Correctiv-Chefredakteur zu rechtem Geheimtreffen„Diese Nähe ist für die AfD hochproblematisch“

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Justus von Daniels ist Chefredakteur des Recherche-Netzwerks Correctiv.

Justus von Daniels ist Chefredakteur des Recherche-Netzwerks Correctiv.

Justus von Daniels erzählt in dem Interview, wie es zur Recherche kam, welche Erkenntnisse neu sind und was das Treffen so brisant macht.

Ein Treffen, das geheim bleiben sollte und ein „Masterplan“, der eine rassistische und verfassungsfeindliche Agenda offenbart: Ein am Mittwoch veröffentlichter Artikel des Recherchezentrums Correctiv könnte für die AfD ungemütlich werden und dem Bundesamt für Verfassungsschutz weitere Munition für eine Einstufung der Partei als gesichert rechtsextrem liefern.

Den Correctiv-Recherchen zufolge trafen sich AfD-Politiker im vergangenen November unter anderem mit bekannten Rechtsextremen im „Landhaus Adlon“, einem Gasthaus am Lehnitzsee in Potsdam. Dort habe der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner einen „Masterplan“ zur „Remigration“ vorgestellt – mit diesem Schlagwort machen die AfD und verschiedene rechtsextreme Gruppierungen für massenhafte Abschiebungen von Menschen mit Migrationsgeschichte mobil. Die in Potsdam vorgestellten Pläne beinhalteten offenbar sogar eine Vertreibung von Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels berichtet im RND-Interview, wie sein Team bei der Recherche vorgegangen ist und warum das aufgedeckte Geheimtreffen in seinen Augen so berichtenswert war.

Herr von Daniels, wodurch wurde Ihre Recherche ausgelöst?

Der Beginn unserer Recherche waren Einladungsschreiben, die wir erhalten haben. Darin ging es schon konkret darum, dass bei diesem Treffen ein „Masterplan“ vorgestellt werden solle. Der österreichische Anführer der Identitären Bewegung, Martin Sellner, wurde als Hauptredner angekündigt.

Wie ging die Recherche dann weiter?

Aus den beiden Einladungsschreiben ging hervor, wo das Treffen stattfinden wird und wer der Veranstalter ist. In dem ersten Schreiben hatten der Investor Hans-Christian Limmer und der pensionierte Düsseldorfer Zahnarzt Gernot Mörig noch gemeinsam eingeladen. In der zweiten Einladung war es dann nur noch Mörig, ein Rechtsradikaler, der in der völkischen Szene lange bekannt ist. Wir haben dann überlegt, wie wir möglichst viel von dem Treffen mitbekommen können. Da es in einem kleinen Hotel stattfand, hat einer unserer Reporter sich dort eingemietet. Wir haben Fotos gemacht, die belegen, wer an dem Treffen teilgenommen hat – das deckte sich am Ende sehr mit dem, was wir zuvor vermutet hatten.

Ihr Bericht vom Treffen im Landhaus Adlon liest sich fast, als hätten Sie mit am Tisch gesessen. Wie verlässlich sind Ihre Quellen?

Was wir aus dem Treffen zitieren, haben uns mehrere Quellen bestätigt. Die Teilnehmenden wissen genau, dass das, was wir zitieren, auch so gesagt wurde.

Nach dem völkisch-rassistischen Weltbild, das dort vertreten wurde, geht es dabei auch um Menschen mit deutschem Pass.
Justus von Daniels

Teile der AfD schweigen eisern zu Ihren Recherchen, manche AfD-Politiker sagen aber: Was soll daran neu oder geheim sein, wir haben doch immer gesagt, dass wir für „Remigration“ sind. Was ist das Neue und Brisante an diesem Treffen in Potsdam?

Das Treffen ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen zeigt es die enge Vernetzung von Martin Sellner, einem der führenden Köpfe der Identitären Bewegung, mit AfD-Politikern. Eigentlich gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD gegenüber der Identitären Bewegung. Diese Nähe ist für die AfD hochproblematisch. Das Zweite sind die Inhalte des „Masterplans“ zur sogenannten „Remigration“, der dort vorgestellt wurde.

Nach dem völkisch-rassistischen Weltbild, das dort vertreten wurde, geht es dabei auch um Menschen mit deutschem Pass. Die Teilnehmer suchen offensichtlich nach Kriterien, wie man Deutsche aufteilen kann – in Menschen, die in deren Weltbild passen und solche, die das nicht tun. Dass das so offen ausgesprochen und debattiert wurde, ist mir aus dem Umfeld der AfD bislang nicht bekannt gewesen.

Sie erwähnten den „Masterplan“ zur Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland. Hat Martin Sellner wirklich einen detaillierten Plan vorgestellt, wie so etwas ablaufen könnte, oder handelt es sich dabei eher um rechtsextremen Größenwahn?

Dieser „Masterplan“, wie Sellner ihn vorgestellt hat, ist offensichtlich verfassungswidrig. Das wissen die Teilnehmenden auch, deshalb ist es umso interessanter, zu sehen, wie sie über eine mögliche Umsetzung diskutierten: Wie könnte man eine Atmosphäre im Land schaffen, dass sich Menschen nicht mehr wohlfühlen und das Land verlassen. Es wurde überlegt, wie diese Pläne umgesetzt werden können, obwohl sie gegen elementare Grundsätze der Verfassung verstoßen.

Bei dem Treffen waren Ihren Recherchen zufolge nicht nur AfD-Politiker und bekannte Rechtsextreme anwesend, sondern auch drei Mitglieder der CDU, zwei davon in der „Werteunion“ aktiv. Gab es aus den Reihen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Widerspruch gegen diese Überlegungen?

Nein, es gab auf dem Treffen keinen grundsätzlichen Widerspruch gegen das, was Martin Sellner vorgetragen hat. Stattdessen gab es eher eine Diskussion, wie das umsetzbar sei.

Mehrere Politiker haben sich in Reaktion auf Ihre Recherche für die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahren ausgesprochen. Kommt jetzt noch mal Wind in diese seit längerem laufende Verbotsdebatte?

Bei einem möglichen Verbotsverfahren ginge es auch um die Frage, wie systematisch die Partei mit der rechtsextremen Szene vernetzt ist. Diese Vernetzung wurde hier offensichtlich. Und auch die Themen über die gesprochen wurde, sind höchst fragwürdig. Deshalb ist der Bericht über so ein Treffen sicherlich ein wichtiger Baustein in der AfD-Verbotsdebatte.

Viele Wählerinnen und Wähler lassen sich von Berichten über rechtsextreme Bestrebungen der AfD und auch durch die Einstufung der Partei durch den Verfassungsschutz offenbar nicht verschrecken. Können solche Recherchen da überhaupt noch etwas erreichen?

Uns geht es um Transparenz in der Diskussion um die AfD. Wir wollen zeigen, worüber AfD-Politiker diskutieren und was sie planen. Daraus muss aber nach wie vor jeder seine eigene Schlussfolgerung ziehen.

In der kommenden Woche soll die Recherche auch als Szenische Lesung im Berliner Ensemble auf die Bühne gebracht werden. Ist dabei noch mit weiteren brisanten Rechercheergebnissen zu rechnen?

Ja, wir werden noch weitere Details aus der Recherche veröffentlichen. Und die werden sicherlich auch in dieser szenischen Lesung eine Rolle spielen.

Zur Person und Lesung

Justus von Daniels ist Chefredakteur des Recherche-Netzwerks Correctiv. Auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ arbeitet mit Correctiv immer wieder zusammen — zuletzt bei der Aktion „Schulwegsicherheit“. Die szenische Lesung findet am 17. Januar um 21 Uhr im Berliner Ensemble statt — inszeniert von Kay Voges, dem künftigen Intendanten des Kölner Schauspiels. Der Livestream ist frei abrufbar: www.berliner-ensemble.de

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