„Keine Führungsstärke“Von der Leyen bleibt bei letzter Rede vor EU-Kommission vage

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Ursula von der Leyen (CDU, Fraktion EVP), Präsidentin der Europäischen Kommission, steht im Gebäude des Europäischen Parlaments und spricht.

Der übergroßen Konkurrenz aus China auf dem Automarkt setzt Ursula von der Leyen(CDU, Fraktion EVP) erst mal nur eine Untersuchung entgegen.

Die letzte Rede der EU-Kommissionspräsidentin vor der nächsten Europawahl lässt Aufbruchstimmung vermissen. Ein Kommentar.

Für ihre letzte Rede zur Lage der Europäischen Union in ihrer Amtszeit hat sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Überraschungen zurechtgelegt. Die EU leitet eine Untersuchung wegen riesiger staatlicher Subventionen für Elektroautos aus China ein, weil die Weltmärkte durch die billigen Fahrzeuge verzerrt würden – Peking drohen Strafzölle. Ferner will die EU-Kommission mit einem Windkraftpaket Genehmigungsverfahren beschleunigen. Und die Brüsseler Behörde wird eine internationale Konferenz gegen Menschenhandel einberufen. Die 64-Jährige will mit ihren Plänen Führungsstärke vermitteln. Aber zu ihren persönlichen Zukunftsplänen sagt sie nichts.

In neun Monaten ist Europawahl, der Wahlkampf wird bald beginnen. Schon jetzt wird darüber spekuliert, ob die Christdemokratin antreten und sich der Wahl stellen wird. 2019 war sie ohne EU-Wahlkampf ins Amt gekommen, weil sich die Staats- und Regierungschefs auf keinen der Spitzenkandidaten und die Spitzenkandidatin – CSU-Politiker Manfred Weber (CSU), Sozialdemokrat Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager – einigen konnten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schlug schließlich von der Leyen vor und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm es dankbar an.

Rede zur Lage der EU: Gnädige Warnung an China statt Aufbruchsstimmung

Dass von der Leyen nun mit einer Klarstellung zögert, dürfte zwei Gründe haben: Wenn sie es macht, will sie den Wahlkampf nicht zu früh beginnen. Wenn sie lieber Nato-Generalsekretärin werden möchte, käme ihr eine späte Entscheidung entgegen, um nicht schon früh als Lame Duck dazustehen.

Aber gerade an der Auseinandersetzung mit China wird gemessen werden, wie wahre Führungsstärke der Europäischen Union aussieht. Wenn von der Leyen schon jetzt klar ist, dass China unlauteren Unterbietungswettbewerb betreibt, ist eine Untersuchung eine gnädige Warnung. Mit Strafzöllen darf sich die EU dann nicht schwertun. Das wird aber alles dauern. Von der Leyen muss da nun für einen schnellen Prozess sorgen.

In ihrer Rede hat von der Leyen über ihre Leistungsbilanz referiert. Vor allem über den Green Deal, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Es liegt nahe und es ist richtig, dass die Kommissionspräsidentin darauf verweist, dass 2023 der heißeste Sommer seit Wetteraufzeichnung war und sie das Chaos und Elend durch Überschwemmung und Brände benennt.

Aber gleich, welchen beruflichen Weg sie gehen wird – bis zur Wahl muss sie noch sehr viel mehr Überzeugungsarbeit in den Mitgliedsstaaten leisten, wo vielfach große Unsicherheit wegen der beabsichtigten einschneidenden Green-Deal-Maßnahmen für Unternehmen und Landwirte, für Industrie und Energiewirtschaft, für Bauen und Bestandsgebäude herrscht.

Angesichts der vielen Krisen auf der Welt vom Klimawandel bis zu Russlands Krieg gegen die Ukraine braucht es eine Aufbruchstimmung. Die hat von der Leyen mit ihrer Rede nicht erzeugen können, weil sie die Skeptikerinnen und Skeptiker mit bloßen Appellen nicht erreichen kann.

Vor EU-Wahl: Große Herausforderungen mit Migrationspakt und Bürokratieabbau

Der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Bürokratieabbau in Deutschland etwa wird nicht klappen, wenn die EU nicht auch die Axt an völlig überzogene Vorschriften und erforderlichen Papierkram legt. Daran ersticken Bäuerinnen und Bauern, Unternehmerinnen und Unternehmer, Behörden.

Die größte Herausforderung bis zur EU-Wahl wird aber sein, den Migrationspakt unter Dach und Fach zu bringen. Die Frage, ob die EU die illegale und irreguläre Migration in den Griff bekommt, wird den Ausgang der Wahl maßgeblich beeinflussen. Rechtsextreme Kräfte wären bei einem Scheitern die Profiteure.

Bleibt das Versprechen an die Jugend. Die EU soll ihr ein Leben in Freiheit und Frieden, mit Solidarität und Souveränität garantieren. Erweitert um die Ukraine, Moldau und die Balkanstaaten, auch wenn das noch kompliziert wird. Das ist von der Leyens Verheißung. Hoffentlich wird sie erhört.

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