Trotz Streit um FinanzierungNRW gibt grünes Licht für das 9-Euro-Ticket

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Ab 23. Mai wollen die Kölner Verkehrs-Betriebe das 9-Euro-Ticket verkaufen.

Düsseldorf – Die NRW-Landesregierung wird der Einführung des 9-Euro-Monatstickets für Busse und Bahnen im Bundesrat ab Juni zustimmen, auch wenn der Streit um die Finanzierung mit dem Bund bis dahin nicht beigelegt sein sollte. Ein entsprechendes Gesetz muss noch in dieser Woche vom Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.

„Der öffentliche Nahverkehr ist das Rückgrat sauberer Mobilität. Deshalb setzt sich Nordrhein-Westfalen mit einer eigenen ÖPNV-Offensive seit Jahren dafür ein, mehr Menschen zum Umstieg in Busse und Bahnen zu überzeugen", sagt NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU). Auch das 9-Euro-Ticket kann die Attraktivität des ÖPNV erhöhen. Daher begleiten wir die Umsetzung konstruktiv – auch jetzt, auf der Zielgeraden.“

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Ina Brandes

Die Vorbereitungen für das Ticket, das im Juni, Juli und August bundesweit unbegrenzte Fahren im Regionalverkehr für monatlich neun Euro ermöglicht, laufen bei den Verkehrsunternehmen auf Hochtouren. Die Kölner Verkehrs-Betriebe beispielsweise wollen es ab 23. Mai verkaufen – unter anderem auch in der KVB-App.

Billigtickets sind Teil des Entlastungspakets

Der Zeitdruck ist also groß. Die Billigtickets sind Teil eines milliardenschweren Entlastungspakets für die Bürger wegen der hohen Energiepreise sind.

Im Gesetz geht es nicht um die praktische Ausgestaltung, sondern nur ums Geld. Genauer gesagt, um Extra-Geld über die zehn Milliarden Euro hinaus, die der Bund in diesem Jahr regulär für den öffentlichen Nahverkehr an die Länder überweist. Als Ausgleich für Einnahmeausfälle durch das 9-Euro-Ticket soll es 2,5 Milliarden Euro mehr geben. Das entspricht dem Drei-Monats-Anteil, also einem Viertel der erwarteten Ticketeinnahmen von zehn Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Länder sollen auch die 9 Euro pro Ticket behalten können. Daneben will der Bund 1,2 Milliarden Euro geben, um Verluste in der Corona-Krise auszugleichen, in der Kunden ausblieben.

Milliardenpoker auf den letzten Metern

Diese insgesamt 3,7 Milliarden Euro reichen den Ländern aber nicht. Einige drohten schon mit einem Nein im Bundesrat. Auf den letzten Metern ist damit noch ein Milliardenpoker eröffnet. In einer Experten-Anhörung des Verkehrsausschusses machten am Montag auch Verkehrsanbieter Druck für zusätzliche Finanzzusagen. Denn neben Einnahmeausfällen werde absehbar ein Mehraufwand im Betrieb entstehen - etwa für zusätzliches Personal und Fahrzeuge, erklärte der Bundesverband Schienennahverkehr als Organisation der regionalen Verkehrsverbünde. Das werde „ein gigantischer Akt“, sagte Vize-Geschäftsführer Robert Dorn.

Brandes: "Ticket darf kein Sommermärchen bleiben"

„Es hängt maßgeblich vom Bundesverkehrsminister ab, ob das 9-Euro-Ticket nicht nur als Sommermärchen in Erinnerung bleibt. Was wir nach wie vor dringend brauchen, ist mehr Geld für einen verlässlichen und bezahlbaren ÖPNV ab diesem Herbst. Hierzu ist der Bundesverkehrsminister den Ländern weiterhin eine Antwort schuldig", so NRW-Verkehrsministerin Brandes. "Dabei ist doch allen Seiten klar: Nur mit attraktiven Angeboten wie Zugverbindungen in höherer Taktung oder neue Schnellbuslinien wird es gelingen, langfristig mehr Fahrgäste zu gewinnen. Deshalb werden wir weiterhin beim Bund um mehr Geld kämpfen, um die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Nahverkehrs abzusichern.“

VDV erwartet bundesweit 30 Millionen Nutzer im Monat

Der Verband der Verkehrsunternehmen erläuterte, es werde mit ungefähr 30 Millionen Nutzern pro Monat für das Sonderticket gerechnet, dies sei aber nur eine Schätzung. Es wäre gut, wenn der Bund alle Kosten auch für das „Prognoserisiko“ übernähme, sagte Geschäftsführer Jan Schilling. Die Frage sei zudem, was danach passiere. Die 9 Euro seien so unschlagbar günstig, dass es natürlich einen Preissprung geben werde. Und zugleich würden Diesel für Busse und Strom für Bahnen teurer. Darauf unternehmerisch mit deutlichen Preiserhöhungen zu reagieren oder das Angebot herunterzufahren, sei aber auch nicht geboten. Das stünde dem erhofften „Klebe-Effekt“ entgegen, viele Nutzer des 9-Euro-Tickets zu Dauerkunden zu machen.

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Überhaupt fällt die Aktion in die grundlegende Debatte, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für mehr Klimaschutz mit attraktiveren Angeboten deutlich voranzubringen. Ziel müsse sein, die Zahl von 24 Millionen täglichen Nutzern aus der Vor-Corona-Zeit bis 2030 zu verdoppeln, sagte der Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Jens Hilgenberg, in der Anhörung. Daher dürfe es nun nicht nur zu einem „Strohfeuer“ kommen. Nötig seien dauerhafte Verbesserungen des Angebots vor allem auf dem Land. Wo jetzt kein Bus fahre, werde ja auch durch das verbilligte Ticket keiner fahren.

Länder drohen mit Blockade im Bundesrat

Die Ampel-Koalition im Bundestag wandte sich gegen Blockade-Drohungen aus den Ländern. „Durch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel werden die Länder in die Lage gebracht, dieses Vorhaben umzusetzen“, sagte FDP-Verkehrsexperte Bernd Reuther. „Es gibt daher keinen Grund, dass das vergünstigte Ticket im Bundesrat scheitert.“

SPD-Expertin Dorothee Martin verwies auf eine schon begonnene allgemeine Qualitäts- und Zukunftsdebatte für den ÖPNV. Nun freuten sich viele Menschen auf das Ticket. Es sei eine große Kraftanstrengung für die Länder und die Verkehrsunternehmen. Ein Scheitern wäre aber kontraproduktiv und würde dem ÖPNV schaden. (mit dpa)

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