Barack Obama äußert sich selten öffentlich. Mit Blick auf Trumps Politik wurde der Ex-Präsident nun aber deutlich – und bekommt Zustimmung.
Droht eine Autokratie in den USA?„Gefährlich nah dran“ – Obama warnt in seltener Rede vor Trumps Radikalkurs

Barack Obama bei einem Auftritt in Oslo. Der ehemalige US-Präsident hat Donald Trump scharf kritisiert. (Archivbild)
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Der ehemalige US-Präsident Barack Obama sieht die Zukunft der amerikanischen Demokratie in Gefahr. Die USA seien „gefährlich nah dran, Verhalten zu normalisieren“, das mit Autokratien vereinbar sei, sagte Obama in einer seiner seltenen öffentlichen Reden im Bundesstaat Connecticut – und äußerte dabei deutliche Kritik an Präsident Donald Trump und der US-Regierung.
„Wenn man regelmäßig verfolgt, was diejenigen sagen, die derzeit in der Bundesregierung das Sagen haben, stellt man fest, dass wir uns nur schwach an das halten, was wir – und das gilt nicht nur für meine Generation, zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg – davon verstanden haben, wie eine liberale Demokratie funktionieren soll“, fand Obama bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte deutliche Worte.
Barack Obama warnt: USA „gefährlich nah“ an Autokratie
Was derzeit in den USA sichtbar werde, sei „nicht mit der Demokratie vereinbar“, fügte der Demokrat hinzu. Noch sei die Lage in den USA aber auch nicht mit Autokratien wie „Ungarn unter Orban“ vereinbar, grenzte Obama seine Kritik ein.
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„Es ist nicht mit Ländern vereinbar, die Wahlen abhalten, aber ansonsten nicht das einhalten, was wir uns unter einem fairen System vorstellen, in dem jede Stimme zählt, die Menschen mitreden können, es ein System der gegenseitigen Kontrolle gibt und niemand über dem Gesetz steht“, führte der Ex-Präsident aus und sprach eine deutliche Warnung aus. „Wir sind noch nicht ganz am Ziel, aber ich denke, wir sind gefährlich nah dran, solches Verhalten zu normalisieren.“
Obama fordert mehr Widerstand gegen Trump – von allen
Bei seinem Auftritt in Hartford lobte Obama die jüngsten Proteste gegen Trump und die US-Regierung, forderte aber auch von gewählten Amtsträgern mehr Widerstand. Sowohl in den Reihen der Demokraten als auch bei den Republikanern müsse es „Leute geben, die sagen: ‚Nein, das können Sie nicht tun‘“, sagte Obama.
Der ehemalige US-Präsident hat nach seiner Amtszeit weitgehend auf öffentliche Auftritte verzichtet – zuletzt war Obama dafür bei einigen US-Medien in die Kritik geraten. „Der effektivste Kommunikator der Demokratischen Partei setzt weiterhin auf minimale Kommunikation“, hatte etwa „The Atlantic“ kürzlich Obamas Zurückhaltung kritisiert.
Barack Obama wegen öffentlicher Zurückhaltung in der Kritik
Den seltenen Auftritt in Connecticut nutzte der Demokrat nun allerdings nicht nur für Kritik an Trump, sondern zeigte sich auch zuversichtlich, dass die amerikanische Demokratie sich durchsetzen werde und ermutige junge Amerikaner dazu „Veränderungen herbeizuführen“.
„Wenn ich mit jungen Leuten spreche, ist das Wichtigste, was sie hören müssen: Es ist wichtig, bei Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten ungeduldig zu sein, und es gibt eine gesunde Empörung, die wir angesichts der aktuellen Ereignisse hier und weltweit zeigen sollten“, erklärte Obama.
Ex-Präsident fordert Zusammenhalt: „Ein Spiel der Addition“
Wenn man jedoch „Veränderungen bewirken“ wolle, müsse man ein „Spiel der Addition, nicht der Subtraktion“ spielen, führte der 63-Jährige aus. „Man muss Wege finden, eine gemeinsame Basis mit Menschen zu finden, die einem nicht in allem, aber in einigen Punkten zustimmen.“
Nur mit Zusammenarbeit könne die Demokratie geschützt werden, führte Obama aus. Dadurch würden „Menschen beginnen, sich ineinander wiederzuerkennen und einander zu vertrauen“, fügte der Ex-Präsident an. „Das ist nicht nur die Grundlage der Demokratie, sondern auch die Grundlage unserer langfristigen Rettung.“
Barack Obama: Kritik folgt auf Trumps Einsatz von Nationalgarde
Obamas Kritik an Trump und die Warnung vor autokratischen Zügen der US-Regierung erfolgt im Kontext der Proteste gegen Trumps Abschiebepraxis, bei denen der US-Präsident die Nationalgarde gegen den Willen des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom nach Los Angeles entsandt hatte. Trumps Kritikern sehen darin ein klares Zeichen für einen autokratischen Kurs des Republikaners.
Wie nun Obama warnten auch einige Politikwissenschaftler zuletzt vor schnell voranschreitenden autokratischen Tendenzen in den USA. „Der Einsatz der Nationalgarde und des Militärs gegen den ausdrücklichen Willen eines Gouverneurs ist für mich ein weiteres Zeichen dafür, dass die USA in eine autokratische Herrschaft gleiten“, sagte etwa die amerikanische Historikerin Lisa McGirr dem „Spiegel“ in dieser Woche.
USA unter Donald Trump: „Verfahren der Demokratie infrage gestellt“
Die USA befänden sich in einer Lage, in der Trump „grundlegende Verfahren der Demokratie infrage“ stelle. US-Gerichte seien derweil die „einzigen Institutionen“, die noch „wirksamen Widerstand“ gegen Trumps Maßnahmen leisten würden, führte McGirr aus. Bis zur nächsten Wahl könne man daher nur noch hoffen, dass die Richter und Staatsanwälte weiterhin „die Aushöhlung der demokratischen Normen verhindern“, fügte die Harvard-Professorin an.

Ex-Präsident Barack Obama im Gespräch mit US-Präsident Donald Trump am Rande des Begräbnisses von Jimmy Carter. (Archivbild)
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Die Historikerin steht mit ihrer Einschätzung unter Wissenschaftskollegen international nicht alleine da. Eine Mehrheit von mehr als 500 befragten Politikwissenschaftlern hatte den USA bereits im April attestiert, sich mit raschen Schritten von einer liberalen Demokratie hin zu einer Form des Autoritarismus zu bewegen.
Harvard-Professor: „In eine Form des Autoritarismus abgeglitten“
Ein Harvard-Kollege von McGirr stellte dabei bereits vor zwei Monaten eine noch drastischere Diagnose als jene der Historikerin aus. „Wir sind in eine Form des Autoritarismus abgeglitten“, zitierte der Rundfunksender NPR damals den Politikwissenschaftler Steven Levitsky, der ebenfalls an der Harvard University lehrt. Im Vergleich zu anderen Autokratien sei der Zustand in den USA derzeit noch „relativ milde“ und „sicherlich umkehrbar“, so Levitsky. „Aber wir leben nicht mehr in einer liberalen Demokratie.“
Warnungen vor Trumps Politik hat es unterdessen auch in Deutschland bereits gegeben. „Das, was die Regierung macht, ist faschistisch, ja. Das hat sich verschärft“, hatte der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ im April erklärt.
„Die Zeit der politischen Wohlfühltemperaturen ist vorbei“
„Man sieht, wie die Teilung in der Gesellschaft zementiert wird zwischen den ‚Guten‘, die dazugehören, und denen, die sichtbar aus dem Land verbracht werden sollen“, fügte der Professor für Internationale Politik der Universität Köln auch mit Blick auf Trumps Radikalkurs in der Migrationspolitik an, der nun auch zum Einsatz von US-Soldaten im Landesinneren geführt hatte.
„Recht hat er“, kommentierte Jäger nun die warnenden Worte Obamas auf der Plattform X. Der Ex-Präsident müsse sich aber auch „an die eigene Nase fassen“, führte der Politikwissenschaftler aus. „Die Zeit der politischen Wohlfühltemperaturen ist vorbei“, schrieb Jäger weiter. Obama müsse sich nun entscheiden, ob er „weiterschlafen“ oder „in den Ring“ zurückkehren wolle.