Kommentar zu Freien WählernBittere Botschaft – Der Trump-Effekt in der Affäre Aiwanger

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04.09.2023, Bayern, Abensberg: Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender der Freien Wähler, stellvertretender Ministerpräsident von Bayern und bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landentwicklung und Energie, spricht beim Politischen Frühschoppen Gillamoos auf der Bühne. Das Gillamoos ist eines der größten und ältesten Volksfeste Niederbayerns und bietet traditionell einen politischen Schlagabtausch der Parteien. Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Abensberg: Hubert Aiwanger am Montag (4. September) beim Politischen Frühschoppen Gillamoos

Die Freien Wähler in Bayern steigen im Zuge der Aiwanger-Affäre um vier Prozentpunkte. Den Kampf gegen Antisemitismus schwächt das.

Es war befremdlich zu sehen: Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nach Tagen des Abwägens seinem Vize Hubert Aiwanger das Vertrauen aussprach, hält dieser in einem Bierzelt eine Wahlkampfrede, als gehe es nicht gerade um seine politische Integrität und Existenz.

Reue zeigt er nicht, dass dieses antisemitische menschenverachtende Flugblatt einst in seiner Schultasche gefunden wurde und dass seine Distanzierung davon schleppend und wenig glaubwürdig lief. An diesem Sonntag hat er für die Debatte um seine Person nur den verächtlichen Hinweis, für so einen Käse habe er keine Zeit.

So empört große Teile der Öffentlichkeit und der Zentralrat der Juden auf Aiwanger und seinen Umgang mit dieser Affäre reagieren, so sehr stehen dessen Anhänger hinter ihm. Der Westentaschen Trump der Freien Wähler kann auf den gleichen Effekt zählen wie der frühere US-Präsident: Er bricht Tabus in der demokratischen Gesellschaft und nimmt dadurch keinen Schaden. Im Gegenteil: Seine Anhängerschaft jubelt um so lauter. Dass die Freien Wähler nach der Flugblatt-Affäre in der Wählergunst um vier Prozentpunkte steigen konnten, ist ein bitterer Beweis für diesen Mechanismus.

NS-Zeit: Hubert Aiwanger scheint gesellschaftlichen Konsens nicht zu teilen

In der Aufarbeitung des Flugblatts haben auch die Medien Fehler gemacht. Wenige Wochen vor einer Landtagswahl hat ein solches Thema wenig Chancen, die Aufarbeitung und Sensibilität zu bekommen, die eigentlich notwendig sind. Die Beweislage war zudem dünn. Der Umgang Aiwangers wiederum mit dem mehr als 30 Jahre alten Flugblatt legte nahe, dass er den gesellschaftlichen Konsens zum Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nicht zu teilen scheint.

Es bleibt zu hoffen, dass der Fall Aiwanger und sein in der Folge gewachsener politischer Erfolg nicht eines Tages als erster Beweis gesehen werden muss, wie in Deutschland die Abwehr des Antisemitismus eingebrochen ist.

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