Bildbetrachtung zu Macron im HoodieDemokratie trägt Bommel statt Krawatte

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Macron AP 150321

Der französische Staatspräsident Emanuel Macron.

Ein wenig verschlafen hebt Emanuel Macron die linke Augenbraue. Der französische Staatspräsident erscheint zu einer Telefonkonferenz im Élysée-Palast in schwarzem Kapuzenpullover und dunkelblauer Jeans, die Haare fallen ihm ungestylt ins Gesicht. Geschlafen hat Macron scheinbar nicht viel, den Rasierer hat er offenbar auch im Schrank gelassen. Demokratie zwingt die Politiker der Welt derzeit zu schnellen Entscheidungen, Zeit ist kostbar. Zu kostbar für einen Krawattenknoten.

Minuten, nachdem die französische Fotografin Soazig de la Moissonnière die Bilder des 44-Jährigen im schwarzen Hoodie auf Instagram hochlud, hatten die sozialen Medien sein Vorbild schon gefunden: Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Präsident, einen Monat jünger als Macron. Selenskyj grüßt sein vom Krieg gebeuteltes Volk seit Tagen in Militärjacke oder im T-Shirt der ukrainischen Armee, gibt sich kampfeslustig und optimistisch.

Macrons Hoodie ist ebenfalls keine Markenware, er trägt das Abzeichen der zehnten französische Fallschirmjäger-Einheit. In Zeiten, in denen Europa nichts mehr fürchtet als einen Dritten Weltkrieg zeigt Macron: Ich bin gewappnet für die Krise. Und ich brauche dafür keinen Maßanzug, um mich mit meinem Gegenüber zu messen.

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Die groteske Distanz zu Wladimir Putin

Sein Gegenüber ist in diesen Zeiten Wladimir Putin. Und es ist fast grotesk, wie groß die Unterschiede zwischen beiden Politikern sind. Putin, mit dem Macron lange Zeit als einziger europäischer Staatschef telefonieren durfte, sitzt im Kreml vor ebenso kunstvollen und historischen Wänden wie im Élysée-Palast, der russische Präsident trägt in den vergangenen Wochen aber stets Anzug, ebenso seine Gefolgschaft. Putin sagt: Ich bin euer Herrscher. Macron und Selenskyj kontern: Wir gehören zum Volk.

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Natürlich sind diese Bilder bewusst gewählt, sie zeigen, wie Kriege im 21. Jahrhundert über die Medien gestaltet werden. Wenn Macron einen Hoodie anzieht, dann ist das für ihn nicht nur bequemer, es soll ihn auch nahbarer machen. Auch deshalb trug etwa Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Reise in die USA im Flugzeug vor den Journalisten einen grauen Sweater. Das öffentliche Echo zeigte: Diese Inszenierung wirkt, weil sie ungewöhnlich ist.

Daher werden wir bei Staatsbesuchen künftig wohl (leider) keine Präsidenten in Adiletten und Jogginghose sehen. Und Macron kommt es sicherlich auch gelegen, dass ein wenig Nahbarkeit für die anstehenden Präsidentschaftswahlen ganz gut rüber kommt. Allerdings zeigt er im derzeitigen Konflikt auch: Der Westen ist geeint. Und die Demokratie trägt manchmal auch Bommel statt Krawatte, um das zu verdeutlichen.

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