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Ökonomen fordern StoppStreit bei Schwarz-Rot – Rentenpläne ungerecht für die Jungen?

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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bärbel Bas (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales und SPD-Parteivorsitzende, geben eine Pressekonferenz. (Archivbild)

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bärbel Bas (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales und SPD-Parteivorsitzende, geben eine Pressekonferenz. (Archivbild)

Immer weniger Arbeitnehmer müssen immer mehr Rentner finanzieren: Das macht das System wacklig. Aber ein genauer Blick lohnt sich. 

Die Älteren bekommen mehr Geld, die Jüngeren zahlen die Zeche: Diese Kritik der Jungen Union steht im Mittelpunkt des Rentenstreits bei CDU/CSU und in der schwarz-roten Koalition. Die Junge Gruppe der Unionsfraktion lehnt die aktuellen Rentenpläne von Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) in jetziger Form mit Hinweis auf milliardenschwere Folgekosten ab. Aber gehen diese Pläne wirklich einseitig zulasten der jüngeren Generation?

Das sagt die Sozialministerin

„Alle Generationen werden von der Haltelinie profitieren, die das Rentenniveau sichert – ausdrücklich auch die Jüngeren“, sagte Sozialministerin Bas, als sie ihre Pläne im Oktober in den Bundestag einbrachte. „Wer heute Beiträge einzahlt, erwirbt mit diesem Gesetz höhere Rentenanwartschaften.“

Mit „Haltelinie“ gemeint ist die Sicherung des sogenannten Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031. Das ist eine abstrakte Größe, die das Verhältnis von Renten und Löhnen beschreibt. Merken kann man sich: Ohne die Reform würden die Renten in den nächsten Jahren weniger steigen und das Niveau 2031 läge niedriger. Die jungen Unionspolitiker kritisieren, dass künftige Rentensteigerungen ab 2032 dann von diesem höheren Sockel ausgehen und nicht von dem niedrigeren Wert ohne Haltelinie. Sie spricht von Folgekosten von 120 Milliarden Euro in den folgenden zehn Jahren.

Bas argumentiert jedoch: „Wenn das Niveau sinkt, trifft das nicht nur die heutigen Rentnerinnen und Rentner, sondern auch diejenigen, die in 20 oder 30 Jahren alt sind. Das Stabilisieren ist also gerade für die Jüngeren wichtig, damit sie nicht in ein kaputtes System hineinaltern.“ Man könnte auch sagen: Unter der Voraussetzung, dass das System überlebt, haben alle etwas von den Rentenplänen.

Das bekommt ein Durchschnittsrentner aktuell

Die gesetzliche Rente ist schon heute für viele nicht üppig. Nach Angaben aus dem gerade veröffentlichten Rentenbericht erhielten Männer, die 2024 in Rente gingen, aus der gesetzlichen Versicherung im Schnitt monatlich 1.340 Euro, bei Frauen waren es 981 Euro.

Auf eine Anfrage der Linken erklärte das Sozialministerium voriges Jahr: Menschen mit Durchschnittseinkommen mussten 45 Jahre und zwei Monate einzahlen, um 2024 dann 1.500 Euro Monatsrente zu bekommen. Allein der Arbeitnehmeranteil der Beiträge an die Rentenkasse über diese lange Zeit summierte sich in diesem Fall auf rund 120.000 Euro – plus noch einmal so viel vom Arbeitgeber.

Durchschnittswerte sind bei der Rente knifflig, weil auch Minirenten in die Statistik einfließen. Kleine Renten bedeuten nicht unbedingt Bedürftigkeit, weil Paare zusammenlegen oder noch andere Einkünfte da sind. Aber: Viele kommen mit dem, was sie aus der gesetzlichen Rente bekommen, nicht finanziell hin. Laut Rentenbericht wurden rund 1,4 Millionen Rentenzahlungen 2024 durch einen Grundrentenzuschlag aufgestockt.

Das sagt der CDU-Politiker Kai Whittaker

Der CDU-Sozialpolitiker Kai Whittaker (40) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „So wie das System heute gestaltet ist, kann das Rentenniveau nicht sehr viel weiter sinken.“ Whittaker stellt sich gegen den Protest der Jungen Union.

Da die Kosten für die Verlängerung der Haltelinie bei 48 Prozent nicht aus Beitragsgeldern, sondern aus dem Bundeshaushalt beglichen werden, schrieb Whittaker vergangene Woche auf X: „Die Finanzierung liegt durch die Steuerfinanzierung eben NICHT einseitig auf den Schultern der Jüngeren.“

Das Argument: „Den größten Anteil am Steueraufkommen bezahlen die über 50-Jährigen“, das hat der CDU-Politiker auf Grundlage von Zahlen des Instituts für Wirtschaftsforschung (IW) berechnet. „Sie bezahlen nach Daten aus dem Jahr 2021 exakt 54 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus direkten und indirekten Steuern, also hauptsächlich Einkommensteuer und Mehrwertsteuer.“

Auf Nachfrage sagte der Vertreter des CDU-Arbeitnehmerflügels, es brauche „tiefgreifende strukturelle Reformen, aber die müssen wir politisch vereinbaren in der Rentenkommission.“ Klar ist: Unabhängig vom jetzigen Rentenpaket bleibt das Problem, dass weniger Arbeitnehmer in den nächsten Jahren mehr Rentner finanzieren müssen.

Das sagen Wirtschaftswissenschaftler

Der „Wirtschaftsweise“ Martin Werding, seit langem Verfechter tiefer Reformen und kapitalgedeckter Altersvorsorge, argumentierte in der „Welt“, dass sich eine Finanzierung des stabilisierten Rentenniveaus aus Steuermitteln „nicht lange durchhalten“ lasse. Schon heute würden rund 30 Prozent des Bundeshaushalts ins Rentenbudget übertragen. Das könnte bis 2040 auf mehr als 40 Prozent steigen, schrieb Werding. Seine Vermutung: Weil Steuererhöhungen schwierig durchsetzbar seien, könnte die Haltelinie letztlich doch über Beitragserhöhungen finanziert werden.

Wegen der Belastung der öffentlichen Finanzen forderte eine Gruppe von 22 Ökonomen laut „Handelsblatt“ den Stopp des geplanten Rentenpakets. Das würde allerdings auch die Erweiterung der Mütterrente treffen, die der CSU besonders wichtig war. Sie soll ebenfalls aus Steuermitteln finanziert werden. Die Union lehnt den Stopp der Reform ab.

Das sagen Umfragen

Die Rentenpläne befürwortet laut ZDF-„Politbarometer“ eine relative Mehrheit von 46 Prozent der Befragten in Deutschland. 43 Prozent lehnen die Pläne ab. Bei der Einschätzung, ob die Rentenpolitik allgemein eher zulasten der Jüngeren geht, waren sich die Befragten einiger: 71 Prozent bejahten das, 23 Prozent sind nicht dieser Meinung. (dpa)