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Kanzler in BrasilienWie Merz für das Weltklima „die Fahne hochhalten“ will

4 min
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kommt mit dem Airbus A350 der Luftwaffe auf dem Flughafen von Belém für die Weltklimakonferenz COP30 an.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kommt mit dem Airbus A350 der Luftwaffe auf dem Flughafen von Belém für die Weltklimakonferenz COP30 an.

Der Kanzler ist nicht als leidenschaftlicher Klimakämpfer bekannt, aber hier im Amazonasgebiet beim Sozialisten Lula da Silva hat er eine Botschaft.

Bei der Klimabilanz dieser Brasilien-Reise muss man sicher ein Auge zudrücken: Der Bundeskanzler sitzt so lange im Flugzeug, wie er in Belém auf dem Boden ist: jeweils rund 21 Stunden. Nach der Landung am frühen Freitagmorgen geht davon auch noch ein wenig Schlaf ab. Aber Friedrich Merz ist hier ins Land des tropischen Regenwaldes gekommen, um beim Treffen der Staats- und Regierungschefs vor der Weltklimakonferenz ein Zeichen zu setzen: Deutschland will die „Fahne hochhalten“ – für den Klimaschutz sowie den Zusammenhalt der Weltgemeinschaft. So heißt es in Regierungskreisen.

Die Stimme Deutschlands ist umso wichtiger, als die USA unter Donald Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 ausgetreten und Washington zu dieser 30. UN-Klimakonferenz vom 10. bis 21. November keine hochrangigen Teilnehmer angemeldet hat. Vor zehn Jahren hatte die Gemeinschaft der 190 Staaten feierlich beschlossen, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Nun sieht es so aus, dass dieses Ziel schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts gerissen wird und sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts auf 2,8 Grad erwärmt. Die Folgen wären: mehr Dürren, mehr Überschwemmungen, mehr Stürme, mehr Leid, mehr Flucht.

„Ambitionslücke“ beim Klimaschutz

Deutsche Diplomaten formulieren es so: „Es wird eine Ambitionslücke geben, das zeichnet sich leider so ab, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.“ Die Industriestaatenorganisation OECD beklagt, klimabedingte Katastrophen hätten bereits ein dramatisches Ausmaß angenommen. 2024 seien weltweit 16.000 Tote registriert und Schäden von über 285 Milliarden Euro verursacht worden. Die Welt sei weit von Klimaneutralität entfernt.

Die EU hat sich erst in letzter Minute auf das für die Konferenz fällige Klimaziel bis 2035 geeinigt, ihre „Ambitionen“ aber ebenfalls abgeschwächt. Etliche Staaten gehen entgegen ihrer Verpflichtung ganz ohne neue Klimaschutzpläne in die Konferenz. Das hat auch mit den Auswirkungen der gegenwärtigen Kriege und Krisen zu tun. Für Klimaschutz ist weniger Geld da. Außerdem bleibt die Öl- und Gaslobby mächtig – und Trump ihr Freund.

Klimapolitik unter Bedingungen

Merz ist bisher nicht als Frontkämpfer für den Klimaschutz aufgefallen. Eher im Gegenteil. Seine Haltung: Selbst, wenn Deutschland heute klimaneutral wäre, „würde sich morgen auf der Welt nichts ändern.“ Das mag gemessen an Deutschlands Größe mit 84 Millionen von rund acht Milliarden Menschen auf der Welt stimmen. Doch sonst betont die Regierung auch immer Deutschlands Rolle in der Welt: drittgrößte Volkswirtschaft, großer Geldgeber in internationalen Bündnissen, einflussreicher Partner. Ein klimaneutrales Deutschland wäre zumindest ein Vorbild für EU-Staaten.

Aber Merz bekennt sich zu den international vereinbarten Klimazielen. Und er steht auch zu der vor seiner Zeit von Deutschland zugesagten jährlich mindestens sechs Milliarden Euro aus öffentlichen Haushaltsmitteln für die internationale Klimafinanzierung. „Die Botschaft ist“, sagt ein Regierungsvertreter, „dass die Klimapolitik ein zentrales Anliegen der Bundesregierung ist“. Allerdings: „Unter Bedingungen der Wettbewerbsfähigkeit und der Technologieoffenheit.“

Kontaktpflege mit dem Sozialisten Lula da Silva

Viele Staaten wollen verhindern, dass ihre Wirtschaft durch Einhaltung der Klimaziele Einbußen erleidet. Zu den Schwerpunkten in Belém zählt die Unterstützung für arme Länder im Kampf gegen die Erderwärmung und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels.

Merz hat noch ein Anliegen: die Kontaktpflege mit Brasiliens sozialistischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Brasilien gehört den BRICS-Staaten an – eine Runde mit China und Russland (das Krieg gegen die Ukraine führt). Der Austausch mit dem globalen Süden soll nicht Peking und Moskau vorbehalten sein. Nach einer Rede in der Runde der Staats- und Regierungschefs wird Merz mit ihm persönlich sprechen. Aber auch Lula da Silva hat ein Anliegen.

Der Regenwald-Fonds

Wo, wenn nicht im Amazonasgebiet, kann man der Welt sozusagen die Welt erklären. Der Amazonas-Regenwald gilt als Lunge für die ganze Erde. Seine Bäume nehmen riesige Mengen klimaschädlicher Gase auf, die sonst die Erde aufheizen würden. Ihn gilt es besonders zu schützen – und nicht weiter abzuholzen. Brasilien kämpft für einen milliardenschweren weltweiten Fonds zum Schutz tropischer Regenwälder mit dem englischen Titel „Tropical Forest Forever Facility“ (TFFF). Die Rede ist dem Vernehmen nach von 125 Milliarden Dollar als Kombination aus öffentlichen und privaten Geldern.

Länder, die ihre Tropenwälder erhalten, anstatt Geld mit Abholzung zu verdienen, sollen aus dem Fonds entsprechend entschädigt werden. Brasilien hat bereits eine Milliarde US-Dollar zugesagt. Merz wolle in Belém keine konkrete Zusage machen, sagen deutsche Diplomaten. Das Konstrukt müsse erst auf seine finanziellen Risiken geprüft.

Aber: Der Kanzler sei von der Grundidee des Fonds durchaus angetan, weil die Regenwälder natürlich auch Deutschland zugutekommen und Investitionen in den Fonds in die Bilanz des Klimaschutzes eingingen. Dass Deutschland weniger als Brasilien einzahlen würde, gilt unter Experten als schwer vorstellbar.

Merz ist übrigens erstmals in Brasilien. Etwas sehen von dem nahe gelegenen Regenwald, um den es geht, wird er an diesem einen Tag nicht.