Kommentar zu den DemosJetzt ist die Politik gefragt – auf allen Ebenen

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Demonstration gegen Rechtsextremismus am 21. Januar in Köln

Demonstration gegen Rechtsextremismus am 21. Januar in Köln

 Nach den Anti-AfD-Demonstrationen vom Wochenende muss die Politik nun klar kommunizieren, kommentiert KStA-Chefredakteur Christian Hümmeler.

Wenn allein in Köln 70.000 Menschen und deutschlandweit sogar Hunderttausende auf die Straße gehen, um sich gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zu stellen, ist das ein starkes Zeichen und eine deutliche Absage an die unsäglichen Abschiebungsfantasien der AfD. Das darf sich auch gut anfühlen. Zumal in Köln, wo der Widerstand gegen Rechtsaußen seit der ersten „Arsch Huh“-Aktion von 1992 ja eine starke Tradition hat. Wie andernorts waren die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Deutzer Werft zudem nicht etwa hartgesottene Demo-Veteranen, sondern ein Querschnitt der (städtischen) Gesellschaft. Für viele war es gar die erste Teilnahme an einer Demonstration.

Die AfD dürfte sich allerdings weder von den Teilnehmerzahlen noch vom Gemeinschaftsgeist der Demonstranten beeindrucken lassen und auch nicht von deren breitem politischem Spektrum. Die Rechtspopulisten, deren Aufstieg man in Deutschland allzu lange für ein Phänomen gehalten hat, das ausschließlich irgendwie weniger gefestigtere Nationen heimsuche, haben ungeachtet der bundesweiten Demonstrationen eines vollumfänglich erreicht: Alle, die es bislang noch nicht so recht geglaubt haben, wissen nun, wie die AfD mit vermeintlichen „Ausländern“ umgehen will.

Die AfD reagiert nach dem gewohnten Muster

Und die Adressaten dieser Botschaft sind ja genau nicht die Demonstrierenden vom Wochenende, sondern die nicht geringe Zahl jener, die sich in der Unübersichtlichkeit der Moderne nicht mehr zurechtfinden, die zu den Verlierern der Globalisierung gehören, die nach einfachen Lösungen suchen. Und die deswegen empfänglich sind für die Benennung vermeintlicher Sündenböcke, empfänglich selbst für übelste Fantastereien über deren Austreibung.

Somit reagiert die AfD auf die Enthüllungen über ihre Potsdamer Deportationskonferenz nach dem gewohnten Muster: Sie rudert zurück ein bisschen zurück, distanziert sich aber nicht eindeutig. Sie entlässt als Bauernopfer gar einen der Akteure, spricht aber gleichzeitig von Medienkampagnen und Fake News. Wichtig ist der Partei nur eines: Der Ungeist ist aus der Flasche.

Schlechte Politik lässt selbst Wohlmeinende ratlos zurück

Das heißt nicht, dass die Demonstrationen vergeblich gewesen wären, im Gegenteil. Doch nun ist vor allem die Politik gefragt, und zwar auf allen Ebenen. Schließlich ist das Gefühl weit verbreitet, dass in Deutschland zu wenig wirklich funktioniert, dass zu viel schiefläuft, dass die Ampelregierung, aber auch die Politikerinnen und Politiker in den Ländern und den Kommunen, gerade auch in Köln, die Dinge nicht mehr im Griff haben. Diesen Eindruck dürften auch viele der Demonstranten vom Wochenende teilen.

Nun führt schlechte Politik nicht zwingend direkt in den Rechtsradikalismus. Aber sie lässt auch die Wohlmeinenden zunehmend ratlos zurück – vielleicht auch deswegen, weil es oft gar nicht die Entscheidungen selbst sind, sondern die Kommunikation darüber. Weil Politik auf allen Ebenen zurzeit den Anschein macht, als legte sie den Fokus vor allem auf die Probleme, nicht aber auf die Lösungen. Das frustriert im Großen wie im Kleinen.

Politik braucht Klarheit. Jede Entscheidung aber, die nicht getroffen wird, jeder Schritt, der wieder einmal vertagt wird oder im Parteienstreit untergeht, sorgt bei inzwischen allzu vielen für ein Gefühl der Ohnmacht. Und bei manchen dann eben auch für eine immer weitere Abwendung von den Grundsätzen des Miteinanders, ja sogar von der Demokratie.

Noch hat es die Politik, haben wir es alle in der Hand, diese Menschen zurückzugewinnen. Dass daran ein ganzes Land erinnert wurde – auch das ist das Verdienst aller, die an diesem Wochenende demonstriert haben.

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