Gedenkstätte für russische KriegsgefangeneCDU-Basis brüskiert NRW-Landtagspräsident André Kuper

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Andre Kuper (l, CDU), Landtagspräsident, begleitet Ruth Weiss (r), Journalistin und Schriftstellerin, während einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Landtag von Nordrhein-Westfalen zum Rednerpult.

Landtagspräsident Andre Kuper (l., CDU) begleitet Ruth Weiss, Journalistin und Schriftstellerin, während einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus zum Rednerpult.

Das Leid russischer Kriegsgefangener ist bislang kein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur. Pläne, die Aufarbeitung zu intensivieren, stoßen jetzt auf Widerstand. 

In dem Lager Stalag 326 waren in der NS-Zeit 300.000 russische Kriegsgefangene interniert. Damals gab es 190 Baracken, die Gefangenen dort wurden als Zwangsarbeiter für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Bislang erinnern 36 Massengräber und ein Arrestgebäude an die Gräueltaten, die bei Stukenbrock (südöstlich von Bielefeld) begangen sind. Der Plan, die in einer Baracke untergebrachte Dokumentationsstätte auszubauen und so ein würdiges Gedenken zu ermöglichen, droht jetzt zu scheitern. Die CDU im Kreistag hat das Projekt blockiert – und damit ein politisches Erdbeben ausgelöst, das auch die Landespolitik erschüttert.

Denn: Der Chef der Steuerungsgruppe, die den Ausbau plant und vorantreibt, ist NRW-Landtagspräsident André Kuper. Der CDU-Politiker zeigt sich entsetzt: „Es gibt immer weniger Zeitzeugen, die vom Gräuel des Weltkriegs und der Nazi-Zeit berichten können“, sagte Kuper dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Und gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen brauchen wir Demokratiebildung und authentische Gedenkstätten“, fügte der Parlamentspräsident hinzu. „Wir brauchen mehr und nicht weniger Demokratiebildung“, so Kuper. Die Blockade sei „falsch“.

Kommunen sollen jährlich vier Millionen zahlen

Die Pläne für den Ausbau der Gedenkstätte waren 2015 nach einem Besuch des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck ins Rollen gekommen. Der Bundestag hatte zur Finanzierung des 60 Millionen Euro teuren Projekts bereits 25 Millionen Euro zugesagt, das Land sollte NRW sollte den Rest bezahlen. Die jährlichen Betriebskosten in Höhe von rund vier Millionen Euro sollten sich die Kommunen teilen. Das sei viel zu viel Geld, befand die CDU-Fraktion im Gütersloher Kreistag – und verweigerte den nötigen Zuschuss von 400.000 Euro. Das Votum sei ein „Desaster“, ärgert sich Kuper.

Raphael Tigges ist Landtagsabgeordneter und Chef der CDU im Kreis Gütersloh. Er verteidigt die Entscheidung: „Ich finde es richtig, dass unsere CDU im Kreistag die Betriebs- und Folgekosten des Projekts hinterfragt. Angesichts allseits knapper Haushaltmittel in den Kommunen sollte nochmal geprüft werden, ob man nicht auch mit einer kleineren Lösung, mit weniger Folgekosten zurechtkommen könnte“, so der CDU-Politiker.

Förderverein stellt seine Arbeit ein

Pikant: Bei der Blockade im Kreistag hatte auch die AfD mit der CDU gestimmt. Nur weil drei Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP fehlten, war die AfD am Ende nicht das Zünglein an der Waage. Tigges betonte, es gebe keine Zusammenarbeit mit der AfD. Da die Abstimmung geheim war, sei es „auch Spekulation, wer wie abgestimmt hat“, so der CDU-Kreisvorsitzende.

Die SPD will jetzt im Landtag einen gemeinsamen Antrag vorschlagen, mit dem „das verbindliche Bekenntnis“ des Landes zu Stalag 326 erneuert werden soll. „Stalag 326 ist eine Gedenkstätte von nationaler Bedeutung“, sagte die SPD-Abgeordnete Elisabeth Müller-Witt dem „Kölner Stadt-Anzeiger.“ Die Landesregierung müsse unverzüglich Gespräche mit den Kommunen vor Ort aufnehmen, „um Wege für die Realisierung zu finden.“

Aus Protest gegen die Entscheidung der Gütersloher CDU hat der Förderverein hat seine Arbeit eingestellt. Die Gedenkstätte ist bis auf Weiteres geschlossen.