Gemeinsam in die Türkei geflüchtetAttila Hildmann: Vom engsten Vertrauten verraten

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Hildmann

Attila Hildmann vor seiner Flucht ins Exil

Köln – Lange Zeit war Kai E. Attila Hildmanns engster Vertrauter. Gemeinsam flüchteten die beiden vor den Strafverfolgungsbehörden in die Türkei, gemeinsam weiteten sie das Netz von Hildmanns Verschwörungs-Kanälen aus. Nun versetzt ausgerechnet E. dem Verschwörungsideologen und Neonazi Hildmann den bislang größten Schlag: Hildmann hat den Zugriff auf seine größten Kanäle verloren.

Am Montag trat das Hacker-Kollektiv Anonymous Germany in Sachen Hildmann an die Öffentlichkeit. E., so erzählen sie, habe sich vor einigen Wochen an sie gewendet, und ihnen seine Geschichte erzählt.

E. ist Verschwörungsgläubiger. Dem Staat vertraut er nicht, die Pandemie sei ein perfider Plan, die neue Weltordnung ist für ihn real. All diese Gedanken trieben E. bereits im Sommer 2020 in die Arme von Attila Hildmann. Hildmann, so dachte E., sei von den Medien ungerechtfertigt in die Ecke gedrängt und als Nazi abgestempelt worden. Also bot er ihm seine IT-Kenntnisse an, um ihn zu unterstützen.

Doch schnell habe E. gemerkt, dass Hildmann tatsächlich ein „Nazi“ sei. Auf einem alten Smartphone habe er Bilder von Hitler und Hakenkreuze entdeckt, die bereits vor 2018 gespeichert worden seien. Rechtsextremismus, Hass gegen Juden: Damit wollte E. nichts zutun haben. Hildmann sei krank, sein Hass sei extrem gefährlich. So gibt jedenfalls Anonymous seine Aussagen wieder.

Kai E. und Attila Hildmann: Gemeinsam in die Türkei

E. will sich monatelang unersetzlich für Hildmann gemacht haben, um Daten zu sammeln. Er baute Hildmanns alternative Videoplattform mit aus und programmierte Telegram-Bots – und machte sich mit seinem Handeln vermutlich selbst strafbar. Im Dezember will er keinen anderen Weg mehr gesehen haben, als mit dem Hassprediger in die Türkei zu flüchten. Dort, davon ist auszugehen, war E. seitdem Hildmanns engste und vielleicht letzte reale Bezugsperson, während er sich Zugriff auf die meisten von Hildmanns Plattformen verschaffte.

Was genau E. nun tatsächlich dazu brachte, sich an das Hacker-Kollektiv zu wenden, ist unklar. Angeblich habe er zuvor bereits versucht, den deutschen Behörden Beweise zukommen zu lassen, sei jedoch ignoriert worden.

Nun also Anonymous. Gemeinsam haben E. und das Kollektiv zahlreiche Daten gesichert. Darunter allein knapp 100.000 E-Mails - von Herstellern, Kunden, Lieferanten, Politikern und Anwälten.

Am Montag dann der große Aufschlag: E. und Anonymous haben Hildmann den Zugriff auf seine größten Plattformen entzogen. Seine Website, sein Shop, seine Video-Seite, seine wichtigsten verbliebenen Telegram-Kanäle mit rund 70.000 Followern: An all das kommt der Verschwörer im Exil nicht mehr heran.

Hildmann reagiert mit Fantasien und Drohungen

Auf seinen verbliebenen Telegram-Kanälen reagierte Hildmann am Montag mit ausufernden wirren Sprachanchrichten auf die Ereignisse, fabulierte von Dolchstoß und davon, dass er nun wisse, „wie Jesus sich gefühlt hat". E., den er monatelang finanziert und der sich mittlerweile in die Schweiz abgesetzt habe, sei ein Verräter und Anonymous sei der „BND, Mossad und Antifa“. Begleitet werden die Fantasien von Hildmanns üblichem Judenhass.

Hildmann veröffentlichte auch Namen, Telefonnummern und Adressen von Menschen aus E.s Leben, darunter der vermeintliche Kontakt seiner Mutter, und rief seine Anhänger implizit dazu auf, sich bei ihr zu melden oder ihr einen Besuch abzustatten. In den Kommentaren entluden sich Mordfantasien seiner Unterstützer.

Anonymous lässt derweil durchscheinen, dass die Saga Hildmann noch nicht beendet ist und das Kollektiv Veröffentlichungen plant. Unter den abgegriffenen Daten soll sich offenbar auch brisantes Material befinden, das darauf hinweist, dass Hildmann 2020 tatsächlich aus den Berliner Behörden heraus rechtzeitig vor dem drohenden Haftbefehl gewarnt wurde.

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