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CDU-Politiker fordert weniger Bürokratie, da reicht es Künast„Es ist ein trojanisches Pferd!“

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Grünen-Politikerin Renate Künast hatte an der Politik der Union einiges auszusetzen. (Bild: WDR / Dirk Borm)

Grünen-Politikerin Renate Künast hatte an der Politik der Union einiges auszusetzen. (Bild: WDR / Dirk Borm)

Massenhaft retournierte Pakete, „chinesische Schrottartikel“ - und deutsche Bürokratie: Bei „hart aber fair“ beschäftigte die Bestellwut der Deutschen die Runde. In Bedrängnis kam vor allem Unions-Politiker Christoph Ploß, der sich von Renate Künast einen schweren Vorwurf gefallen lassen musste.

Beim Restposten und Retourenhändler Daniel Gottwald in Sachsen-Anhalt ist jeden Tag Weihnachten: Er erhält LKW-Ladungen mit Paketen - und darf sich von deren Inhalten überraschen lassen. „Lass uns gucken, was drin ist“, forderte er „Hart-aber-fair“-Moderator Louis Klamroth auf. Dieser hatte ihn im Vorfeld seiner Sendung „Rabattschlacht und Bestellwahn: Was ist der wahre Preis der Schnäppchen?“ besucht, um herauszufinden, was mit Retouren aus dem Online-Handel passiert.

Fast jedes vierte Paket wird in Deutschland nämlich zurückgeschickt. Damit ist die Bundesrepublik Weltmeister im Retournieren. „Warum eigentlich?“ wollte Louis Klamroth von seinen Gästen wissen. „Die Frage wollte ich Frau Künast stellen“, gab sie Gerrit Heinemann (Professor für Betriebswirtschaftslehre, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein) gleich weiter.

Doch weder die frühere Bundesministerin für Verbraucherschutz noch Gero Furchheim vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland hatten eine passende Erklärung parat. In seinem Unternehmen würden Mitarbeitende die Retouren auspacken, Waren - wenn notwendig - reparieren und im Factory Outlet oder für einen Euro an Mitarbeiter verkaufen, so Furchheim. „95 Prozent der Ware landet wieder im Verkauf“, bestätigte Heinemann. Dennoch wurden im Jahr 2021 17 Millionen retournierte Artikel entsorgt, wie Klamroth einwarf.

„In die Mülltonne werfen ist billiger als Verschenken“

Unionspolitiker Christoph Ploß hatte in der Runde einen schweren Stand. (Bild: WDR / Dirk Borm)

Unionspolitiker Christoph Ploß hatte in der Runde einen schweren Stand. (Bild: WDR / Dirk Borm)

Oft sei Entsorgen „besser“, denn möchte man die Waren für wohltätige Zwecke spenden, müsste man Mehrwertsteuer bezahlen, erklärte Furchheim. „Das muss von der Politik verändert werden“, forderte er. „In die Mülltonne werfen ist billiger als Verschenken“, kannte Künast die Problematik aus dem Lebensmittelbereich. Es sei ein guter Punkt, meinte die frühere Bundesministerin und fügte hinzu: „Den müssen wir an Herrn Ploß weitergeben.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete entgegnete prompt: „Sie laufen offene Türen ein.“ Allerdings müsse man mit dem (SPD)-Finanzminister sprechen, denn es sei steuerrechtlich kompliziert, so Christoph Ploß. „Das geht schon“, widersprach Furchheim und bezog sich auf ein Gutachten des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschlands, das der CDU-Politiker gerne mit nach Berlin nehmen könne. „Wir halten fest, die Runde ist einig - Herr Ploß hat es nur nicht umgesetzt, aber nimmt es mit“, fasste Klamroth zusammen.

„Die Legislaturperiode hat gerade erst begonnen“, wollte sich dieser nicht unter Druck setzen lassen (Künasts Kommentar „Fühlt sich anders an“ ignorierte er gekonnt). Man könne zwar politisch vieles regeln, es komme aber vor allem auf den Einzelnen an: Man könne bewusst und vor Ort einkaufen, um die Innenstädte zu beleben, argumentierte er: „Sonst haben wir die Bürokratie, die wir in vielen Talkshows zu Recht beklagen.“

„Darf man das?“: Runde diskutiert über „chinesische Schrottartikel“

Wie sollte man mit der Masse an retournierten Paketen umgehen? Und wie mit der Billig-Konkurrenz aus China? Dies waren nur einige Fragen, die bei „hart aber fair“ am Montagabend zur Diskussion standen. (Bild: WDR / Dirk Borm)

Wie sollte man mit der Masse an retournierten Paketen umgehen? Und wie mit der Billig-Konkurrenz aus China? Dies waren nur einige Fragen, die bei „hart aber fair“ am Montagabend zur Diskussion standen. (Bild: WDR / Dirk Borm)

Dass der Endkunde alles entscheidet, wie auch Heinemann meinte, konnte Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern so nicht akzeptieren. Der Konsument hätte vielerorts keine Möglichkeit festzustellen, ob Waren etwa den Qualitätsansprüchen entsprechen. Zudem seien viele Kaufentscheidungen nicht rational. Plattformen und Online-Händler würden sie mit „dark patterns, also manipulativen Designs“ unter Druck setzen und so zum Kauf animieren. „Darf man das, oder sollten wir nicht gegensteuern?“, stellte sie die Gretchenfrage, die Klamroth sofort aufgriff.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Machen wir auch“, betonte Ploß und verwies auf die Abschaffung der Zollfreigrenze für Waren unter 150 Euro. „Das ist eine wichtige Maßnahme, damit nicht chinesische Schrottartikel nach Europa und nach Deutschland kommen.“ Stichprobenkontrollen müssten erhöht und Unternehmen zur Haftung herangezogen werden, wenn etwa Giftstoffe in den Waren gefunden werden. Genau das hatte eine Untersuchung von Greenpeace und der anwesenden Influencerin Bianca Heinicke (“BibisBeautyPalace“) bei Produkten der Fast Fashion Modekette Shein vor kurzem belegt.

Künast kritisiert Zusammenarbeit mit Rechtsextremen im Europaparlament

„Da geht noch mehr“, ließ Künast das so nicht gelten und kritisierte die jüngst beschlossene Aufweichung des Lieferkettengesetzes. „Ich will nicht behaupten, dass die europäischen oder deutschen Regeln der Weisheit letzter Schluss waren“, erklärte sie, „aber dann killt man den Teil nicht - und nicht mit Rechtsextremen im Europa-Parlament“. Das Ergebnis war nämlich nur mit den Stimmen der Parteien von Rechtsaußen und ohne die Grünen erreicht worden.

Gerade der deutsche Mittelstand sei durch den bisherigen Entwurf belastet gewesen, spielte Ploß den Ball zurück. Schon jetzt könnten europäische und deutsche Firmen aufgrund der bürokratischen Auflagen im internationalen Wettbewerb nicht mithalten. „Das kostet Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum“, übte er Kritik.

Mit dieser Argumentation konnte Künast wenig anfangen. Es sei ein „trojanisches Pferd“, warf sie der Union vor, unter dem Anschein weniger Bürokratie zu wollen, Menschenrechte und Umweltaspekte zu opfern. „Erzählen Sie, wie es besser geht!“, forderte sie von Ploß konkrete Vorschläge. Das sei gar nicht notwendig, hatte Furchheim eine andere Idee: „Nicht neue Regeln machen, sondern die bestehenden Regeln konsequent umsetzen“, sprach er von einem „Umsetzungsdefizit“. Er verlangte stärkere Kontrollen, für die der Verband auch finanziell einstehe - unter einer Bedingung: „Sofern die Gelder dafür verwendet werden.“ (tsch)