Wegen Absage an Schwarz-GrünHerbert Reul liest Friedrich Merz die Leviten

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Herbert Reul (CDU), NRW-Innenminister und CDU-Bezirkschef ist in einer Redesituation zu sehen.

Möchte sich nicht an Koalitionsspekulationen beteiligen: NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

Friedrich Merz lehnt ein Bündnis mit den Grünen im Bund ab. In der NRW-CDU löste die Festlegung Kopfschütteln aus. Fehlt dem Partei-Chef die strategische Weitsicht? 

Seit rund 14 Monaten wird NRW von einem schwarz-grünen Bündnis regiert. Die Zusammenarbeit funktioniere gut und geräuschlos, betonen die Bündnispartner – allen voran NRW-Ministerministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seine Stellvertreterin Mona Neubaur von den Grünen – auf Nachfrage immer wieder.

Im Bund weht der Wind offenbar anders. CDU-Parteichef Friedrich Merz hält nicht viel von Schwarz-Grün. „Diese Grünen können keine Koalitionspartner für die Union sein, wenn sie die Realität so verweigern, wie sie das auch und insbesondere in der Einwanderungspolitik und der Inneren Sicherheit in diesem Land tun“, wetterte der Sauerländer bei einem Wahlkampfauftritt in Bayern. Eine Ansage, die in Koalitionskreisen für Unverständnis sorgte.

Innenminister Herbert Reul:„Extremistischen Strömungen in dieser Zeit entgegenwirken“

Einer, der von solchen Festlegungen wenig hält, ist NRW-Innenminister Herbert Reul. Der Politiker aus Leichlingen ist zugleich Chef des CDU-Bezirks Bergisches Land. „Mich interessieren jetzt keine Koalitionsoptionen“, sagte Reul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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„Zuerst müssen wir eine Bundestagswahl gewinnen – entschlossen und geschlossen“, mahnte Reul. Erst dann stelle sich die Frage nach einer Zusammenarbeit. „Grundsätzlich müssen aber alle demokratischen Parteien miteinander sprechen können, um auch den extremistischen Strömungen in dieser Zeit entgegenzuwirken“, sagte der CDU-Politiker, der sich auch über Parteigrenzen großer Beliebtheit erfreut.

Parteifreunde reagieren diplomatisch-verwundert auf Friedrich Merz 

Paul Ziemiak, Generalsekretär der NRW-CDU und Mitglied der von Merz geführten Bundestagsfraktion, drückt seine Kritik diplomatisch aus. „Es ist richtig, mit Blick auf die Bundestagswahl mit einem klaren inhaltlichen CDU-Profil anzutreten und auch die Unterschiede zu anderen Parteien deutlich herauszuarbeiten“, sagte der Politiker aus Iserlohn unserer Zeitung. „Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir als CDU mit den Grünen in NRW sehr erfolgreich und vertrauensvoll zum Wohle des Landes zusammenarbeiten“, fügte Ziemiak hinzu. Ina Scharrenbach, NRW-Bauministerin in Chefin der Frauen-Union, erklärte, Merz habe es „auf die Bundes-Grünen abgestellt“ und nicht auf die Landes-Grünen in NRW, mit denen man „erfolgreich in herausfordernder Zeit" regiere.

Auch Thorsten Schick, Chef der CDU-Fraktion im Landtag, reagierte auf die Merz-Festlegung. „In Nordrhein-Westfalen beweisen CDU und Grüne seit nunmehr einem Jahr, wie man auf Grundlage kluger Verabredungen gut zum Wohle der Menschen regieren kann – erfolgreich, fair und auf Augenhöhe“, sagte Schick auf Anfrage.  Anders als die Bundesregierung stecke Schwarz-Grün die Energie nicht darin, sich „gegenseitig zu profilieren, sondern in die Lösung der Probleme“.

Die Grünen in NRW sehen in der Koalitionsabsage einen wenig durchdachten Affront. „Die Menschen erwarten, dass sich die demokratischen Parteien zusammenraufen und die ganz realen Herausforderungen unseres Landes lösen“, sagte der Landesvorsitzende Tim Achtermeyer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. In NRW machten die Grünen das „auch sehr erfolgreich“ mit der CDU. Der CDU-Bundesvorsitzende gehöre übrigens dem Landesverband NRW an. „Merz  hat aber offenbar seinen politischen Kompass verloren und irrt leider kopflos umher“, so Achtermeyer

Bundestagsabgeordneter Felix Banaszak: „Merz lebt in einer Parallelwelt“

„Felix Banaszak“, Grüner Bundestagsabgeordneter aus Duisburg, sagte unserer Zeitung, Merz lebe „offenbar in einer Parallelwelt, die mit der Realität vieler CDU-Landesverbände nicht sehr viel zu tun“ habe. Wer „offenbar mehr Nähe zu Hubert Aiwanger als zu Robert Habeck“ verspüre, sollte „seinen politischen Kompass“ neu ausrichten.

Sven Lehmann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfamilienministerium aus Köln, verwies darauf, die Grünen würden in sechs Bundesländern mit der CDU zusammen regieren. „Wenn Friedrich Merz die Realität außerhalb des Bierzeltes interessiert, kann er sich ja mal bei NRW-Ministerpräsident Wüst erkundigen, wie wichtig die Grünen für erfolgreiches Regieren sind“, so Lehmann.

Merz hatte der Berliner Ampel-Koalition schwere Fehler in der Migrationspolitik vorgeworfen, für die vor allem die Grünen verantwortlich seien. Wegen der ansteigenden Flüchtlingszahlen forderte er Kontrollen an Grenzen Deutschlands mit den EU-Nachbarn. „So wie das jetzt ist, kann dies nicht weitergehen“, sagte er. Der „ungebremste Zuzug nach Deutschland“ müsse gestoppt werden.

CDU-Politiker aus dem Hochsauerlandkreis betonten, man müssen den Kontext der Äußerungen beachten. Merz habe eine Wahlkampfrede gehalten, um den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder zu unterstützen, der sich klar von den Grünen abgrenze. „Friedrich hat tatsächlich eine Aversion gegen die Grünen, aber wenn er Kanzler werden will, muss er sich arrangieren“, hieß es. Der Bundesvorsitzende habe den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur. Daran würden auch „vielleicht nicht ganz so kluge Bemerkungen“ nichts ändern.

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