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ESC-Konter aus RusslandPutin belebt Ostblock-Contest neu – Propaganda-Sänger nimmt teil

Lesezeit 4 Minuten
Sänger Shaman (Jaroslaw Dronow, Mitte) bei einem orthodoxen Ostergottesdienst in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau.

Sänger Shaman (Jaroslaw Dronow, Mitte) bei einem orthodoxen Ostergottesdienst in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. (Archivbild)

Russland startet eigenen Musik-Wettbewerb: Putin bringt den Intervision Song Contest zurück – über 20 Länder sollen teilnehmen. 

Russland hat als Reaktion auf den Ausschluss vom Eurovision Song Contest (ESC) 2025 einen internationalen Musikwettbewerb angekündigt. Der sogenannte Intervision Song Contest (ISC) soll am 20. September 2025 in der Moskauer Live Arena stattfinden, wie das staatliche Fernsehen mitteilte. In der rund 11.000 Zuschauer fassenden Halle werden nach russischen Angaben mehr als 20 Länder vertreten sein.

Putin lässt Intervision Song Contest wieder aufleben – über 20 Länder sollen dabei sein

Der Wettbewerb wurde Medienberichten zufolge auf Anweisung von Präsident Wladimir Putin initiiert und knüpft an ein ähnliches Format aus Sowjetzeiten an. Russland war seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine vom ESC ausgeschlossen.

Putin gestikuliert.

Putin will den Intervision Song Contest aufleben lassen. (Archivbild)

Wie das russische Staatsfernsehen meldet, wird Sänger Jaroslaw Dronow, bekannt unter dem Künstlernamen Shaman, das Gastgeberland Russland vertreten. Bereits im März war über seine Teilnahme spekuliert worden. Der Sänger gilt als linientreuer Unterstützer der russischen Regierung und trat in der Vergangenheit mehrfach bei patriotischen Großveranstaltungen vor Putin & Co. auf.

ISC: Shaman soll Russland vertreten

In einem Statement sagte Shaman: „Es ist schwer, der Erste zu sein, aber ich bin auch nicht schüchtern.“ Der Wettbewerb soll laut Veranstaltern international ausgerichtet sein, auch wenn Details zur Jury oder zum Abstimmungsverfahren noch nicht bekannt wurden.

Laut Medienberichten haben bislang unter anderem China, Indien sowie mehrere Staaten aus Lateinamerika und dem Nahen Osten ihre Teilnahme am Intervision Song Contest zugesagt. Ob auch europäische Länder vertreten sein werden, ist derzeit nicht bekannt.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow versprach: „Ich garantiere, dass es keine Perversionen und Verhöhnungen der menschlichen Natur geben wird, wie wir sie bei den Olympischen Spielen in Paris gesehen haben.“

Darunter versteht man in Russland insbesondere Zeichen der Solidarität mit der LGBTQI+-Community oder jede Form des Ausdrucks, die als solche interpretiert werden könnte. Während der ESC international für Vielfalt und queere Sichtbarkeit steht, verfolgt Russland seit Jahren eine restriktive Linie – nicht-heteronormative Lebensentwürfe werden dort gesetzlich und gesellschaftlich stark unterdrückt.

Eurovision Song Contest weiterhin sehr beliebt in Russland

In Russland selbst erfreut sich der ESC trotz des Ausschlusses großer Beliebtheit – nicht zuletzt wegen Erfolgen wie dem Sieg von Dima Bilan mit dem englischsprachigen, auf westliche Geschmäcker zugeschnittenen Popsong „Believe“ im Jahr 2008. Mit diesem Sieg, vier zweiten und vier dritten Plätzen und vielen weiteren Platzierungen unter den besten Zehn, zählt Russland zu den erfolgreichsten Teilnehmern im Wettbewerb.

Die Neuauflage des Intervision-Wettbewerbs soll nach offiziellen Angaben sowohl etablierte Künstler als auch Newcomer ansprechen und wird komplett im russischen Staatsfernsehen übertragen.

Intervision Song Contest ist ein alter Bekannter – Karel Gott gewann zweimal

Der Intervision Song Contest (ISC) ist keine russische Erfindung oder gar eine Neuschöpfung von Putin, sondern hat eine lange Geschichte. Bereits in den 1960er und 1970er Jahren galt er als östliches Pendant zum Eurovision Song Contest und wurde zunächst von 1965 bis 1968 in der Tschechoslowakei und erneut von 1977 bis 1980 in Sopot (Polen) veranstaltet.

Karel Gott singt auf der Bühne.

Schlagerstar Karel Gott gewann den ersten Intervision Song Contest im Jahre 1965. Danach wurde er vor allen Dingen in Westdeutschland zum Superstar. (Archivbild)

Organisiert vom Netzwerk Intervision – dem sowjetischen Pendant zur Eurovision – nahmen zahlreiche Länder des Ostblocks, aber auch Staaten aus Afrika, Asien und Lateinamerika teil. Zuletzt belebte man den Wettbewerb 2008 in Sotschi, als Tadschikistan überraschend den Sieg davontrug. Danach scheiterten mehrere Anläufe, bis der Wettbewerb nun auf Geheiß des Kremls wiederbelebt wurde.

Der Intervision Song Contest war nicht nur ein politisches Signal, sondern auch eine Bühne für echte Stars. Erster Gewinner war der 2019 gestorbene Karel Gott, der als „Goldene Stimme aus Prag“ auch im Westen bekannt wurde. Die sowjetische Ikone Alla Pugatschowa gewann 1978 mit dem Titel „Vsjo mogut koroli“ und trat als Aushängeschild der Ost-Popkultur auch in Westdeutschland auf.

Johnny Cash und Boney M. traten als Stargäste auf

Auch die tschechoslowakische Sängerin Helena Vondráčková, Siegerin 1977, wurde später in Deutschland mit einigen Platten vermarktet und gilt bis heute in ihrer Heimat als Superstar. Finnlands Schlagerlegende Marion Rung, die bereits zweimal beim Eurovision Song Contest aufgetreten war, sicherte sich 1980 den Sieg – als eine der wenigen westlichen Künstlerinnen im Wettbewerb. Sie sprach erst kürzlich über ihren Sieg mit der britischen BBC.

Neben prominenten Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Wettbewerb selbst wurden beim Intervision Song Contest auch internationale Stargäste eingeladen. Zu den Showacts Ende der 1970er-Jahre gehörten unter anderem der amerikanische Countrysänger Johnny Cash, der französische Chansonstar Charles Aznavour, die Singer-Songwriterin Linda Lewis sowie die Disco-Gruppe Boney M. mit ihrem Hit „Rasputin“.