In „Eddington“ spielen Joaquin Phoenix und Pablo Pascal zwei Männer, die in einer US-Kleinstadt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie einen erbitterten Machtkampf führen. Entstanden ist ein Drama, das Regisseur Ari Aster reichlich mit Western-Elementen bespickt hat. Wir zeigen weitere sehenswerte Neo-Western.
Diese fünf Neo-Western sollten Sie gesehen haben

Ab sofort im Kino: In „Eddington“ spielen Joaquin Phoenix (links) und Pablo Pascal einen Sheriff und Bürgermeister, die einen erbitterten Machtkampf austragen. (Bild: Leonine)
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Die Eroberung des Wilden Westen Amerikas, die Verschiebung der zivilisatorischen Grenze also, der sogenannten Frontier, immer weiter in die Wildnis hinein ist der Leitfaden, der sich durch den Western zieht.
Die Besiedlung ging nicht kampflos vonstatten. Widerstände gab es zu überwinden, Opfer zu bringen. Es war ein Kampf an vielen Fronten: gegen die Wildnis der Natur, aber auch gegen die Wildnis im Menschen, allen voran jenes Volk, das den Pionieren bei der Zivilisationsausdehnung im Wege stand.

„No Country For Old Men“ von den Coen-Brüdern ist so meisterhaft erzählt, wie er in seinem Welt- und Menschenbild pessimistisch ist. (Bild: kabel eins / PARAMOUNT VANTAGE / MIRAMAX FILM CORP.)
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Doch mit seinen archetypischen Figuren, den Cowboys und Lonern, die bald nur mit Mühe ihre Pferde besteigen konnten, wurde auch der Western älter. Der Blick begann, sich zu verschieben. Die Erzählung von der friedlichen Wildnis-Eroberung wurde zunehmend als Mythos enttarnt, gar als Lüge und Geschichtsverfälschung verurteilt.
Das Genre wurde reflektierter, realistischer - auch pessimistischer. Der Spätwestern richtete sich nicht mehr nur gegen das Wilde da draußen, sondern auch gegen das Wilde im Innern. An der Frontier kämpften nun das Gesetz gegen das Verbrechen, die Moral gegen die moralische Verrohung im Kreis der vermeintlichen Zivilisation.
Am Ende war der Western mit seinen Abgesängen und Entzauberungen nicht. Und tot schon gar nicht. Seinen Archetypen, den Helden und Antihelden etwa, den Lonern und Outlaws konnte die Zeit nichts anhaben. Und seine großen Themen - ob Verrat, Rache, Liebe oder Loyalität - standen und stehen sowieso jenseits von Zeit, Raum und Gattung.
Dieses Fundemant sichert dem Western sein Überleben, und es gibt ihm sogar die Kraft, sich anzupassen. Doch ob er sich auch als Actionfilm oder Horrorfilm, als Thriller oder Melodram ausgibt, in seinem Kern bleibt er als Western erkennbar. Sogar durch seine äußersten Merkmale, die die Handlung vor sich her trägt, verrät er sich.

In „There Will Be Blood“ rechnet Paul Thomas Anderson schonungslos mit dem amerikanischen Gründungsmythos ab. (Bild: Studiocanal)
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Die Helden und Antihelden, ihre Konflikte und Motive, das sind die sichbarsten Zeichen eines „verkleideten“ Western. Sie und ihre charakteristischen Embleme: die Waffe, die schnell gezückt ist, der Cowboyhut. Nur das Pferd, das ist den neuen Westernern abhandengekommen, die Landschaft durchqueren sie nun, sagen wir mit „eisernen Pferden“.
Western, die als Western kaum zu erkennen sind, und es doch sind - wer sie sucht, findet sie, im Kino, im Fernsehen oder auf Streamingdienst-Plattformen. Als Spielfilm oder als Serie. Wir haben fünf Neo-Western ausgemacht, die man gesehen haben sollte, darunter der aktuellste: „Eddington“, der ab sofort im Kino zu sehen ist.
Eddington (2025)
„Eddington“ ist ein Western in Zeiten von Corona. Ja, Corona, auch so kann ein Western aussehen. Als 2020 die Infektionskrankheit ausbricht, bekommen auch die Einwohner einer Kleinstadt im US-Bundesstaat New Mexico die Folgen zu spüren.

Küss mich, Cowboy! Jake Gyllenhaal (links) und Heath Ledger spielen in Ang Lees Oscarerfolg „Brokeback Mountain“ zwei Cowboys, die sich lieben. (Bild: Tobis)
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An den Schutzmaßnahmen entzündet sich schließlich der Konflikt, der sich mit der Auseinandersetzung zwischen einem liberalen Bürgermeister (Pedro Pascal) und einem konservativen Sheriff (Joaquin Phoenix) zuspitzt. Der Gesetzeshüter ist strikter Gegner jeglicher Maßnahmen und beschließt, bei der anstehenden Bürgermeisterwahl gegen den Amtsinhaber anzutreten. Es beginnt ein erbitterter Machtkampf.
No Country For Old Men (2007)
In „No Country For Old Men“ (2007) erzählen die Coen-Brüder die fatalistische Geschichte von Lewelyn Moss (Josh Brolin), eines klassischen Western-Loners. Lewelyn stößt in der Wüste auf den Schauplatz eines Verbrechens, wo er einen Koffer voll Geld entdeckt und an sich nimmt. Fortan wird der Vietnamkriegsveteran von einem gnadenlosen Killer (Javier Bardem) gejagt.
Mit diesem Charakter setzen die Coens dem archetypischenn Western-Bösewicht die Krone auf. Durch ihn kommt auch das pessimistische Welt- und Menschenbild des Films am deutlichsten zum Ausdruck. „No Country For Old Men“ dürfte der düsterste Westernfilm der Filmgeschichte sein.
There Will Be Blood (2007)

Warren Oates spielt in Sam Peckingpahs düsterem Neo-Western „Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia“ einen Mann, der zum Kopfgeldjäger wird. (Bild: IMAGO / United Archives)
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Die Geburt einer Nation im Zeichen von Barbarei und Gewalt: „There Will Be Blood“ erzählt von dem Geschäftsmann Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis), der sich in Amerika Anfang des 20. Jahrhunderts erst als Goldgräber versucht, bevor er auf Öl stößt und steinreich wird. Doch das ist ihm nicht genug.
Paul Thomas Anderson hält in seinem Neo-Western dem Gründungsmythos Amerikas schonungslos einen Spiegel vor. Inszeniert hat er nach Upton Sinclairs Roman „Oil!“ eine düstere Parabel über die Kehrseite amerikanischen Erfolgsstrebens. Das Ideal „You can do it if you want“ hat einen Preis: Es ist mit Blut erkauft, wie der Titel schon sagt, und geschieht unter Ausbeute der Natur.
Brokeback Mountain (2005)
Wenn Männer sich lieben! Im Wilden Westen noch dazu. Ang Lee bricht in seinem als Melodram gekleideten Neo-Western „Brokeback Mountain“ mit einem Tabu. Er zeigt in seinem einfühlsam, mit ruhiger Hand inszenierten Film, wie zwei Cowboys sich in den frühen 60er-Jahre ineinander verlieben. Es ist eine Liebe gegen unüberbrückbare Widerstände. Unausweichlich steuert die ergreifende Erzählung daher auf ein tragisches Ende zu.
Die Oscar-Academy zeigte sich anders als mancher Protagonist im Film toleranter gegenüber der Liebesgeschichte. „Brokeback Mountain“ wurde mit drei Oscars ausgezeichnet. Nominiert waren auch Nebendarsteller Jake Gyllenhaal und der 2008 verstorbene Hauptdarsteller Heath Ledger.
Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (1974)
Ein mexikanischer Großgrundbesitzer setzt ein Kopfgeld von einer Million Dollar für den Kopf des Mannes aus, von dem seine Tochter ein Kind erwartet. Den Auftrag dürfen die Auftragnehmer wortwörtlich verstehen. Der Feudalherr verlangt wirklich den Kopf von Alfredo Garcia als Beweis dafür, dass er tot ist. Auch der Amerikaner Bennie (Warren Oates) macht sich auf die Suche. Zwar erfährt er bald, dass Garcia bei einem Unfall bereits ums Leben gekommen ist, der Kopf des Toten ist aber noch immer von Wert.
„Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia“ ist ein Film über Outlaws von einem Regisseur, der selbst außerhalb des Systems Hollywood stand. Sam Peckinpah reflektiert in seinem brillanten Neo-Western über das Phänomen Gewalt. Dass sein Film selbst vor Gewalt strotzt, ist dabei Teil der kritischen Auseinandersetzung. (tsch)
