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Kommentar

Bundesweit und in Köln
Wie Deutschland die Verkehrswende verpasst

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Lesezeit 3 Minuten
Gerolstein: Eine Regiobahn steht beim Pressetermin der Deutschen Bahn (DB) zum Wiederaufbau der Eifelstrecke abfahrbereit im Bahnhof Gerolstein.

Hoffnungsschimmer einer für Infrastrukturträumer: Die Freigabe der Bahnstrecke zwischen Köln und Trier vier Jahre nach der Hochwasser-Katastrophe in der Eifel und im Ahrtal ist ein Erfolg.

Warum das Sondervermögen nichts daran ändert, dass die Probleme der Deutsche Bahn ungelöst bleiben.

Wenn Bahnchef Richard Lutz für positive Schlagzeilen sorgen möchte, muss er sich in die Provinz begeben. Nach Gerolstein zum Beispiel. Die Freigabe der Bahnstrecke zwischen Köln und Trier vier Jahre nach der Hochwasser-Katastrophe in der Eifel und im Ahrtal mag ein Anlass sein, schließlich ist der Wiederaufbau der Infrastruktur in so kurzer Zeit ein Hoffnungsschimmer, dass es doch etwas werden könnte mit der Verkehrswende in Deutschland.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Der Klimawandel schreitet voran, doch die von der Politik nach Jahrzehnten der Vernachlässigung auserkorene Bahn steckt im Investitionsstau. Im Nahverkehr, im Fernverkehr, bei der Beschaffung von Zügen, der Rekrutierung von Fahrpersonal und einem Dschungel aus Planungs-, Genehmigungs- und Bauvorschriften, die jeden Fortschritt zunichtemachen.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Richard Lutz, spricht bei einem Pressetermin der Deutschen Bahn (DB) zum Wiederaufbau der Eifelstrecke.

Bahnchef Richard Lutz war bei der Eröffnung der Eifelstrecke zugegen.

Daran wird selbst die 500 Milliarden Euro schwere Rettungsgasse nichts ändern, die von der neuen Bundesregierung geschlagen wurde und von denen der Bahnchef gleich 150 für sich reklamiert. Weil es nicht allein am Geld liegt, sondern an den komplexen Strukturen.

Der Rhein-Ruhr-Express ab 2030 im Viertelstunden-Takt zwischen Köln und Dortmund? Nein!

Der Rhein-Ruhr-Express wird 2030 mitnichten im Viertelstunden-Takt zwischen Köln, Düsseldorf und Dortmund fahren, weil über den Ausbau jahrelang vor den Verwaltungsgerichten gestritten wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass die neue Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn mit ihrem Generalsanierungsprogramm von rund 40 Hochleistungskorridoren bis 2030 alle alten Pläne durcheinanderwirbelt.

Und damit auch den Deutschlandtakt. Alle 30 Minuten sollten Züge die größten deutschen Städte miteinander verbinden, der Nah- und Regionalverkehr sich an diesen Rhythmus anpassen, für bessere Verbindungen in die Mittelstädte und ländliche Regionen sorgen und die Zahl der Reisenden im Fernverkehr von 151 Millionen bis 2030 verdoppeln. Stattdessen fährt die Bahn der Trendwende hinterher, verfehlte 2024 alle wirtschaftlichen Ziele. Nicht einmal zwei von drei ICE und IC waren pünktlich.

Peter Berger

Peter Berger

Chefreporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Jahrgang 1959, Schwerpunkte NRW, Verkehrsinfrastruktur, öffentlicher Nahverkehr und Verkehrswende, Kohleausstieg und Energiewende. Seit 2001 beim KStA, zuvor ...

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Das Sondervermögen wird auch nichts daran ändern, dass die Strategie der Bahn, ihre Flotte radikal zu verjüngen und so für mehr Pünktlichkeit zu sorgen, nicht aufgehen könnte. Zwar liefert Siemens die neuen ICE recht zuverlässig, doch auf 79 Züge des spanischen Herstellers Talgo wartet sie bisher vergeblich. Ein Teil der alten Flotte hat sie aber schon ausgemustert. Das könnte sich rächen.

Ein Problem, das im Nahverkehr auch die Kölner Verkehrs-Betriebe mit 62 Stadtbahnen des Herstellers Alstom haben und deshalb vor 2030 nicht zu ihrem regulären Fahrplan zurückkehren können. Von dem dringend nötigen Ausbau des Angebots ganz zu schweigen. In der Scheidtweiler Straße ist man schon froh, durch das Aufarbeiten alter Bahnen in den eigenen Werkstätten nicht noch mehr Fahrten streichen zu müssen.

Familien müssen das doppelte für Reservierungen in der Bahn zahlen

Für die Kunden ist noch lange keine Besserung in Sicht. Die Zahl der Baustellen im Großraum Köln wird zunehmen, der Schienenersatzverkehr die Pendler über Jahre quälen,

Sollten sie dennoch auf die Idee kommen, mit ihren Kindern in den Sommerferien per Bahn in Urlaub zu fahren, müssen sie doppelt so viel für die Sitzplätze zahlen, weil Richard Lutz die Familienreservierung gestrichen hat, um den Konzern aus den roten Zahlen zu holen. Oder halt im Gang stehen. Es sei denn, der Zug, mit dem sie fahren wollten, hat das Auslieferungswerk in Spanien noch gar nicht verlassen.

Da könnte man doch glatt auf die Idee kommen, statt mit dem Zug zur Nordsee zu fahren besser gleich nach Mallorca zu fliegen. Zumal auch das Deutschlandticket bei der Borkumer Kleinbahn, die vor allem bei Kindern sehr beliebt ist, keine Gültigkeit hat. So verpasst Deutschland die Verkehrswende. Wenn die Jüngsten schon nicht mehr wissen, dass Bahnfahren durchaus ein Vergnügen sein kann.