommen. „Die Staatsanwaltschaft München II führt ein Ermittlungsverfahren gegen eine männliche Person wegen des Verdachts der Beleidigung und Bedrohung - die Ermittlungen dauern an“, sagte eine Sprecherin der Ermittlungsbehörde am Mittwoch auf Anfrage. Weitere Details wollte sie nicht nennen.

Weitere Anzeige im Fall Kellermayr in Berlin

Berichten zufolge soll der Mann der 36 Jahre alten Kellermayr mit Folter und Mord gedroht haben. Daneben ging auch eine Anzeige in Berlin ein, wie die Mediengruppe Bayern unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft im österreichischen Wels berichtete.

Die Bundesregierung hat den Angehörigen indes ihr Mitgefühl ausgesprochen und ihr Entsetzen über den Tod der Ärztin zum Ausdruck gebracht. Ein Regierungssprecher sagte am Mittwoch in Berlin, es sei Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der Bundesregierung ein besonderes Anliegen, sich gemeinsam mit den österreichischen Freunden gegen den Hass zu stellen.

Drohungen, Gewalt und Hetze seien auf das Schärfste zu verurteilen, gerade auch, wenn sie sich gegen medizinisches Personal und Ärztinnen und Ärzte richteten.

Deutsche Sicherheitsbehörden kooperieren

Die deutschen Sicherheitsbehörden kooperierten mit den österreichischen Behörden bei den Ermittlungen. „Digitaler Hass“ im Internet bleibe viel zu häufig straflos, so der Sprecher. „Digitale Gewalt werden wir mit all unseren rechtsstaatlichen Mitteln und der Härte des Gesetzes bekämpfen.“

Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Kontakte | Hier wird Ihnen geholfen

Wir gestalten unsere Berichterstattung über Suizide und entsprechende Absichten bewusst zurückhaltend und verzichten, wo es möglich ist, auf Details. Falls Sie sich dennoch betroffen fühlen, lesen Sie bitte weiter:

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote.

Telefonseelsorge

Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon

Das Angebot des Vereins "Nummer gegen Kummer" richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams "Jugendliche beraten Jugendliche" die Gespräche an. nummergegenkummer.de

Muslimisches Seelsorge-Telefon

Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention

Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de

Beratung und Hilfe für Frauen

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung unterstützen werden Betroffene aller Nationalitäten rund um die Uhr anonym und kostenfrei unterstützt.

Psychische Gesundheit

Die Neurologen und Psychiater im Netz empfehlen ebenfalls, in akuten Situationen von Selbst- oder Fremdgefährdung sofort den Rettungsdienst unter 112 anzurufen. Darüber können sich von psychischen Krisen Betroffene unter der bundesweiten Nummer 116117 an den ärztlichen/psychiatrischen Bereitschaftsdienst wenden oder mit ihrem Hausarzt Kontakt aufnehmen. Außerdem gibt es in sehr vielen deutschen Kommunen psychologische Beratungsstellen. 

Politiker und Ärzte in Deutschland haben sich über den Suizid der von Gegnern der Corona-Maßnahmen bedrohten österreichischen Ärztin ebenfalls bestürzt gezeigt. Im Fokus steht dabei der Hass im Internet.

Deutsche Politiker bestürzt über Tod von Lisa-Maria Kellermayr

„Jeden Tag wird in den sozialen Netzwerken zu Gewalt gegen mich aufgerufen“, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Leute rufen regelmäßig - teilweise sogar mit Klarnamen - zu meiner Ermordung auf.“ Er werde deswegen besonders gut geschützt.

„Die österreichische Kollegin dagegen musste den Schutz selbst bezahlen und konnte sich das nicht mehr leisten.“ Er verachte und verabscheue die Hetzer im Netz, die diese Frau in den Tod getrieben hätten.

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Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, meinte in der „Welt“, der Tod der Ärztin führe „drastisch vor Augen, wohin die Verrohung des gesellschaftlichen Klimas führen kann“. Auch in Deutschland sinke die Hemmschwelle. Ärztinnen und Ärzte erhielten Drohbriefe, würden verbal und körperlich angegriffen.

„Polizei muss zügig handeln“

„Die Polizei muss angesichts der besorgniserregenden Zunahme digitaler Straftaten zügig handeln“, forderte Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, in der Zeitung. Es fehle aber an entsprechenden Ressourcen, personell wie bei der Ausstattung.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken rief die Menschen dazu auf, Opfern von psychischer Gewalt beizustehen. Gerade Frauen seien häufig betroffen, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Im Kampf gegen diese Form der Gewalt müssen wir noch durchsetzungsfähiger werden.“

Die österreichische Medizinerin hatte sich für Corona-Impfungen engagiert und war nach eigenen Angaben monatelang massiv von Impfgegnern unter Druck gesetzt worden. Sie stand Berichten zufolge über längere Zeit unter Polizeischutz. (pst mit dpa/afp)

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