Friedrich Merz will für 2025 Kanzlerkandidat der Union werden. Sollte er straucheln, käme Hendrik Wüst ins Spiel. Ein Szenario, das große Risiken birgt.
Die CDU und die K-FrageWüst statt Merz? Was für und was gegen eine Kandidatur spricht
Die Maschine fliegt nächste Woche vom Frankfurter Airport nach Vilnius. An Bord: der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst und eine Delegation aus NRW. Der CDU-Politiker reist nach Litauen, um dort stationierte Nato-Soldaten zu besuchen. Ein Trip, der großes Interesse auslöst – auch im politischen Berlin.
Die Reise ins Baltikum belegt mal wieder, dass Wüst nicht nur die Landespolitik als Handlungsfeld betrachtet. Schon im Sommer hatte ein Gastbeitrag mit dem Titel „Das Herz der CDU schlägt in der Mitte“ Spekulationen darüber ausgelöst, ob Wüst Ambitionen verfolgt, Kanzlerkandidat der Union zu werden. Der Litauen-Besuch dürfte die Debatte jetzt neu entfachen.
Friedrich Merz hat den ersten Zugriff auf die Kandidatur
Am Wochenende hatte der NRW-Ministerpräsident in einem Interview mit der F.A.Z. verdeutlicht, dass er durchaus auch die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge im Blick hat. Ihm bereite große Sorge, dass 69 Prozent der Bürger die Handlungsfähigkeit des Staates infrage stellen würden – obwohl Deutschland in der Corona-Pandemie wie kein anderes Land Bürgern und Unternehmen mit enorm viel Geld geholfen habe. Auch zum Erstarken des Rechtspopulismus äußerte sich Wüst: „Ich stimme hier Kanzler Scholz ausdrücklich zu: Es darf nicht dazu kommen, dass die AfD am Ende andere Parteien lahmlegt“, so der Regierungschef von NRW.
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Die nächste Bundestagswahl findet 2025 statt. In der CDU hat traditionell der Bundesvorsitzende den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur. Für Volker Kronenberg, Politikprofessor an der Universität Bonn, ist daher Friedrich Merz der Favorit für den Posten: „Gleichwohl wäre Wüst der aussichtsreichere Kandidat, weil er anschlussfähiger ist und breitere Milieus erreicht. Er steht in der Mitte, ohne diese fieberhaft suchen oder immer wieder neu austarieren zu müssen. Sein diplomatischer und unverkrampfter Politikstil kommt gut an, damit hebt er sich für viele CDU-Anhänger wohltuend von Merz ab“, sagt der Professor.
In der NRW-CDU bezweifeln nur wenige, dass Merz als Kanzlerkandidat antreten will. „Sein ganzes Leben ist darauf ausgerichtet, und es ist aufgrund seines Lebensalters auch seine letzte Chance, ins Rennen zu gehen“, heißt es im Landesvorstand. Der 67-Jährige müsse sich „schon selbst ein Bein stellen“, um nicht Herausforderer von Scholz zu werden. Erst wenn der Fall eintrete, dass spontan eine Alternative aus dem Hut gezaubert werden müsse, trete für die NRW-CDU „der Ernstfall“ ein.
Ob die Kanzlerkandidatur von Merz ein Selbstläufer wird, hängt auch vom Abschneiden der Union bei den anstehenden Landtagswahlen ab. In diesem Jahr wird in Bayern und Hessen, 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. „Die CDU ist schon seit jeher eine Partei, die Erfolg belohnt. Wenn es Merz mit seiner Strategie gelingt, der AfD Themen zu nehmen und die CDU/CSU über 30 und die AfD unter 15 Prozent zu bekommen, wird es schwer sein, ihm die Kanzlerkandidatur streitig zu machen“, sagt der Kölner Politik-Professor Thomas Jäger.
Ein schneller Wechsel von Wüst nach Berlin käme jedenfalls „zur Unzeit“ – da sind sich die Strippenzieher in der NRW-CDU einig. Die Nachwehen der gescheiterten Kanzlerkandidatur seines Vorgängers Armin Laschet stecken der Partei noch in den Knochen. Die Suche nach einem Wüst-Nachfolger oder einer Nachfolgerin würde sie auf eine Belastungsprobe stellen.
Nachfolger müssen Mandat besitzen
Laut NRW-Verfassung kann bei einem Führungswechsel innerhalb der Legislaturperiode nur ein Mitglied des Landtags in das Amt des Ministerpräsidenten gewählt werden. Im Führungszirkel der NRW-CDU verfügen NRW-Innenminister Herbert Reul und Heimatministerin Ina Scharrenbach über ein Mandat, auch auf der Liste der Nachrücker stehen prominente Namen. „Viel Potenzial“ habe Ina Brandes, die derzeitige Wissenschaftsministerin, die früher für das Verkehrsressort zuständig war, sagt Karl-Rudolf Korte, Politik-Professor an der Uni Duisburg-Essen. Die Wüst-Vertraute zeichne eine „klare Sprache“ und eine „hohe Problemlösungskompetenz“ aus.
Auch Nathanael Liminiski, Europaminister und Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, wird als potenzieller Wüst-Nachfolger gehandelt. „Das Zeug, die Rolle auszufüllen, hätte er zweifelsohne“, sagt Kronenberg. Er verfüge „in vergleichsweise jungen Jahren bereits über viel Erfahrung“ und müsse selbst entscheiden, ob er die „Nummer eins“ werden wolle.
Politikwissenschaftler blickt in die Zukunft und sieht: Wüst vs. Klingbeil
So oder so müsse sich die CDU darüber im Klaren sein, dass ein Wahlsieg über Scholz nicht einfach sei, sagt Kronenberg. „Die Ampel mag kein gutes Bild abgeben, aber der Bundeskanzler hat durch sein besonnenes Vorgehen in der Krise bei vielen Menschen Sympathiepunkte gesammelt“, so der Politik-Professor. Ein Wahlsieg der CDU bei der nächsten Bundestagswahl wäre „eher eine Überraschung“, da ein Kanzler meist die Chance einer zweiten Amtszeit erhalte.
„Wüst täte gut daran, seine Machtbasis durch eine Wiederwahl als Ministerpräsident in NRW weiter auszubauen. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass es in der Politik immer auf das richtige Timing ankommt“, so der Hochschullehrer aus Bonn.
Sollte Friedrich Merz die Bundestagswahl 2025 verlieren, wäre seine Karriere in der CDU wohl beendet – und der Weg frei für den Ministerpräsidenten von NRW. Professor Korte wagt eine Prognose: „Vier Jahre später könnte dann Wüst gegen Lars Klingbeil antreten – mithin die jüngere Generation.“