Konferenz für ArtenvielfaltKlare Botschaft: „Wir haben keine Zeit mehr“

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Ein Distelfalter in einem von Borkenkäfern zerstörten Wald.

Düsseldorf/Köln – In seiner Eigenschaft als Polarforscher ist der Holsteiner Arved Fuchs auf den Ozeanen der Welt unterwegs. Was er da erlebt, damit füllt er regelmäßig Bücher. Und was er zu sagen hat, ist erschreckend. Das Schmelzen der Polkappen hat er selbst mit vermessen, die Konsequenzen – steigende Temperaturen in Atmosphäre und in den Meeren – schildert er anschaulich. Die Messdaten und Beobachtungen sind eindeutig: „Wir haben alle Daten da“, sagt er, „aber wir haben keine Zeit mehr.“

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Symbol der Polschmelze: Eisbär

Das war so etwa das Leitmotiv der Artenschutzkonferenz, zu der NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser in das neue Behörden-Domizil nach Düsseldorf geladen hatte. „Wir-Gefühl für den Erhalt der heimischen Natur und Umwelt“, war der Untertitel der Veranstaltung und es erschien angemessen, dass dieses „Wir-Gefühl“ sich nicht auf die heimischen Wiesen und Wälder beschränkte. Denn es ist zwar ein weiter Weg vom Schmelzen der Pole und dem Steigen der Meeresspiegel zur gefährdeten Kreuzkröte in den Mittelgebirgen von NRW. Aber: „Es hängt alles miteinander zusammen“, beschwor Arved Fuchs, „das lässt sich nicht separieren.“

Ex-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU)

Ex-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU)

Auf NRW heruntergebrochen forderte die Ministerin für den Erhalt der Biologischen Vielfalt „ein breites gesellschaftliches Bündnis“. Das kann sie haben. Am Mittwoch werden im Umweltausschuss des Landtags die Sachverständigen der Volksinitiative Artenvielfalt gehört. Die Initiative von Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hatten 115000 Unterschriften gesammelt und sich somit Gehör im Parlament verschafft. „Verbindliche Maßnahmen zum Stopp des Artenschwundes und für mehr biologische Vielfalt“, hatten die Initiatoren der Ministerin als Forderung mit in die Artenschutz-Konferenz gegeben.

"Kooperation statt Konfrontation"

Ursula Heinen-Esser machte aber ihre grundsätzliche Haltung deutlich: „Dabei setze ich auf Kooperation statt Konfrontation, auf Anreize statt Verbote. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Städteplanung und Naturschutz müssen hier Hand in Hand arbeiten.“ Grundlegende Veränderungen in der Flächennutzung ließen sich nicht ohne oder gar gegen die Landwirtschaft umsetzen. Sie nannte Zahlen: Zwischen 2016 und 2020 sei die Zahl der Betriebe, die Umweltmaßnahmen umsetzen, von 7700 auf 11500 gestiegen. Die betreute Fläche sei n diesem Zeitraum von 137000 auf 295000 Hektar gestiegen. Im Jahr 2020 erhielten 5314 Betriebe Förderungen für Vertragsnaturschutzmaßnahmen auf etwa 34000 Hektar.

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Dass dies durchaus sinnvolle Maßnahmen sind, bestätigte Thomas Fartmann, Leiter der Abteilung für Biodiversität an der Universität Osnabrück. Naturschutzflächen und sonstige Schutzgebiete hätten einen messbaren Einfluss auf den Bestand und die Vielfalt der Pflanzen und Insekten. Allerdings sei die Not schon groß, was den Bestand von Insekten und einigen Vogel- und Pflanzenarten betrifft.

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Vom Aussterben bedroht: Arnika.

In diesem Zusammenhang erläuterte Fartmann den Begriff der „Aussterbeschuld“. Das bedeutet, dass von einer Art – als Beispiele nannte er die Pflanze Arnika und die Kreuzkröte – durchaus noch einige Exemplare vorhanden seien. Diese Arten aber seien – aus Alters- oder Umweltgründen – nicht mehr in der Lage, sich zu reproduzieren. Das heißt: Das Aussterben dieser Arten steht schon fest, es ist nur noch nicht vollzogen.

Umgehend, jetzt, sofort

Wie Arved Fuchs machte auch er deutlich, das jede Art von Schutzmaßnahme umgehend, sofort, jetzt zu erfolgen habe. Sein Forderungskatalog umfasste die Kernbereiche regionaler Politikverantwortung: Es müssen deutlich mehr Schutzflächen ausgewiesen werden; es brauche über die definierte Schutzgebiete hinaus auch zusätzlichen Schutz in den übrigen Flächen; die geschützten Bereiche müssten miteinander vernetzt werden. Schließlich müsse mehr Geld und mehr Personal bereitgestellt werden, um etwa die Landwirte bei ihren Biodiversitätsleistungen zu unterstützen. Einig war er mit der Ministerin, dass die weitere Forschung entscheidend sei, wie es in 2017 mit dem Projekt für ein landesweites Insekten-Monitoring in NRW ins Leben gerufen worden war.

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