Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter eckte oft bei der Parteispitze an. Nun soll er offenbar aus einem wichtigen Gremium gedrängt werden.
Welle der SolidaritätKiesewetter fliegt aus Kontrollgremium – Bei Merz in Ungnade gefallen?

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter (CDU) soll nicht mehr Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums sein (Archivbild).
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Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter soll nicht mehr dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages angehören. Das berichtet die „taz“ und verweist auf Informationen aus der Unionsfraktion. Roderich war bisher stellvertretender Vorsitzender. Mit der neuen Legislaturperiode setzt sich auch das Gremium neu zusammen. Die Entscheidung gegen Kiesewetter soll demnach von Friedrich Merz persönlich ausgegangen sein.
Wie die Zeitung weiter zur angeblichen Initiative des Bundeskanzlers berichtet, habe es einen solchen „Eingriff der Exekutive in parlamentarische Angelegenheiten“ seit vielen Jahren nicht gegeben. Kiesewetter sagte der „taz“: „Das ist der Preis, wenn man eine Haltung hat.“
Roderich Kiesewetter widersprach Friedrich Merz häufig
Hintergrund dürfte sein, dass Kiesewetter in der Vergangenheit oft für die Parteiführung unbequeme Standpunkte vertrat und diese auch öffentlich machte. In der Ukraine-Politik setzt er sich vehement für eine stärkere Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes ein und fordert die Lieferung des Waffensystems Taurus. Dies hatte Merz zwar auch bis zu seiner Wahl propagiert, will sich seit seinem Amtsantritt aber nicht mehr konkret dazu äußern und bleibt in seinen Aussagen eher allgemein.
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Kiesewetter sprach sich zudem frühzeitig gegen die strikte Einhaltung der Schuldenbremse aus und plädierte dafür, mehr in die Verteidigung zu investieren. Dies war von Merz aber noch Anfang 2024 abgetan worden. Nach dem Wahlsieg 2025 war die Aufnahme eines gigantischen Schuldenpakets dann allerdings eine von Merz' ersten Initiativen.
In der Diskussion um den künftigen Umgang mit der AfD im Bundestag war Kiesewetter im Gegensatz zu führenden Parteikollegen wie Jens Spahn gegen eine Normalisierung – noch bevor die Einstufung der Gesamtpartei als rechtsextrem erfolgte. Damit eckte er bei Jens Spahn an, der genau dies befürwortet hatte. Kiesewetter spricht sich auch für die Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD aus.
Kieswetter stimmte nicht für Migrationsantrag von Merz
Vor allem aber verließ Kiesewetter die Parteilinie, als er im Januar nicht für Merz' Antrag zur Verschärfung der Asylpolitik stimmte. Der Fünf-Punkte-Plan für eine härtere Migrationspolitik wurde knapp mit Stimmen von CDU/CSU, AfD, FDP und fraktionslosen Abgeordneten beschlossen. Erstmals hatte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit beschafft, was heftige Kritik an der Union auslöste. Kiesewetter enthielt sich damals der Stimme.
Seitdem die Entscheidung bekannt wurde, Kiesewetter nicht erneut für das Kontrollgremium zu nominieren, muss sich die CDU-Parteispitze harte Kritik gefallen lassen. Kiesewetter solle „kaltgestellt“ werden, heißt es. Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann äußerte sich im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter.
Dass Kiesewetter mit seinem klaren Anti-Putin-Kurs aus dem wichtigen Gremium gedrängt werden solle, sei ein „fatales Signal für die Sicherheitsarchitektur“ Deutschlands, befand Strack-Zimmermann.
Kritik an „Moskau-Connection“
Dagegen dürfe der SPD-Politiker Ralf Stegner, der für einen deutlich gemäßigteren Kurs Russland gegenüber steht und dem Verbindungen nach Moskau nachgesagt werden, im Kontrollgremium bleiben, lautet vielfach geäußerte Kritik.
Auch die Grünen-Politikerin und ehemalige Vize-Präsidentin des Bundestages Katrin Göring-Eckardt kritisierte den Verbleib Stegners und den Abgang Kiesewetters im Kontrollgremium scharf und sprach von der „Moskau-Connection“, die sich offenbar durchgesetzt habe.
Eine ähnliche Zielrichtung hat die Kritik an einer weiteren Personalie, die in der Diskussion um Kiesewetter eine Rolle spielt: Jens Plötner, zuletzt außenpolitischer Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wird im Verteidigungsministerium Staatssekretär für Rüstung und Innovation. Plötner, den auch Strack-Zimmermann erwähnt, wird eine zögerliche Haltung und „Naivität“ beim Thema Russland und Putin vorgeworfen. Plötner sei das „Mastermind der Russland-Politik von Olaf Scholz, schreibt der FDP-Politiker Nils Gründer auf X.
Der Hashtag #StandwithRoderichKiesewetter verbreitete sich am Mittwoch bei X, auch unter Anhängern der Union. Kiesewetter wird aus anderen politischen Lagern ebenfalls unterstützt. So schreibt ein Grünen-Anhänger, der CDU-Mann gehöre „zu der Art von Politikern, die ich gerne unterstütze. Er hat über Jahre deutlich Positionen bezogen, die sich als richtig erwiesen“. Vor allem Unterstützer der Ukraine teilten den Hashtag.
Parlamentarisches Kontrollgremium wird neu besetzt
Kiesewetter war seit 4, 5 Jahren Mitglied des Kontrollgremiums. Im November 2020 war er vom Bundestag mit großer Mehrheit als Nachfolger des CDU-Abgeordneten Armin Schuster gewählt worden. Die Aufgabe des Gremiums ist es, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wie auch die beiden anderen Nachrichtendienste des Bundes, den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) zu kontrollieren.
Seine 13 Mitglieder werden zu Beginn jeder Wahlperiode vom Bundestag gewählt. Bisheriger Vorsitzender ist der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Neuer Vorsitzender soll nach Informationen des „Stern“ der CDU-Politiker Marc Henrichmann werden. Gewählt werden sollen die neuen PKGr-Mitglieder kommende Woche im Bundestagsplenum. Noch nicht alle Fraktionen haben laut „taz“ ihre Kandidaten nominiert. 2022 hatten zwei Abgeordnete der AfD und der Linksfraktion die erforderliche Mehrheit verpasst.