Die WHO empfiehlt ein Verbot von Filterzigaretten. In Köln findet der Vorschlag sowohl bei Ärzten als auch Suchtexperten großen Anklang.
Filterzigaretten verbieten?Kölner Kardiologe spricht von einem „hochwillkommenen Hebel“

Auf der Weltgesundheitskonferenz, die am 17. November beginnt, soll die Frage diskutiert werden, wie die negativen Folgen von Tabakkonsum gemindert werden könnten.
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Die EU-Kommission will bis zum Jahr 2040 den Anteil der Raucherinnen und Raucher an der Bevölkerung auf unter fünf Prozent drücken. Derzeit liegt die Rate in NRW etwa dreieinhalbmal so hoch. Das geht aus Berichten in einem Positionspapier einer Arbeitsgruppe des Rats der Europäischen Union hervor. Auf der Weltgesundheitskonferenz, die am 17. November beginnt, soll die Frage diskutiert werden, wie die negativen Folgen von Tabakkonsum gemindert werden könnten. Empfohlen werden soll unter anderem ein Filterverbot, „um die Genießbarkeit und Attraktivität von Zigaretten zu verringern“. Die EU-Kommission selbst plant derlei Drastisches ausdrücklich nicht, eine Arbeitsgruppe des Rates der Europäischen Union ist aber besorgt über die Verschmutzung von Boden und Wasser durch Nikotinprodukte und will das Problem angehen.
Der Kölner Kardiologe Professor Stephan Baldus von der Uniklinik Köln begrüßt die Anti-Rauchpläne der WHO. Auf Anfrage sagt er, wenn es gelänge, die Vorhaben umzusetzen „wäre das fraglos eine der effektivsten gesetzgeberischen Initiativen zur Verbesserung der Herzkreislauf, aber auch Krebs-Gesundheit in Deutschland der letzten Jahrzehnte“. Gerade in Anbetracht der im Vergleich zu anderen westlichen EU-Ländern niedrigen Lebenserwartung in Deutschland „wäre das ein kraftvoller, hochwillkommener Hebel zur Verbesserung von krankheitsfreier Lebenserwartung gerade für unser Land“, sagt er.
Vorbild könnte Großbritannien sein
Wer wissen will, wie viel eine rigidere Tabakpolitik bringen kann, der könne seinen Blick auch heute schon nach Großbritannien richten. Dort plant die Regierung, Jugendlichen, die nach dem 1. Januar 2009 geboren wurden, das Rauchen lebenslang zu verbieten. Das Gesetz soll Anfang 2027 in Kraft treten.
Aber schon heute schreckt gerade Jugendliche der hohe Preis ab. Eine herkömmliche Schachtel Zigaretten kostet die Briten derzeit rund 16 Euro. Die Raucherquote konnte so innerhalb von 25 Jahren auf etwa 14 Prozent halbiert werden, während sie in Deutschland bei 18 Prozent lag und nach der Pandemie eher wieder zugenommen hat. Eine tabakfreie britische Gesellschaft würde Baldus zufolge jährlich fast 25.000 Schlaganfälle und 7600 Fälle koronarer Herzerkrankungen verhindern. In Deutschland geht Baldus davon aus, dass knapp 40.000 Menschen weniger sterben würden, die heute ihren Herzkreislauferkrankungen erliegen.

Stephan Baldus leitet die Kardiologie der Uni Kliniken Köln. Tausende Menschen könnten seiner Kalkulation nach überleben, wenn der Zigarettenkonsum reduziert würde.
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Auch die Krankenkassen würden von strengeren Tabakgesetzen profitieren. Baldus verweist auf die Einführung der teilweisen Rauchverbote in Deutschland zwischen 2007 und 2008. In einer Analyse von 3,7 Millionen DAK-Versicherten im Alter über 30 Jahren zeigte sich innerhalb eines Jahres nach Einführung der Gesetze ein deutlicher Rückgang der Krankenhauseinweisungen von gut 13 Prozent bei Angina pectoris. Zeitgleich sanken die Krankenhauskosten, die durch Herzinfarkte entstehen, um mehr als fünf Millionen Euro. Eine Gesellschaft von Nichtrauchern könnte laut Tabakatlas des Deutschen Krebsforschungszentrums etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr einsparen, die durch nikotinbedingte Arbeits- und Produktionsausfälle anfallen.

Professor Ulrich Frischknecht von der Katholischen Hochschule NRW fordert „Politiker mit Rückgrat“. Er schlägt vor, Tabakprodukte aus Schaufenstern und Ladentheken verschwinden zu lassen.
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Aus Sicht des Suchtexperten Ulrich Frischknecht von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen bräuchte es dringend „Politiker mit Rückgrat, die ihre Volkswirtschaft, Bevölkerungsgesundheit und den Umweltschutz vor die Interessen derer stellen, die mit Nikotinkonsum ihren satten Profit machen“. Der Professor für Sucht- und Persönlichkeitspsychologie schlägt zudem vor, Tabakprodukte aus Schaufenstern und Ladentheken verschwinden zu lassen. Außerdem hält er höhere Steuern für eine gute Idee. Die Zusatzkosten sollten sich Frischknecht zufolge aber bei der Tabakindustrie bemerkbar machen und nicht auf dem Konto der Konsumierenden.
Er fordert zudem, Krankenkassen dazu zu verpflichten, Therapien zur Entwöhnung von Tabakabhängigkeit zu bezahlen. Aktuell werde dies als „Lifestyle-Problem“ behandelt.

