Ermittlungen bei rechten Polizei-Chats„Auch die Kindergärtnerin geriet ins Visier"

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Polizeiwache Symbolbild

Beamte einer Polizeiwache in Mülheim haben in mehreren Fällen Ärger mit der Justiz.

Köln – Die SPD im Düsseldorfer Landtag kritisiert, dass bei den Ermittlungen im Zusammengang mit rechtsextremen Chatgruppe bei der Polizei in Mülheim/Ruhr auch völlig unbeteiligte Personen ins Visier der Fahnder geraten sind.

Nach bisherigen Erkenntnissen wurden die Mobiltelefone von 24 Beschuldigten ausgelesen und die Kontakte im Telefonbuch bundesweit zur Überprüfung an die Sicherheitsbehörden weiterleitet. „Damit rückte auch der Pizza-Bote, der alte Schulfreund oder die Kindergärtnerin in den Fokus der  Ermittlungen“, sagte Hartmut Ganzke, Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion.

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Insgesamt seien 12700 Kontakte überprüft worden. „Da hätten bei der Polizei doch die Alarmglocken schrillen müssen. In die Entscheidung war kein Richter und kein Staatanwalt eingebunden.“ Nach dem Bekanntwerden von rechtsextremen Chats bei der Polizei in Essen hatte die Polizei in Bochum die Ermittlungen übernommen. Die Fahnder-Gruppe mit dem Namen „BOA Janus“ sollte Verbindungen zwischen den Beschuldigten und rechtsextremen Netzwerken aufdecken.

Am Ende gab es 26 Treffer

Dabei wurden alle Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt, das Zollkriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundespolizei in die Ermittlungen mit eingebunden. Insgesamt wurden 46 Handys ausgelesen. Die Datenabfrage führte am Ende zu 26 Treffern. Unter anderem kamen Verbindungen zu den rechtsextremen „Steeler Jungs“ und zur rechten Szene in Essen und Dortmund ans Licht.

Gutachten bezweifelt Verhältnismäßigkeit

Ein juristisches Gutachten, das die SPD-Fraktion in Auftrag gegeben hat, äußert Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des konkreten Vorgehens. Zwar sei die Weitergabe der Handydaten durch das Polizeigesetz gedeckt, sagte Gutachter Christoph Buchert, Professor an der Polizeihochschule Köln. Das Regelwerk sei aber in dem maßgeblichen Paragrafen zu unscharf formuliert und ermögliche einen zu großen Handlungsspielraum. Darin wird die Überprüfung von „Kontakt- und Begleitpersonen“ erlaubt. Im vorliegenden Fall wurden alle im Telefonbuch gespeicherten Personen zu diesem Kreis gerechnet. Der Gutachter erklärte, die Polizei hätte irrelevante Kontakte aussortieren müssen. Gerade eine Vorfilterung sei in der Datenschutzpraxis  ein „wirksames Instrument, um die Interessen Dritter“ zu schützen. Der Rechtsstaat habe einen „sehr hohen Preis für seine Sicherheit bezahlt“, erklärte Buchert.

SPD will Polizeigesetz konkretisieren

Die Gewerkschaft der Polizei will das Vorgehen der Polizei jetzt von der Datenschutzbeauftragten des Landes prüfen lassen. Auch die SPD sieht Handlungsbedarf. Das Polizeigesetz, das sie vor drei Jahren mit beschlossen hatte, soll in den fraglichen Aspekten konkretisiert werden. Im vergangenen Jahr waren bei der Polizei in Mülheim/Ruhr mehrere WhatsApp-Gruppen aufgeflogen, in denen neben dienstlichen Belangen auch Hitler-Bilder oder hetzerische Inhalte geteilt wurden. Das NRW-Innministerium verteidigte das Ausmaß der Ermittlungen auf Anfrage. Die „BAO Janus“ habe das Ziel verfolgt, fremdenfeindliche Gruppierungen in der gesamten Bundesrepublik aufzudecken. Die Kontaktdaten stellten hierfür eine neue Quelle dar, die zu nutzen gewesen sei.

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