Europäische UnionStädte und Gemeinden in NRW fordern Entlastung nach Asylkompromiss

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Der Schatten eines Kugelschreibers zeichnet sich auf einem schriftlichen Asylerstantrag des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ab (gestellte Szene).

Asylerstantrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge

Die SPD spricht von einer „zum Teil schmerzlichen“ Einigung, der Städtetag will eine dauerhafte Finanzierung der Unterbringung Geflüchteter.

Aus Sicht des Städte- und Gemeindebunds NRW kann der Asyl-Kompromiss nur ein erster Schritt sein. „Die Kommunen sind dringend auf Entlastung angewiesen. Die Einigung der EU-Staaten ist für uns das erhoffte Signal, dass sich zumindest langfristig endlich etwas ändert“, sagte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer. „Angesichts der höchst unterschiedlichen Positionen ist ein solcher Kompromiss nach vielen Jahren fruchtloser Diskussionen ein Lichtblick.“

Eine bessere Steuerung der Zuwanderung über die EU-Außengrenzen und eine gerechtere Verteilung in Europa seien zwei entscheidende Hebel, „diese ernste Krise in den Griff zu kriegen. Wir haben grundlegende Änderungen in der Migrationspolitik schon lange und in aller Deutlichkeit gefordert, zuletzt im Mai in der Münsteraner Erklärung unseres Präsidiums“, so Sommer.

Städte- und Gemeindebund: „Die Enttäuschung sitzt tief“

Das Grundrecht auf Asyl werde nicht infrage gestellt. „Die Staaten sind für eine menschenwürdige Unterbringung auf europäischer Ebene verantwortlich, so wie die Kommunen es auf lokaler Ebene sind. Aber noch ist nichts erreicht. Die Erfahrung zeigt, dass es Jahre dauern kann, bis ein EU-Kompromiss zu spürbaren Veränderungen in der Praxis vor Ort führt. Ebenso wichtig ist für uns, dass Bund und Länder uns kurzfristig unter die Arme greifen. Die Enttäuschung nach dem letzten Flüchtlingsgipfel sitzt tief."

Aus Sicht des Deutschen Städtetags bringt der Kompromiss „endlich Bewegung in die Asyldebatte auf europäischer Ebene“, sagte der Präsident des NRW-Städtetags Thomas Kufen. „Wenn es zu konkreten Beschlüssen auf EU-Ebene kommt, muss dazu auch die faire Verteilung von Geflüchteten und Asylsuchenden auf die Mitgliedsstaaten gehören. Die bisherige Ungleichverteilung überfordert die Infrastruktur und Integrationsangebote in den Städten in Deutschland – auch in NRW. Wenn der jetzt von den EU-Innenministern vereinbarte Solidaritätsmechanismus zur Verteilung wirklich wirkt, kann das die Städte in NRW entlasten.“

Klar sei aber auch, dass mögliche Maßnahmen auf EU-Ebene weder final beschlossen seien noch „von heute auf morgen wirken“, sagte Kufen, der auch Oberbürgermeister der Stadt Essen ist. „Um den Städten in NRW in der aktuellen Situation zu helfen, muss die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler am kommenden Donnerstag endlich den Weg freimachen für ein dauerhaftes System zur Finanzierung der Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten, das sich steigenden Flüchtlingszahlen anpasst.“

SPD: Kompromiss „zum Teil schmerzlich“

Unabhängig von den Ergebnissen der Konferenz bleibe die Landesregierung in der Pflicht. „Sie muss Finanzierungslücken bei den Kommunen durch eine Novelle des Flüchtlingsaufnahmegesetzes schnell schließen und die vom Bund bereitgestellten Mittel eins zu eins an die Kommunen weitergeben“, sagte Kufen. Außerdem müsse das Land den Ausbau der Plätze in Landeseinrichtungen zur Aufnahme von Geflüchteten vorantreiben. Die aktuellen Pläne sehen einen Ausbau auf 34.500 Plätze vor. „Das reicht nicht. Der Städtetag NRW erwartet einen zügigen Ausbau auf 70.000 Plätze.“

Von einem „für uns zum Teil schmerzlichen“ Kompromiss spricht Lisa-Kristin Kapteinat. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag fordert, „dass unbegleitete Kinder und Jugendliche direkt in die EU einreisen können und nicht in die Grenzverfahren kommen. Dass dies nicht für Minderjährige gelten soll, die mit ihren Eltern kommen, bereitet uns allerdings große Sorgen, hier muss auf Nachbesserungen gedrungen werden.“

In einer gemeinsamen Erklärung von Partei und Landtagsfraktion üben die NRW-Grünen Kritik an dem Beschluss. Vor allem die Tatsache, dass die EU „Kinder und ihre Familien nicht von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen haben und dass vulnerable Gruppen nicht geschützt werden“, sei falsch. Es müsse ein Ziel der weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene sein, „hier nachzubessern“.

„Erst einmal ist es gut, dass nach so vielen Jahren auf europäischer Ebene endlich ein Kompromiss für gemeinsame Asylregeln gefunden wurde“, sagt Dietmar Panske, Integrationsexperte der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. „Insbesondere die Möglichkeit, zukünftig Asylverfahren, vor allem für Menschen ohne eine Bleibeperspektive, einfacher an den Grenzen entscheiden zu können, ist sehr positiv zu bewerten.“

Mit den Vereinbarungen zu Grenzverfahren und zu einem europäischen Verteilmechanismus könne es gelingen, „irreguläre Migration deutlich zu reduzieren und den kriminellen Schlepperorganisationen ihre Grundlage zu entziehen. Nicht jeder Mensch, der zu uns kommen will, kann in Europa bleiben“, so Marc Lürbke, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Es sei „wichtig zu betonen, dass Europa weiterhin zu seiner humanitären Verpflichtung zur Aufnahme von Schutzbedürftigen steht.“

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