Kölner Amerikaner zur US-Wahl„Wir können Trump auch dankbar sein“

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US-Präsident Donald Trump am Weißen Haus.

US-Präsident Donald Trump am Weißen Haus.

  • Aus der Ferne verfolgen Amerikaner in Köln, was in ihrem Heimatland passiert.
  • Wir haben eine Buchautorin, einen Comedian und einen Uni-Professor nach ihren Befürchtungen und Hoffnungen gefragt.
  • Darf man über Trump noch lachen, wird er das Land weiter spalten und warum gehen viele Menschen nicht mehr ans Telefon?

Köln – John Doyle (57) ist Comedian („Quatsch Comedy Club“). Er wurde in New Jersey geboren und lebt seit 1992 in Köln. Ich freue mich, dass der Wahltermin nun endlich bevorsteht. Das ist wie bei einem Auftritt: Kurz vorher ist man nicht mehr nervös. Der Wahlkampf war für die Amerikaner sehr belastend. Meine Mutter wohnt in Florida, sie geht nicht mehr ans Telefon, weil jeder zweiter Anruf von einem Parteienwerber kam. Dazu E-Mails und manchmal sogar noch Leute an der Haustür.

Ich versuche vorzuschlafen und die Live-Berichterstattung zu verfolgen, um nicht am Morgen vom Wahlergebnis überrascht zu werden.

John Doyle

John Doyle

Ich habe schon im September per Briefwahl gewählt, das war ganz schön aufwendig. Ich musste die Unterlagen beantragen, die kamen erst nach Wochen. Dann musste ich sie per Post zurückschicken in meinen Wahlbezirk New Jersey. Da gewinnt Biden sowieso auch ohne meine Stimme, aber in dieser Situation sollte wirklich jeder wählen. Dass da immer noch so viele Leute unentschlossen sind, finde ich unmöglich.

Glühwein gegen Dummheit

Ob man über Trump überhaupt noch Witze machen kann? Den letzten habe ich vergangene Woche gemacht. Ich stehe am Glühweinstand und trinke sehr viel. Da fragt mich der Verkäufer, warum ich so viel trinke. Und ich sage: Ich versuche mir meinen Präsidenten intelligent zu trinken. Und der Verkäufer antwortet: Das tut mir leid, so viel Glühwein haben wir nicht. Man braucht das Lachen, um Abstand zu gewinnen. Aber ich merke auch, dass das Publikum Trump-müde ist. Trump ist ein Kabarettist von rechts, aber er meint es ernst.

In den amerikanischen Late Night Shows werden ununterbrochen Witze über ihn gemacht, aber die werden sowieso von Biden-Anhängern geschaut. Während die Trump-Wähler eher Fox-News vertrauen, schauen die Demokraten CNN. So leben beide Gruppen in ihrer jeweiligen Blase. Und durch die sozialen Medien wird das noch aufgeschaukelt. Öffentlich rechtliche Sender wie hier in Deutschland, die auf Nachrichten und Information setzen, gibt es in den USA nicht.

Die Gefahr ist, dass man nicht mehr vernünftig miteinander reden kann. Die Risse gehen selbst durch Familien. Ich habe eine sehr religiöse Cousine in der USA, die Trump wählt mit der Begründung, er sei „wenigstens kein Vergewaltiger“. Gegen Biden gebe es ja entsprechende Vorwürfe.

Trump hat Ansehen geschadet

Trump hat dem Ansehen der USA geschadet, seine Art des Umgangs mit Gegnern ist eines Präsidenten unwürdig. Man stelle sich vor, Angela Merkel würde Politiker mit Spottnamen belegen – so wie Trump seinen Konkurrent Biden als „Sleepy Joe“ bezeichnet.

Die Frage ist aber: Haben genug Leute seine Art satt? Viele Menschen fühlen sich abgehängt und haben ja tatsächlich ihre Arbeitsplätze verloren, weil in China billiger produziert werden kann. Denen spricht sein Anti-China-Kurs aus dem Herzen.

Amerika wird Trump überleben, auch wenn er wiedergewählt wird. Aber die Probleme hören nicht auf, wenn Trump weg ist.

Tracie Frank Mayer kommt aus Seattle und zog 1984 mit ihrem deutschen Mann nach Köln. Die Nichte von Musikproduzent Quincy Jones ist Buchautorin und Mitglied im American International Women’s Club of Cologne.

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Tracie Frank Mayer

Ich habe Verwandte in Seattle – sie und jeder in Amerika hoffen auf eine bessere Zukunft. Eine Zukunft, in der der Präsident eine Stimme der Vernunft sein wird. Auf einen Präsidenten, auf den man stolz sein kann und auf den man sich verlassen kann. Ja, es herrscht auch einen gewisse Angst davor, was vier weitere Jahre dieser Präsidentschaft der Demokratie und der Welt antun würden. Deshalb bin ich mir sicher, dass es eine Rekordwahlbeteiligung geben wird.

Die Covid-19-Pandemie hat uns allen gezeigt, dass eine Führungspersönlichkeit Krisenmanagement und Kommunikation beherrschen muss. Er oder sie muss fair, objektiv und empathisch sein. Ich glaube nicht, dass Präsident Trump diese Standards erfüllt hat, und ich glaube auch nicht, dass ihm das Wohlergehen Amerikas am Herzen liegt.

Trump-Krise ist auch Chance

Ich wage zu behaupten, dass Amerikas Ruf als sicherer, vertrauenswürdiger, kompetenter internationaler Führer und Partner geschwächt wurde. Ich hoffe, dass sich dieser „fall from grace“ nicht als unumkehrbar erweisen wird.

Aber die Trump-Krise ist auch eine Chance, weil endlich Themen wie Rassismus und die Spaltung der Gesellschaft diskutiert werden. Durch Trumps Haltung und seine Rhetorik im Bezug auf Farbige ist der Topf übergekocht. Mit seinen Worten und Taten hat er der amerikanischen Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten, und er hat ein groteskes Bild zurückgeworfen, das viele Menschen bisher nicht wahrhaben wollten: Rassismus grassiert immer noch im ganzen Land – und bisher wurde das reflexartig geleugnet.

Mit der Ermordung von George Floyd und Breonna Taylor gab es ein neues Erwachen. Die Amerikaner können vor den Sünden der Nation nicht mehr die Augen verschließen.

Dónal O’Sullivan wurde 1965 in Köln geboren. Seit 2007 lehrt er deutsche und russische Geschichte an der California State University in Northridge. Da die Veranstaltungen online laufen, ist er seit Juli in Köln – und unterrichtet von drei bis sechs Uhr morgens.

Meine Studenten sind eher unpolitisch, sie lesen auch selten Zeitung. Zu politischen Diskussionen muss man sie anregen. Auch gebildete junge Leute gehen überwiegend nicht wählen, sie erhoffen sich von keinem Präsidenten eine positive Veränderung ihres Lebens.

Doch Trump polarisiert. Wenn es den Demokraten in dieser Situation nicht gelingt, die Wähler zu mobilisieren, wann dann? Biden, obwohl nicht sehr charismatisch, ist die Alternative. Und es gibt mehr eingeschriebene Demokraten als Republikaner. Die müssen nur wählen gehen. Mehr als 70 Millionen Amerikaner haben schon abgestimmt, das deutet auf eine Rekordbeteiligung hin.

Die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung ist viel liberaler einstellt als Trumps Republikaner – das wird häufig verzerrt dargestellt.

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Man kann Trump aber auch dankbar sein: Er ist ein Symptom der Schwäche der Gesellschaft. Meine Studenten fragen mich manchmal: Ist das jetzt hier so wie in der Weimarer Republik, wo alles auseinanderbricht? In der Tat setzt Trump das Verfassungssystem einem harten Stresstest aus.

Doch es gibt auch positive Entwicklungen. Weiße Menschen aus dem Mittelstand demonstrieren gegen Rassismus, das hat es früher nicht in dem Ausmaß gegeben. Dieser Wandel wird sich fortsetzen. Amerika ist mehr als Donald Trump. Er wollte mit der Präsidentschaft ohnehin nur seine eigene Marke aus der Schuldenkrise retten.

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