Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Trumps „Brief“ an Europa„Ein Beweis dafür, dass er Putin schützt und Russland im Krieg hilft“

6 min
US-Präsident Donald Trump hat Bedingungen für die Nato-Staaten aufgestellt, von denen er schärfere Sanktionen gegen Russland abhängig macht. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump hat Bedingungen für die Nato-Staaten aufgestellt, von denen er schärfere Sanktionen gegen Russland abhängig macht. (Archivbild)

Trump stellt Europa ein Ultimatum – und bekommt auch in den USA heftigen Gegenwind. Moskau stellt derweil Raketen an Polens Grenze.

Erst verkündete US-Präsident Donald Trump nach Moskaus Provokation im polnischen Luftraum seine Bereitschaft für härtere Sanktionen gegen Moskau, dann legte Russland auch schon nach – und schickte eine Drohne in den rumänischen Luftraum. Erneut stiegen Nato-Kampfjets auf. Wirkung zeigte Trumps Wortmeldung am Samstag im Kreml scheinbar nicht – und auch in Westen wurde mehr Kritik als Beifall laut.

Trump hatte zuvor einen „Brief an alle Nato-Staaten und die Welt“ auf seiner Plattform Truth Social veröffentlicht – und darin seinen Verbündeten ein Ultimatum gestellt. „Wenn die Nato tut, was ich sage, wird der Krieg schnell enden“, verkündete der US-Präsident. Sollten alle Bündnismitglieder „den Kauf von Öl aus Russland einstellen“ und „50 bis 100 Prozent Zölle auf China erheben“ sei er bereit, „umfassende Sanktionen gegen Russland zu verhängen“, erklärte Trump.

Sollten diese Bedingungen jedoch nicht erfüllt werden, „verschwenden Sie nur meine Zeit“, ließ er wissen. „Das ist nicht Trumps Krieg (er hätte niemals begonnen, wäre ich Präsident gewesen!), es ist Bidens und Selenskyjs Krieg“, schrieb Trump weiter in dem Beitrag. Den Namen von Kremlchef Wladimir Putin erwähnte der 79-Jährige unterdessen nicht.

„Bidens und Selenskyjs Krieg“ – aber Putin erwähnt Trump nicht

Bereits in der Vergangenheit hatte Trump wahrheitswidrig behauptet, die Ukraine habe den Krieg begonnen – und das für eine „schlechte Idee“ befunden. Tatsächlich besetzte Russland bereits 2014 die ukrainische Krim-Halbinsel, am 24. Februar 2022 folgte der Einmarsch in das Nachbarland. Seitdem verteidigt sich die Ukraine täglich gegen russische Angriffe, die sich oftmals auch gegen Zivilisten richten.

Angesichts Trumps erneuter Falschdarstellung wird nun auch bei Parteikollegen harsche Kritik am US-Präsidenten laut, der seit Amtsantritt keinerlei Maßnahmen gegenüber Moskau ergriff, gleichzeitig aber die Unterstützung für die Ukraine reduzierte.

Schelte für Trump: „Moralisch blind und sachlich falsch“

„Moralisch blind und sachlich falsch“, sei Trumps Behauptung, es sei „Bidens und Selenskyj Krieg“, wurde der republikanische Kongressabgeordnete Don Bacon auf der Plattform X deutlich. „Herr Präsident, Putin ist der Aggressor. Und nun findet dieser Krieg unter Ihrer Verantwortung statt“, richtete sich der Republikaner an Trump und warnte den Präsidenten.

„Sie werden in den kommenden Jahrzehnten in den Geschichtsbüchern nach Ihren Handlungen oder Ihrer Untätigkeit beurteilt werden.“ Es sei Kremlchef Putin gewesen, der das „Feuer entfacht“ habe, erklärte Bacon zudem. Trump weigere sich jedoch, das anzuerkennen, schrieb der Republikaner. „Er ist moralisch blind gegenüber Russland.“

„Das könnte auch von Putin geschrieben worden sein“

Einige Demokraten wählten noch schärfere Worte. „Das könnte auch von Putin geschrieben worden sein“, befand der Kongressabgeordnete Eric Swalwell bei X. „Putin testet Trump, zuerst in Polen und jetzt in Rumänien – und Trump schiebt die Verantwortung einfach ab“, schrieb auch Chuck Schumer, Fraktionschef der Demokraten im US-Senat, und fügte an: „Trumps Zeichen der Schwäche werden den Vereinigten Staaten schwere Schäden zufügen.“

Auch Trumps Ultimatum an die Nato sorgte schnell für Gegenwind. Die einzigen Nato-Staaten, die noch in größerem Ausmaß Öl aus Russland beziehen, sind schließlich ausgerechnet jene, zu deren Staatschefs der US-Präsident gute Beziehungen unterhält, namentlich die Türkei, Ungarn und die Slowakei.

Viktor Orbán steht Donald Trumps Bedingungen im Weg

Insbesondere der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán inszenierte sich immer wieder als Freund des US-Präsidenten, gleichzeitig blockiert Orbán regelmäßig EU-Maßnahmen gegen Russland und hält am Kauf russischen Öls fest. Die restlichen Nato-Staaten, die ihren Ölhandel mit Russland massiv heruntergefahren haben, befinden sich in dieser Frage also bereits im Konflikt mit Budapest, Bratislava und Ankara.

Die Türkei erhöhte die Importe von russischem Öl trotz der Kritik aus Europa seit Kriegsbeginn sogar. „Drittländer, insbesondere unsere Nato-Verbündeten, sollten sich unseren Sanktionen so weit wie möglich anschließen“, hatte Estlands Außenminister Margus Tsahkna bereits im Mai gefordert – genutzt hatte das nichts. Auch Ankara lässt sich von seinem Kurs bisher nicht abbringen. Vor diesem Hintergrund wirken Trumps Bedingungen unerfüllbar – und die von ihm versprochenen Sanktionen unerreichbar.

„Die Realität ist, dass Trump Ausreden vorbringt“

Auch wenn es wichtig sei, „den Rest zu beseitigen“, seien die „Energiebeziehungen zwischen der EU und Russland größtenteils nicht mehr vorhanden“, erklärte bei X am Wochenende auch Janis Kluge, Wirtschaftsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik. In Washington dürfte man das wissen.

Die meisten Nato-Länder hätten den Kauf von russischem Öl „bereits gestoppt“, erklärte auch Trumps Parteikollege Bacon. „Ungarn ist einer der größten Abnehmer russischen Öls – und Trump liebt Orbán“, betonte der Republikaner. „Die Realität ist, dass Trump Ausreden vorbringt, weil er gegenüber Putin schwach ist.“ Einige der Aussagen des Präsidenten seien außerdem „glatte Lügen“, lautete Bacons Fazit.

Wie Trump „Putin vor Sanktionen schützt“

„Wenn Trump Putin wirklich sanktionieren wollte, könnte er das“, erklärte auch der Historiker Philipps O’Brien bei X. Dass der US-Präsident den Schritt nun „an Bedingungen knüpft, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass er Putin vor Sanktionen schützt und Russland im Krieg hilft“, so das Urteil des Professors der University of St. Andrews.

Auch Kremlkritiker sehen das ähnlich: „Es ist klar, dass die Nato-Staaten in Europa noch viel zu tun haben, um den Kauf russischer Energie zu unterbinden“, erklärte etwa der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow, der mittlerweile ein lautstarker Gegner Putins – und Kritiker des US-Präsidenten ist.

Zuversicht in Moskau: „Gar nichts wird dabei herauskommen“

„Es gibt keinen Grund, die Maßnahmen der USA zu verzögern, die vom Senat und der amerikanischen Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit unterstützt werden“, stellte Kasparow fest. Trump suche „nur nach Ausreden, um wieder einmal nichts zu tun.“

In Kasparows Heimat scheint man das genauso zu sehen. Im russischen Staats-TV waren sich die Moderatoren und TV-Gäste jedenfalls bereits vor Trumps Brief an die Nato sicher, dass der US-Präsident wegen der russischen Drohnen im polnischen Luftraum keine Maßnahmen ergreifen werde.

„Schaut, wie er mit diesen Europäern redet – er verachtet sie“

Auch wenn „ganz Europa herumkreische“, werde Moskau keine Konsequenzen zu spüren bekommen, prophezeite etwa der russische Abgeordnete Alexei Zhuravlev. „Gar nichts wird dabei herauskommen, absolut gar nichts.“ Europa sei „schwach“, befand Zhuravlev, das sehe auch Trump so, erklärte der Duma-Abgeordnete. Putin werde vom US-Präsidenten „mit Respekt“ behandelt, „aber schaut, wie er mit diesen Europäern redet – er verachtet sie“, führte Zhuralev aus.

Wladimir Solowjow, einer der populärsten russischen TV-Moderatoren, machte ebenfalls klar, dass Moskau Trump nicht als Bedrohung betrachtet, sondern brachte im Gegenteil eine Verbrüderung ins Spiel. Russland befinde sich nicht bloß im Kampf gegen die Ukraine oder die Nato, sondern in einem „religiösen Krieg“, ließ der Moderator wissen. Deshalb müsse Amerika nun „auf die Seite der Guten wechseln und gemeinsam mit uns das universelle Böse zerstören“, befand Solowjow.

Säbelrasseln: Iskander-Raketen nahe Polens Grenze

Trumps „Brief an die Nato-Staaten und die Welt“ konnte die russische Zuversicht dann offensichtlich auch nicht mehr schmälern. In Moskau scheint man – wie Trumps Kritiker im Westen – in der angeblichen Bereitschaft des US-Präsidenten zu schärferen Sanktionen gegen den Kreml ebenfalls einen Trick zu Vermeidung ebendieser zu sehen.

Ein Screenshot zeigt Aufnahmen von einem Iskander-Raketensystem, das am Samstag (13. September) im Rahmen des Zapad-Manövers in Kaliningrad aufgestellt wurde.

Ein Screenshot zeigt Aufnahmen von einem Iskander-Raketensystem, das am Samstag (13. September) im Rahmen des Zapad-Manövers in Kaliningrad aufgestellt wurde.

Kurz nachdem der US-Präsident seine Worte bei Truth Social veröffentlicht hatte, ließ Moskau jedenfalls erneut militärisch die Muskeln spielen – und lancierte Aufnahmen von nahe der Grenze zu Polen aufgestellten Iskander-Raketen und Angriffsübungen im Rahmen des „Zapad-2025“-Manövers nahe der Nato-Ostflanke.

Und Trump? Der US-Präsident blieb auch zu Wochenbeginn bei seiner Linie. „Europa kauft Öl von Russland“, sagte der Republikaner gegenüber Reportern. „Ich möchte nicht, dass sie Öl kaufen – und die Sanktionen, die sie verhängen, sind nicht streng genug“, hieß es weiter. Dass ausgerechnet der bei ihm so beliebte Viktor Orbán diesem Plan im Weg steht, erwähnte Trump nicht.