Laschet und Reul ziehen BilanzDie Luft für Clankriminalität in NRW wird dünner

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Essen – Normalerweise überlässt Armin Laschet solche Termine allein seinen Ministern. Zur Vorstellung des dritten Lagebilds „Clankriminalität“ aber kam der NRW-Ministerpräsident überraschend gemeinsam mit Innenminister Herbert Reul nach Essen. Mit Wahlkampf habe das nichts zu tun, versicherte Laschet auf Nachfrage eines Journalisten, der sich über die kurzfristige Terminierung verwundert zeigte. Der Kampf gegen die kriminellen Familienclans sei immerhin einer der wichtigsten Punkte auf der Agenda der Landesregierung. Mit dem neuen Lagebild zog sie nun zugleich eine erste Zwischenbilanz ihrer Arbeit der vergangenen vier Jahre.

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Laschet und Reul stellen die Bilanz zum Kampf gegen Clan-Kriminalität.

„Die Zahlen zeigen: Unsere Erfolge in der Verbrechensbekämpfung sind kein Zufallsprodukt“, sagte Laschet. „2020 war wegweisend – vielleicht sogar so etwas wie ein Wendepunkt“, fügte Reul an.

Mehr als 1800 Razzien in knapp drei Jahren

Von Juli 2018 bis August 2021 hat die Polizei bei mehr als 1800 Razzien über 4500 Objekte kontrolliert, darunter Shisha-Bars und Wettbüros. Es wurden 2400 Strafanzeigen gefertigt und mehr als 12000 Verwarngelder verhängt. Die Zahl der Straftaten ist nach einem starken Anstieg im Jahr 2019 von 6104 auf 5778 zurückgegangen, die der Tatverdächtigen leicht auf 3826 angestiegen (2019: 3779). Zudem wurden im vergangenen Jahr 36 Haftbefehle erlassen, 2017 waren es noch 24. Als beunruhigend bezeichnete Reul den Befund, dass 4,5 Prozent der Tatverdächtigen fast ein Viertel aller Straftaten begehen. Auch das neue Präventionsprogramm laufe allmählich an, sagte Reul. 26 Kinder und Jugendliche aus Clanfamilien würden derzeit beraten.

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Ministerpräsident Armin Laschet und Innenminister Herbert Reul mit Polizistinnen und Polizisten der Bereitschaftspolizeihundertschaft

Dass die Landesregierung zur Vorstellung ihres Berichts nach Essen geladen hat, ist nicht überraschend. Reul hatte die Ruhrmetropole zur Modellstadt im Kampf gegen Clan-Kriminalität ausgerufen, Im Januar 2019 fand hier das erste Symposium zur Clan-Kriminalität statt. Wissenschaft, Polizei, Staatsanwaltschaft hatten Vorträge zu den Strukturen gehalten, über die Historie der hauptsächlich aus dem türkisch-arabischen Raum stammenden Familien berichtet. Und natürlich wollte man in einem der Hauptaktionsräume der Clans ein Zeichen setzen: „Wir werden den Clankriminellen keine ruhige Minute mehr lassen“, sagte Reul. Neben der Zermürbungstaktik der „1000 Nadelstiche“, ständigen Razzien in einschlägig bekannten Shisha-Bars, Wettbuden und Spielhallen, neben den üblichen Verfahren zur Organisierten Kriminalität, in denen es um Betrug, Gewaltdelikte oder Drogenhandel geht, stützen sich das LKA und die landesweite Zentralstelle für Organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf (ZEOS) inzwischen auf ein drittes Standbein: „Follow the money“, folge dem Geld. Die Neuregelung der Vermögensabschöpfungsgesetze und der Geldwäsche liefert den Strafverfolgern das nötige Instrument, um kriminelle Geldflüsse leichter auszutrocknen. Die Justiz muss nun nicht mehr umständlich nachweisen, dass die Vermögenswerte aus einem konkreten illegalen Geschäft stammen. Es kann schon ausreichen darzulegen, dass ein kriminelles Clan-Mitglied, das offiziell vom Jobcenter lebt, sich etwa keine Luxusuhr leisten kann. Auch hier gebe es klare Erfolge zu verzeichnen, sagte Reul.

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Während es 2017 nur neun Verfahren mit Vermögensabschöpfung gab, waren es 2020 bereits 48. Dabei wurden unter anderem Bargeld, Immobilien und Fahrzeuge im Gesamtwert von vier Millionen Euro sichergestellt. „Wir gehen den kriminellen Clans an ihre Existenz“, sagte Reul und verwies auf einige spektakuläre Fahndungserfolge der vergangenen Monate.

Reul lobt Arbeit von Beamten des nordrhein-westfälischen LKA

Zum Beispiel auf die Großrazzia gegen den Al-Zein-Clan in Leverkusen, bei der unter anderen der mutmaßliche Chef Badia Al-Zein festgenommen wurde. Die Familie soll nach Erkenntnissen der Ermittler jahrelang Sozialleistungen bezogen haben, wohnte zugleich aber in einer prunkvollen Villa im Stadtteil Rheindorf.

Reul lobte zudem die Arbeit von Beamten des nordrhein-westfälischen LKA, die geholfen hatten, im Dezember im türkischen Izmir ein illegales Callcenter auszuheben. Von dort wurden deutsche Seniorinnen und Senioren mit Anrufen tyrannisiert. Die Anrufer hatten sich als Polizisten ausgeben und so insgesamt 105 Millionen Euro erbeutet. Bedeutend für die Fahndungserfolge sei die SiKo Ruhr, die 2020 eingerichtet wurde. Dort werden unterstützend Informationen gebündelt, Querbezüge erkannt und so genannte 360 Grad-Analysen erstellt.

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