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Luxusschleuser-SkandalMedienanwälte in Düren und Rhein-Erft wurden aus Steuergeldern bezahlt

4 min
Drei schwarz vermummte Polizisten stehen vor dem Eingang eines weißen Wohnhauses.

Im April 2024 durchsuchten Polizisten Wohnungen in der Dürener Innenstadt – der Beginn der „Luxusschleuser-Affäre“.

In der „Luxusschleuser-Affäre“ sind Amtsträger des Rhein-Erft-Kreises und des Kreises Düren beschuldigt. Medienanwälte sollten brisante Berichte über ihre Rolle verhindern.

In der „Luxusschleuser-Affäre“ versuchen Verantwortliche in den Landkreisen Düren und Rhein-Erft sowie mitbeschuldigte Politiker und Unternehmer in Solingen und Frechen seit gut einem Jahr missliebige Berichterstattung über ihre mutmaßliche Rolle in der Affäre auszubremsen. Der Kreis Düren hat auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgeteilt, dass seit der Schleuserrazzia am 17. April 2024 bis heute 20.343,76 Euro für Medienanwälte ausgegeben wurden. Grundlage sei ein zuvor geschlossener Dienstleistungsvertrag gewesen, erklärte Ingo Latotzki, Sprecher des Kreises. Kurzum: Der Steuerzahler zahlt – und weiß nichts davon.

In erster Linie ging es offenbar um Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft gegen den inzwischen suspendierten Landrat Wolfgang Spelthahn. Monatelang versuchte der CDU-Politiker, über einen Medienanwalt die Berichterstattung über brisante Details zu verhindern. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete trotzdem: So soll Spelthahn samt zwei weiteren Beschuldigten pro illegal eingereistem Familienvorstand aus China zwischen 1000 und 10.000 Euro von der Schlepper-Bande erhalten haben. Das Geld habe man sich geteilt, heißt es in einem Durchsuchungsbeschluss.

Verdacht der Bestechlichkeit gegen Spelthahn

Vor diesem Hintergrund steht der Christdemokrat bis heute unter dem Verdacht der Bestechlichkeit sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in 84 Fällen. Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf Auswertungen der Ausländer- und Visaakten sowie Bankkonten und vertrauliche Papieren. Zudem führen die Strafverfolger abgehörte Telefonate, E-Mail-Verkehr sowie belastende Aussagen des mutmaßlichen Schleuserchefs, einem Kölner Anwalt, als Beweise an. Insgesamt 222 Migranten sollen den Erkenntnissen zufolge über die Dürener Schiene eingeschleust worden sein.

Spelthahns Strafverteidiger Benedikt Pauka weist die Vorwürfe zurück. Sein Mandant habe „in keiner Weise an der Erschleichung von Aufenthaltstiteln mitgewirkt oder von einer solchen Kenntnis gehabt, ebenso hat er keinerlei Vorteile gefordert, sich versprechen lassen oder angenommen“, so der Anwalt: „Die gegen Herrn Spelthahn erhobenen Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage.“

Landrat ist suspendiert

Das sieht die Verwaltungsaufsicht anders. Noch im vergangenen Jahr hat die Bezirksregierung Köln den Landrat vorläufig suspendiert. Seither muss Spelthahn seine Anwälte selbst zahlen.

Im Rhein-Erft-Kreis führt die Staatsanwaltschaft nach eigenem Bekunden gegen mindestens vier Tatverdächtige ein Ermittlungsverfahren. Die Spur führt inzwischen bis zu führenden Protagonisten der Kreisverwaltung. Die Namen will ein Münchner Medienanwalt nicht gedruckt sehen. Eine Identifizierung der Beschuldigten würde aus seiner Sicht eine rechtswidrige Verdachtsberichterstattung bedeuten. Und das bei einem Verfahren, das mittlerweile ins fünfte Jahr geht.

Die ersten Anklagen in dem Fall mit etwa 200 Tatverdächtigen sollen spätestens im Herbst erfolgen. Laut dem Anwalt hat der Rhein-Erft-Kreis bis zum 18. Juni 7114,72 Euro überwiesen. „Unsere Aufgabe war und ist der Reputations- und Persönlichkeitsschutz des Rhein-Erft-Kreises und seiner Bediensteten, um zum einen rechtswidrige sogenannte Verdachtsberichterstattungen zu verhindern (…) und zum anderen, um Medienanfragen im Hinblick auf die Grenzen einer eventuellen Auskunftspflicht zu bewerten.“

In der Luxusschleuser-Affäre, sollen 350 vermögende Migranten aus China und dem arabischen Raum jeweils sechsstellige Summen an die Schleuser gezahlt haben. Dabei handelte es sich um das Eintrittsgeld, damit die Bande laut Staatsanwaltschaft im Gegenzug in den Kreisen Düren und Rhein-Erft, den Städten Kerpen und Solingen, mit falschen Angaben Aufenthaltstitel erschleichen konnte.

Auch Solingens OB Kurzbach beantragte Geld für Anwaltkosten

Der mutmaßliche Boss der Schleuser-Connection, der Kölner Anwalt Claus Brockhaus, will nach eigener Aussage dabei zahlreiche Kontakte in die Chefetagen der jeweiligen Kreis- und Stadtverwaltung für seine Zwecke benutzt haben. Auch soll er einflussreiche Politiker geschmiert haben. Ferner soll Brockhaus im August 2020 mit einer Spende von 8000 Euro für die Wahl zum Kreistag einen überregional bekannten Politiker aus dem Rhein-Erft-Kreis bei Laune gehalten haben. Später soll der einstige CDU-Grande dem Schleuserchef behilflich gewesen sein, einige Hindernisse bei der Bewilligung von Aufenthaltstiteln aus dem Weg zu räumen. Sein Verteidiger Frank Langen bestreitet die Anschuldigungen.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ kennt auch hier den Namen des Tatverdächtigen, gegen den die Staatsanwaltschaft seit Jahren wegen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens ermittelt. Allerdings bezahlt auch der CDU-Mann einen teuren Anwalt, der den Medien presserechtliche Schritte androht, sollte sein Mandant identifizierbar sein. Die Justiziare dieser Zeitung haben den Fall sorgsam geprüft und sich dafür ausgesprochen, den Namen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu nennen.

Unklar bleibt bisher, welche Summen die Landkreise oder Städte in der Affäre für Strafverteidiger ausgeben. Da ist etwa der noch amtierende Oberbürgermeister Tim Kurzbach. Ebenfalls als Beschuldigter im Luxusschleuserfall geführt, beantragte der SPD-Politiker 2024 zunächst, dass die Stadt seine Anwaltskosten von mehr als 200.000 Euro zahlen sollte. Erst nachdem diese Zeitung eine Medienanfrage stellte, zog Kurzbach zurück. Dabei hatte die Verwaltungsspitze bereits beschlossen, ihrem Stadtoberhaupt zumindest die Hälfte des geforderten Betrags zu überweisen.

Nur eine Zunft profitiert

In Solingen und Frechen musste sich der „Kölner Stadt-Anzeiger“ ebenfalls mit Medienanwälten auseinandersetzen, die reiche Unternehmer vertreten. Die Geschäftsleute gelten laut Staatsanwaltschaft als Führungsfiguren in dem Schleuserzirkel. So sollen die Solinger Konzerninhaber chinesische Migranten mit Investments in Immobilienmodelle abgezockt haben. Ein Frechener Geschäftsmann soll auch im Geldwäscheverfahren rund um das Kölner Großbordell „Pascha“ mitmischen. Die drei Beschuldigten bestreiten den Tatverdacht. Vom Schleuserverfahren profitiert bisher nur eine Zunft: die Anwälte.