Außenministerin in PretoriaSüdafrika neutral im Ukraine-Krieg – Annalena Baerbock will überzeugen

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Bei einer Reise nach Moskau Mitte Juni schüttelte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Hand seines russischen Amtskollegen Wladimir Putin.

Bei einer Reise nach Moskau Mitte Juni schüttelte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Hand seines russischen Amtskollegen Wladimir Putin (rechts).

Außenministerin Annalena Baerbock trifft am Dienstag ihre südafrikanische Amtskollegin. Ein Thema: Die Neutralität Südafrikas im Ukraine-Krieg.

Annalena Baerbock kommt einen Tag später als geplant: Nach dem angeblichen Putschversuch des Söldnerführers Jewgenij Prigoschin hat die Außenministerin ihre Südafrika-Reisepläne abgekürzt. Statt am Montag in Kapstadt eine Impfstoff-Produktion und eine Apartheid-Ausstellung zu besuchen, konferierte Baerbock in Luxemburg mit den anderen EU-Außenministern – die Lage in Russland scheint unklarer denn je. Baerbock wollte vor Ort sein.

Für ihren Antrittsbesuch im rund 9000 Kilometer entfernten Südafrika bleibt der Dienstag. Wie ursprünglich vorgesehen, trifft sie sich mit ihrer Amtskollegin Naledi Pandor. Und zumindest für Baerbock ist klar: der Ukraine-Krieg ist dabei eines der zentralen Themen.

„Wenn das Land von Nelson Mandela und Desmond Tutu sich gegen Ungerechtigkeit ausspricht, hört die Welt zu“, erklärte sie vor ihrem Abflug unter Bezug auf die beiden Ikonen des südafrikanischen Anti-Apartheids-Kampfes. „Deswegen will ich in Pretoria auch darüber sprechen, wie Südafrika sein Gewicht für ein Ende der russischen Aggression und die Wahrung der UN-Charta in die Waagschale werfen kann.“

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Südafrikas Staatspräsident Cyril Ramaphosa ist gerade von einer Reise in die Ukraine und nach Russland zurückgekommen, wo er mit einigen afrikanischen Amtskollegen zu vermitteln versuchte – auf den ersten Blick nicht sehr erfolgreich. Baerbock sagt, es zeige sich, „dass der brutale Krieg in Europa eben auch Afrika etwas angeht. Auch an den Geheimgesprächen über einen Friedensplan mit der Ukraine in Dänemark ist das Land beteiligt.

„Geopolitische Themen“ – Ukraine steht nicht offiziell auf dem Programm

Ihre Kollegin Pandor blieb im Vorfeld dennoch wolkiger: Neben der Klimapolitik werde es um „geopolitische Themen, die sich auf Afrika und Europa auswirken“ gehen, teilte ihr Ministerium mit. Das Wort „Ukraine“ kommt in dem Statement nicht vor.

Einfach wird das Gespräch also nicht. Denn Südafrika hat Russlands Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt. Bei Abstimmungen über entsprechende Resolutionen der Uno enthielt sich das Land. Äquidistanz ist das Stichwort, das auch die Position von Indien, Brasilien und China beschreibt. Gemeinsam mit Russland bilden die vier Länder die Brics-Gruppe der aufsteigenden Volkswirtschaften. Dass Russland anders als viele westliche Länder die Anti-Apartheid-Kämpfer unterstützte, wirkt nach.

Russland habe mit seinem Angriff internationale Regeln gebrochen, hält Baerbock dem entgegen. Und richtet die Frage an Südafrika: „Erlauben wir, dass so ein Verhalten zur neuen Norm wird?“

Die Südafrika-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Melanie Müller, meint die Friedensmission Ramaphosas und seiner Mitstreiter seien ein Zeichen von Bewegung. „Es ist auch ein Zeichen der Staaten, dass sie sich explizit um beide Seiten bemühen. Das lässt sich als Versuch einer eigenen Repositionierung begreifen, vorsichtig zwar, aber immerhin“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND)

Annalena Baerbock: „„Neutralität bedeutet, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen“

Baerbock bemüht für ihre Forderung, sich klar gegen Russland zu positionieren, gerne einen Südafrikaner als Kronzeugen. „Neutralität bedeutet, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen“, so zitiert die Ministerin häufig den verstorbenen Nobelpreisträger Bischof Desmond Tutu. Beim Umgang mit ihrer südafrikanischen Amtskollegin ist für die sehr direkt formulierende deutsche Außenministerin Vorsicht angesagt: Pandor werde „sehr deutlich, wenn sie das Gefühl hat, von westlichen Staaten bevormundet zu werden“, sagt Südafrika-Expertin Müller. Baerbock beteuert, sie wolle „zuhören und Chancen für engere Zusammenarbeit identifizieren“.

Um Zusammenarbeit geht es vor allem auch beim Klimaschutz. Die Produktion von grünem Wasserstoff, der als vielversprechender klimafreundlicher Energielieferant gilt, ist mittlerweile Thema bei fast jeder Reise der Ministerin. Auch die Visite in einer Vanadium-Mine mitten in einer Kohleabbauregion ist als Klimaschutz-Signal gedacht.. Das Ministerium betont die Verwendungsmöglichkeit für nachhaltige Batterien. Damit sei das Vanadium ein „wichtiges Instrument bei der Transformation des zu mehr als 80 Prozent kohlebasierten Elektrizitätssektors in Südafrika“.

Die Reise Baerbocks sei auf jeden Fall ein wichtiges Signal, findet Müller. Der Ukraine-Krieg habe zu Spannungen geführt. „Es ist gut, wenn Annalena Baerbock mit ihrem Besuch zeigt, dass dennoch Gespräche möglich sind. Das kann dazu beitragen, dass sich die Lage nicht weiter polarisiert.“

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