Norbert Röttgen im Interview„Mit Joe Biden haben wir eine neue Chance“

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Norbert Röttgen

Herr Röttgen, wie sehr steckt Ihnen Ihr Wahlmarathon in den Knochen? Röttgen: Wenn Sie den Wettbewerb um den CDU-Vorsitz meinen: Der macht mir große Freude. Die letzte Woche war aber von der US-Präsidentschaftswahl geprägt, die Auswirkungen für die ganze Welt hat. Entsprechend aufmerksam habe ich sie verfolgt und bin jetzt sehr über ihren Ausgang erleichtert.

Wie lange wird Donald Trump noch im Weißen Haus sitzen?

Es wird noch eine Weile dauern, bis Trump das Weiße Haus endgültig verlässt. Die politischen Geister hingegen, die er aus der Flasche gelassen hat, werden bleiben. Und auch die Themen, mit denen er so erfolgreich war, dass er mehr Stimmen geholt hat als 2016. In den USA und in Trumps Republikanischer Partei ist noch viel Trump drin, auch wenn Trump demnächst weg ist.

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Was kann ihn dazu bringen, den Amtssitz räumen? Die Nationalgarde ja wohl kaum.

Zum einen sieht es nicht danach aus, dass er mit seinen Einsprüchen vor den Gerichten Erfolg haben wird. Zum anderen werden die wesentlichen Kräfte bei den Republikanern Joe Bidens Wahlsieg anerkennen. Ihre Treue zur Verfassung und ihren demokratischen Anstand ziehe ich nicht in Zweifel.

Der zukünftige Kurs der CDU

Kommt in den Diskussionen der CDU um den künftigen Kurs und die Führung der Partei die Außenpolitik zu kurz?

Es gibt ein breites Bewusstsein in der CDU, wie bedeutsam die Veränderungen in der Welt auch für uns sind. Vieles muss neu bestimmt werden: der Zusammenhalt der Europäer, ihre Handlungsfähigkeit gegenüber den USA, China oder Russland. Das alles ist den CDU-Mitgliedern sehr klar, noch mehr nach dem US-Wahlkrimi. Auch mit Biden kehrt nicht einfach die gute alte Zeit zurück. Wir sollten deshalb proaktiv tätig werden. Der nächste Bundeskanzler wird mit Europa-, Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik sehr stark beschäftigt sein.

Was bedeutet das für Deutschland?

Wir müssen begreifen, dass wir mit einem Präsidenten Biden jetzt eine neue Chance haben. Wir haben doch vier Jahre lang erlebt, was der Ausfall der USA als wohlmeinender Akteur bei der Wahrnehmung gemeinsamer Interessen bedeutet. Wir sollten nicht annehmen, dass Bidens erste und höchste Aufmerksamkeit uns Europäern gelten wird. Das wäre ein fataler Irrtum. Stattdessen ist es an uns, substanzielle Vorschläge für eine transatlantische Partnerschaft zu machen, die europäischer werden muss.

Zur Person

Norbert Röttgen, geb. 1965, bewirbt sich neben Armin Laschet und Friedrich Merz um den CDU-Vorsitz. Der Abgeordnete aus dem Rhein-Sieg-Kreis ist außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Von 2009 bis 2012 war er Bundesumweltminister. 2012 verlor er als nordrhein-westfälischer Spitzenkandidat CDU die Landtagswahl gegen Hannelore Kraft (SPD). Zurzeit befindet er sich nach einer Corona-Risikobegegnung in vorsorglicher häuslicher Quarantäne. Das Interview fand als Videokonferenz statt. (jf)

Wenn der nächste Bundeskanzler so stark mit Außenpolitik befasst sein wird dann müssten von den möglichen Kandidaten der Union doch am ehesten Sie es werden?

Sie erwarten hoffentlich jetzt keinen Widerspruch von mir?

Drängt es Sie nicht eher ins Außenministerium?

Mich drängt es sehr, Vorsitzender der CDU zu werden – mit allem, was das bedeutet.

Zuletzt hat es zwischen den anderen beiden Bewerbern, Armin Laschet und Friedrich Merz, ziemlich gekracht. Sind Sie in diesem Streit womöglich als Kompromisskandidat der lachende Dritte?

Wenn wir eines aus den USA lernen, dann ist es doch dies: Polarisierungen und Lagerbildungen – in einem Land, aber auch in einer Partei – führen zu Spaltung und Elend. Ich stehe nicht für ein Lager, sondern bin in der Bandbreite der Partei wählbar. Im Fall eines Wahlsiegs könnte ich von allen akzeptiert werden. Das ist wichtig für die Arbeit als Parteivorsitzender – denn nicht nur Inhalt und Führung sind notwendig, sondern auch die Fähigkeit zu Integration und Zusammenhalt. Wir drei Kandidaten unterscheiden uns erkennbar in Stil und Inhalt. Die Entscheidung darüber, welcher Stil und welche Inhalte an der Spitze der CDU zukünftig stehen sollen, treffen dann die Delegierten.

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Was würden Sie als Parteichef besser machen?

Auf einen Punkt zugespitzt, muss es gelingen, die Diskussionen über die großen Fragen unserer Zeit – Klimawandel, Migration, Sicherheit, Arbeit und Wirtschaft im digitalen Zeitalter – wieder in die CDU hineinzuholen und die Partei in einen Austausch mit den Menschen und Institutionen in unserer Gesellschaft zu bringen, die über Kompetenzen und Expertise verfügen. Das meine ich mit Modernisierung und Politisierung der CDU. Wir müssen intellektuell und politisch in der Lage sein, wegweisende Antworten zu geben, wie Deutschland seiner Verantwortung gerecht werden kann. Denn dafür wird es auf die CDU ankommen.

In der Corona-Krise scheint es auf die Partei nicht so sehr anzukommen. Man hört jedenfalls wenig von Ihrer Vorsitzenden. Wie passt das zum Ruf nach mehr Beteiligung an den Anti-Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern?

Ich finde es wichtig, dass wir jetzt schon gut überlegen, wie wir nach der Krise den wirtschaftlichen und technologischen Neustart schaffen. In den Entscheidungsprozess über Schutzkonzepte muss das Parlament als Gesetzgeber stärker einbezogen sein. Das führt zu breiterer Abwägung und höherer Akzeptanz bei der Bevölkerung.

Röttgen Merz Laschet

Friedrich Merz und Armin Laschet (v.l.)

An dieser Stelle muss die Frage nach Markus Söder kommen. Was halten Sie von seinem Krisenmanagement?

Ein wesentlicher Indikator für einen Krisenmanager ist, ob er Akzeptanz und Vertrauen erzeugt. Das ist Markus Söder unbestreitbar in einem hohen Maß gelungen. Beides wirkt über das Feld der Pandemiebekämpfung hinaus. Aber die CDU sollte zu gegebener Zeit sehr selbstbewusst an die Frage herangehen: Was ist insgesamt die Bestaufstellung für den Wahlsieg der Union? Da geht es dann um sehr viel mehr als nur um Corona.

Sie haben Söders Agieren sehr positiv beschrieben. Was ist mit Armin Laschet?

Ich habe lediglich meine Einschätzung zu Markus Söders Management und Kommunikation in der Krise gegeben, mehr nicht. Schon am Beginn meiner Kandidatur für den Parteivorsitz habe ich beschlossen und auch gesagt, dass ich mich zu meinen beiden Mitbewerbern nicht äußern werde – und dabei bleibe ich.

Wäre es gut für Nordrhein-Westfalen, wenn Armin Laschet als Ministerpräsident im Land bliebe?

Nun, ich mache ja ein Angebot, das diese Chance bietet.

Wenn Sie über Ihre Mitbewerber nicht reden, dann vielleicht über Ihre Mitstreiter. Wollen Sie nicht endlich mal sagen, welche Frau Ihre Generalsekretärin werden soll?

Das hätte ich schon getan, wenn es beim Parteitag Anfang Dezember geblieben wäre. Aber bei Personalvorschlägen spielt auch immer das Timing eine Rolle.

Der Wahlparteitag soll nun im Januar sein. Noch immer ist nicht klar, in welcher Form. Setzen Sie nach wie vor auf eine Präsenzversammlung?

Einen Präsenzparteitag, so sehr ich ihn mir wegen der persönlichen Begegnung und Emotion wünschte, halte ich für reine Illusion. Wir müssen uns auch als CDU an die Pandemie-Realität anpassen. Selbst dezentrale Versammlungen mit 50, 100, 300 Leuten werden in diesem Winter so gut wie ausgeschlossen sein. In dieser Konsequenz werden wir digital tagen und die Wahlen mit einer anschließenden Briefwahl in einem Wahlgang dann auch rechtssicher machen.

Und eine nochmalige Verschiebung?

Wir brauchen als CDU unsere Personalaufstellung spätestens am Beginn des Jahres 2021, damit wir dann auch das Superwahljahr vorbereiten und bestreiten können.

Das Gespräch führten Carsten Fiedler, Joachim Frank, Gerhard Voogt und Wolfgang Wagner.

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