Ukrainische Soldaten im Gepard-Panzer„Wer hätte gedacht, dass wir die Russen mal mit deutschen Waffen bekämpfen“

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Ein Flugabwehrkanonenpanzer Gepard auf dem Truppenübungsplatz in Munster.

Ein Flugabwehrkanonenpanzer Gepard auf dem Truppenübungsplatz in Munster.

Der Ukraine steht ein weiterer Kriegswinter bevor. Bei der Luftverteidigung glänzt der deutsche Flakpanzer Gepard vor allem gegen eine Art von Zielen.

Die Umrisse von fünf Drohnen hat die ukrainische Mannschaft des deutschen Flakpanzers Gepard in Weiß auf den Turm mit der Doppelkanone gepinselt. So viele Shaheed-Kamikazedrohnen der russischen Streitkräfte hat die Besatzung in der Umgebung der ukrainischen Hauptstadt Kiew in den vergangenen Wochen vom Himmel geholt.

„Das ist eine exzellente Waffe“, sagt der Panzerkommandant, der Fox genannt werden will, über den von Deutschland gelieferten Flugabwehrkanonen-Panzer. „Viel besser als erwartet. Wir hätten nicht gedacht, dass der Gepard so effektiv ist.“ Die deutschen Flakpanzer hätten in der Ukraine bereits viele Menschenleben gerettet.

Neben Fox (28) bedienen den Gepard noch Richtkanonier Wolodymyr (27) und Fahrer Ewgen (41), der zugleich Mechaniker ist. Zwei Monate lang seien sie in Norddeutschland in der Nähe der Ostsee an dem Waffensystem ausgebildet worden, sagt der Kommandant. Es vergehe keine Nacht, in der die Besatzung nicht wegen russischer Drohnen alarmiert werde. Dann werde der Gepard aus seinem Versteck gefahren und das Radargerät am Heck des Turms aktiviert, das Flugobjekte in 15 Kilometern Entfernung erfassen kann. „Die Wahrscheinlichkeit zu treffen ist sehr hoch.“

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„Ein Unterschied wie zwischen einem Mercedes und einem Saporoshez“

Im Turm sind die Schalter und Knöpfe auf Deutsch mit Begriffen wie Feuerwahl, Folgeradar und Munition beschriftet, neben manche hat die Besatzung mit schwarzem Marker die ukrainische Übersetzung geschrieben. Vor dem Gepard hätten er und seine Männer eine sowjetische Flugabwehrkanone bedient, sagt Fox. „Es ist ein Unterschied wie zwischen einem Mercedes und einem Saporoshez“ – einem sowjetischen Auto, das an einen Trabi erinnert. Ein Presseoffizier, der die Reporter aus Deutschland begleitet, sagt beim Anblick des Gepard-Panzers: „Wer hätte gedacht, dass wir die Russen mal mit deutschen Waffen bekämpfen.“

Deutschland hat der Ukraine mehrere Waffensysteme zur Verteidigung gegen den russischen Terror aus der Luft geliefert. Darunter sind 46 Flakpanzer vom Typ Gepard, der besonders effektiv gegen russische Drohnen ist, mit mehr als 85.000 Schuss Munition. Außerdem zwei Flugabwehrsysteme vom Typ Iris-T, die hervorragende Leistung bei der Bekämpfung von Marschflugkörpern zeigen, bei denen es derzeit aber an Munition mangelt. Hinzu kommt ein Patriot-Luftabwehrsystem, das ballistische Raketen abfangen soll. Auch drei Luftraumüberwachungsradare, 500 Stinger-Fliegerabwehrraketen und 2700 Fliegerfäuste vom Typ Strela hat Deutschland zur Verfügung gestellt.

Die russischen Streitkräfte greifen immer wieder ukrainische Städte aus der Luft an. Im vergangenen Winter versuchten sie mit gezieltem Beschuss, das Energienetz der Ukraine lahmzulegen. Es kam zu massiven Ausfällen von Strom und Heizung im ganzen Land. Der russische Präsident Wladimir Putin riskiert den Kältetod der Menschen, um ihren Durchhaltewillen zu brechen.

Im Januar war Klitschko kurz davor, die Bevölkerung zu evakuieren

Nur durch massive Anstrengungen gelang es den ukrainischen Behörden im vergangenen Winter, die Versorgung mit Strom und Wärme zumindest notdürftig aufrechtzuerhalten. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) im Frühjahr: „Wir waren im Januar ziemlich nah dran, die Bevölkerung zur Evakuierung aufzurufen.“ Der schlimmste Blackout in der Hauptstadt habe 14 Stunden gedauert – ohne Strom, ohne Wasser, ohne Heizung.

Munition für den Flugabwehr-Panzer Gepard.

Munition für den Flugabwehr-Panzer Gepard.

Die ukrainische Regierung und ihre westlichen Partner befürchten, dass die russischen Streitkräfte die Angriffe auf die Infrastruktur im Herbst und Winter wieder intensivieren. „Im letzten Jahr gab es alleine 1500 Raketenangriffe auf die Energieversorgung“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kürzlich bei einem Ukraine-Besuch, nachdem sie ein Umspannwerk außerhalb von Kiew besichtigt hatte.

Im Sommer hätten die Angriffe abgenommen – allerdings nicht deshalb, „weil man eingesehen hat, dass das Kriegsverbrechen sind, sondern weil man offensichtlich die Angriffe erneut gezielt für den Herbst und Winter plant“, sagte Baerbock. „Russlands perfides Ziel ist es, die Menschen in der Ukraine im Winter auszuhungern und erfrieren zu lassen.“

Außenminister Kuleba: Gepard hat sich „außerordentlich gut bewährt“

Baerbock kam bei ihrem Besuch in Kiew mit ihrem Amtskollegen Dmytro Kuleba zusammen, der bei der Gelegenheit auch die Gepard-Panzer lobte. „Was die deutschen Gepard-Panzer betrifft, das ist eine deutsche Waffe, die sich außerordentlich gut bewährt hat im Schutz des ukrainischen Himmels“, sagte Kuleba. „Niemand hat erwartet, dass diese Waffe sich als derart effizient und mächtig erweist in der Verteidigung gegen Shaheed-Kamikazedrohnen.“

Der Sommer ist vorbei, die Luftverteidigung wird in den kommenden Wochen wieder an Bedeutung zunehmen. Der staatliche Energieversorger Ukrenergo meldete vor wenigen Tagen den ersten russischen Massenangriff auf die ukrainische Infrastruktur seit sechs Monaten. Gepard-Kommandant Fox sagt, es sei gut möglich, dass der Ukraine ein zermürbender Herbst und Winter bevorstehen könnte – „womöglich sogar noch schlimmer als im vergangenen Jahr“.

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