Lehren aus dem Loveparade-UnglückOpfer sollen besser geschützt werden

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Loveparade

Die tödliche Loveparade-Katastrophe im Juli 2010 hat viel Leid, aber auch viele offene Fragen hinterlassen.

Düsseldorf – Der 24. Juli 2010 steht für eine der schlimmsten Katastrophe in NRW. Hundertausende Raver wollten auf der Loveparade in Duisburg einfach nur feiern, 21 von ihnen starben während einer Massenpanik, 500 Menschen wurden verletzt. Etliche Opfer leiden auch heute noch unter den traumatischen Erlebnissen. Die strafrechtliche Aufarbeitung endete in der Katastrophe nach der Katastrophe. Keiner der mutmaßlichen Verantwortlichen aus dem Duisburger Rathaus oder den Planern der Eventfirma „Lopavent“ wurden wegen ihres Organisationsversagens zur Verantwortung gezogen. Unter dem Druck einer drohenden Verjährung erging kein Urteil in dem Mammutprozess, für den eigens eine große Halle der Düsseldorfer Messe angemietet wurde.

Auf Initiative des NRW-Justizministers Peter Biesenbach (CDU) legte am Montagvormittag eine Expertenkommission einen 20-Punkte Plan vor, um die Aufklärung komplexer Unglücksereignisse künftig zu verbessern. Gerade das Loveparade-Verfahren habe einmal mehr gezeigt, so der CDU-Politiker, „dass komplexe Unglücksereignisse gerichtliche Prozesse an ihre Grenzen führen können“.

Biesenbach

Peter Biesenbach (CDU), Justizminister von Nordrhein-Westfalen

Immer wieder sei bei solchen Mammutkomplexen zu beobachten, dass der Abschluss für die Geschädigten nach langer Verfahrensdauer wenig befriedigen ausfalle. In dem Zusammenhang erinnerte Biesenbach an den Prozess um das ICE-Unglück in Eschede mit 101 Toten oder den gerichtlichen Ausgang, der den Einsturz der Eishalle von Bad Reichenhall behandelte.

Vor diesem Hintergrund schlägt das Expertengremium vor, bei „großen Schadenereignissen“ eine Verjährungsfrist vom Start der Hauptverhandlung an auszuschließen. Kommissionsleiter Clemens Lückemann, ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg, bemängelte indes, dass angesichts drohender Verjährung die Gerichte entweder zu „Scheinverhandlungen“ neigten. Alternativ ergingen Urteile im „Hauruck-Verfahren“. Beides sei mit der Würde des Gerichts und der Rolle der Justiz als dritte Staatsgewalt unvereinbar, monierte Lückemann.

Besondere Verfahrensweise für komplexe Unglücke gefordert

Ferner forderte der OLG-Richter a.D., eine Bund-Länder-Stelle einzurichten, die „komplexe Unglücksereignisse“ durchleuchtet. Als Vorbild nannte der Kommissionsvorsitzende etwa die schwedische Havariekommission, die neben den strafrechtlichen Ermittlungen ein „ergänzendes besonderes Unfalluntersuchungsverfahren“ durchführt.

Bei besonders komplizierten Unglücksfällen wie einer Hochwasserkatastrophe, einem Brückeneinsturz, dem Großbränden in chemischen Industrieanlagen oder öffentlichen Gebäuden „wäre diese Einrichtung aufgerufen“, so Lückemann, mit Hilfe spezieller Sachverständiger „eine umfassende Untersuchung mit Durchleuchtung aller Hintergründe durchzuführen und gegebenenfalls Vorschläge zur Verhütung künftiger Unglücke zu erarbeiten – ohne die einengenden Beschränkungen eines Strafverfahrens“.

Opferschutz soll verbessert werden

Zugleich votiert die Kommission dafür, den Opferschutz bei großen Unglücken zu verstärken. Lückemann regte an, spezielle Opferstaatsanwälte bei den Anklagebehörden zu installieren, die als Ansprechpartner für Nebenklagevertreter fungieren sollen.

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Zudem will das Expertengremium einem weiteren Missstand abhelfen. Oft genug weigern sich demnach Strafrichter während des Prozesses im Zuge des sogenannten Adhäsionsverfahren für die Opfer eine Schadenersatzsumme festzulegen, weil die Materie zu komplex sei. Ex-OLG-Präsident Lückemann empfahl die österreichische Praxis als Vorbild. Demnach verhängt der Strafrichter einen gesetzlich festgelegten Mindesttarif. Sollte das Opfer sich damit nicht zufriedengeben, steht es ihm frei, auf zivilrechtlichem Wege eine höhere Entschädigung zu erstreiten. Minister Biesenbach kündigte an, die Vorschläge der Kommission bei der nächsten Justizministerkonferenz im Juni auf die Tagesordnung zu bringen.

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