Umgang mit MissbrauchsvorwürfenDeutschlands oberste Protestantin Kurschus geht – das hat Größe

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Nach ihrer Rücktrittserklärung im Landeskirchenamt in Bielefeld verlässt die westfälische Präses und EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus über einen Notausgang den Saal.

Nach ihrer Rücktrittserklärung im Landeskirchenamt in Bielefeld verlässt die westfälische Präses und EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus über einen Notausgang den Saal.

Annette Kurschus hat mit ihrer Rücktrittserklärung einen Maßstab gesetzt, der für katholische Kleriker offenbar nicht gilt.

Aus unbeteiligter Distanz mag der Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden und westfälischen Präses Annette Kurschus rechthaberisch, gar selbstgerecht wirken. In ihrem Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gegen einen mit ihr befreundeten Kirchenmitarbeiter habe sie sich nichts vorzuwerfen. Darauf beharrte Kurschus wie schon seit Tagen und sprach von einer „absurden“ Verschiebung der Debatte. Sie sei mit sich selbst im Reinen – und mit Gott. Eine höhere Autorität kann nun wirklich niemand beanspruchen.

Lässt man einmal beiseite, dass die Kommunikation zu dem Fall aus den 1990er Jahren selbst Wohlmeinendste den Kopf schütteln ließ, hat Kurschus mit ihrer Rücktrittserklärung doch einen Maßstab gesetzt: Spitzenfunktionen leben von öffentlichem Vertrauen. Wer es verloren hat, kann nicht mehr glaubwürdig agieren. Hier kommt dann die Tragfähigkeit der subjektiven Überzeugung an ihr Ende, stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben.

Lichtreflex im Scherbenhaufen der evangelischen Kirche

Aus dem Scherbenhaufen, vor dem die evangelische Kirche im Missbrauchsskandal steht und der nur sehr am Rande mit der jüngsten Entwicklung um Kurschus zu tun hat, blitzt da zumindest der Reflex eines Lichtstrahls: Dass die Protestanten mit ihrem Amtsverständnis ein besseres Gespür für Verantwortung vor denen haben, die sie repräsentieren. Erinnert sei an Kurschus' Vorvorgängerin Margot Käßmann, die wegen des vergleichsweise harmlosen Vergehens einer Autofahrt unter Alkohol die Integrität ihrer Amtsführung irreparabel beschädigt sah.

Katholische Kleriker hingegen können sich – wie weiland die Fürsten – hinter der Ideologie des Gottesgnadentums verschanzen. Ihre Bezugsgröße sind nicht Menschen, sondern die Repräsentation Christi. Mit sich und Gott im Reinen, bleiben sie im Amt, auch ohne Rückhalt.

Kurschus geht. Das hat am Ende eine Größe, auf die manch hochgestellter Kirchenmann in Köln und anderswo wohl nimmermehr kommt.

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