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Kommentar

Bündnisse
So könnte vom Kölner Rat eine Signalwirkung für NRW ausgehen

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OB Torsten Burmester (SPD) hat die Stichwahl in Köln gegen die Kandidatin der Grünen mit massiver Unterstützung aus den CDU-Hochburgen gewonnen.

OB Torsten Burmester (SPD) hat die Stichwahl in Köln gegen die Kandidatin der Grünen mit massiver Unterstützung aus den CDU-Hochburgen gewonnen.

Der designierte Oberbürgermeister Torsten Burmester (SPD) wirbt für seinen „Kölner Weg“: einen Stadtrat ohne feste Bündnisse.

Die Brandmauer gegen die AfD ist ein politisches und moralisches Versprechen: Keine gemeinsame Sache mit Extremisten, die unsere Demokratie und das Grundgesetz verachten, Menschen in gute und schlechte Deutsche einteilen, Diktatoren und Kriegstreiber hofieren. Und unser Land aus der EU führen wollen, ohne zu sagen, wie Wohlstand und Frieden gesichert werden sollen. Trotzdem ist die AfD in Umfragen zur stärksten politischen Kraft geworden. In Sachsen-Anhalt, wo 2026 Wahl ist, liegt sie weit vor der CDU. In NRW macht sie sich nach der Kommunalwahl in den Räten des Rheinlands in neuer Stärke breit – in Leverkusen, Bergheim oder Troisdorf.

Auch in Köln, wo der designierte Oberbürgermeister Torsten Burmester mit der Idee eines Stadtrats ohne feste Bündnisse über etwas nachdenkt, was helfen könnte, die AfD einzudämmen. Friedrich Merz hat alle demokratischen Parteien aufgerufen, die AfD gemeinsam zu bekämpfen. Wohl wissend, dass der Union rechts der Mitte die Bündnispartner fehlen.

Die Brandmauer ist deshalb politisch bequem für SPD und Grüne. Denn der CDU bleibt nichts anderes übrig, als sich auf Koalitionen mit Parteien links der Mitte einzulassen – und dafür ihr konservatives Profil zu verwässern. Auch das gehört zur Wahrheit. Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang fand dafür deutliche Worte: „Dieses fast hämische wollte er nicht die AfD halbieren? von manchen aus meiner Partei und der SPD finde ich ziemlich befremdlich.“

„Brandmauer“ auf kommunaler Ebene kann für CDU zum Problem werden

Als Kanzler vermeidet Merz den Begriff „Brandmauer“ unterdessen bewusst, weil er weiß, dass diese auf kommunaler Ebene leicht zum Dilemma wird. Dort, wo politische Verantwortung konkret wird, beginnt das Ringen mit der Realität. Auf Mehrheiten mit der AfD sollte aber auch in den Städten und Gemeinden kein Demokrat bauen. So groß die Versuchung sein mag und so richtig es ist, dass ein gutes Vorhaben nicht schlecht wird, weil auch die Falschen dafür die Hand heben. Gerade aus bürgerlicher Sicht braucht es eine Politik, die wieder Vertrauen stiftet. Nicht durch Parolen, sondern durch verantwortungsbewusstes Handeln. Eine Politik, die das Gestalten über das Spalten stellt.

Der bürgerliche Sozialdemokrat Burmester hat die Stichwahl in Köln gegen die Kandidatin der Grünen mit massiver Unterstützung aus den CDU-Hochburgen gewonnen. Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei schließt Burmester dem Vernehmen nach kategorisch aus. Bei den Grünen, der stärksten Kraft im Rat, sieht er zu viele inhaltliche Differenzen für ein verbindliches Bündnis. Zu groß ist Burmester der linksideologische Flügel innerhalb der Kölner Grünen, der auch die Partei selbst vor Herausforderungen stellt.

Zweckallianz im Kölner Rat könnte erneut scheitern

Rechnerisch könnte die Burmester-SPD auf der anderen Seite mit CDU, FDP, Stadtgesellschaft und Volt zu einer hauchdünnen Mehrheit (eine Stimme!) gelangen. Doch Köln kennt die lähmende Wirkung solcher Zweckallianzen: Sie verlieren sich in Kompromissen, gegenseitiger Blockade, stehen immer am Rande des Scheiterns. Deshalb denkt Burmester über einen „bündnisfreien Rat“ nach. Er will versuchen, so heißt es, „von vorne“ zu führen: Mit wechselnden Mehrheiten zu wechselnden Themen.

Die großen demokratischen Fraktionen – SPD, CDU und Grüne – sollen gemeinsam den Haushalt mit einigen gemeinsamen Roten Linien beschließen, danach aber werden Projekte unter den demokratischen Parteien einzeln entschieden. Wenn Grüne und CDU den Mut haben, diesen Weg mitzugehen, könnte Köln zeigen, dass beides möglich ist: klare Haltung gegen die AfD und zugleich eine Politik, die Brücken baut zwischen bürgerlichen und linken Interessen.

Noch ist es nicht soweit. In diesen Tagen kämpfen Grüne und CDU im Hintergrund um die Lufthoheit in der Stadt: Die Grünen wollen ein linkes Bündnis mit Volt und SPD, die CDU zielt auf die SPD und einen konservativen Schulterschluss, unter anderem ebenfalls mit Volt.

Burmester steht offenbar dazwischen, wirbt für seinen „Kölner Weg“ und sieht für eigene Themen Rückhalt in beiden Lagern. Schaffen Burmester und die SPD den Balanceakt, ginge von Köln, das sich zuletzt im Dauerzwist von Grünen und CDU erschöpft hatte, ein Signal zumindest für NRW aus: dass Demokratie auf Kommunalebene ohne festgefügte Lager entschlossener regieren kann. Es böte die Chance, der AfD Wähler abspenstig zu machen – weil auch konservative Positionen zum Zug kämen und die CDU im Kommunalen nicht mehr in Richtung AfD schielen müsste. Sondern, wie Merz sagt: voll auf Angriff schalten kann.