Der neue NRW-Bahnchef Jens Gräfer wird in den kommenden Jahren vor allem Interessenskonflikte wegen der vielen Baustellen ausgleichen müssen.
NRW-Bahnchef: Jens Gräfer folgt auf Werner LübberinkAuf den Neuen warten viele Baustellen


Bauarbeiter am Kölner Hauptbahnhof verlängern bei der Sperrung im November einen Bahnsteig. Foto: dpa
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Ob der neue NRW-Bahnchef Jens Gräfer sich diesen Service seines Vorgängers noch leisten kann, Landesverkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) anzurufen und über Großstörungen persönlich zu informieren, dürfte angesichts von 30 Großbaustellen, zwei Grundsanierungen und mehr als 1000 kleineren Baumaßnahmen, die allein 2026 im bevölkerungsreichsten Bundesland anstehen, unwahrscheinlich sein.
Mit dieser Anekdote konnte der Verkehrsminister bei der Verabschiedung von Gräfers Vorgänger Werner Lübberink aufwarten, der nach fast 30 Jahren bei der Deutschen Bahn, von denen er die letzten neun als Chef in NRW verbrachte, in den Ruhestand geht. Der 66-Jährige habe mehrfach zum Telefon gegriffen, um ihn auf den neuesten Stand des Betriebs zu bringen, so Krischer.
Den vermutlich letzten Wutausbruch vor der Rente hat sich Lübberink noch Anfang November eingefangen, als die DB InfraGo gerade mal 48 Stunden vor der zehntägigen Sperrung des Kölner Hauptbahnhofs kleinlaut einräumen musste, man werde es nicht schaffen, diesen an das neue Stellwerk anzuschließen und deshalb im neuen Jahr nochmal sperren müssen. Sogar der nicht gerade als Bahnnutzer bekannte Hendrik Wüst platzte deshalb der Kragen. Er habe manchmal den Eindruck, so der Ministerpräsident, die Bahn mache das zum ersten Mal.
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Alter und neuer NRW-Bahnchef: Werner Lübberink und Jens Gräfer (rechts)
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Bei Lübberinks Verabschiedung im Landtag schlug Wüst aber versöhnliche Töne an. Der Konzernbevollmächtigte habe „in den vergangenen 30 Jahren lösungsorientiert und zupackend die Bahn vorangebracht und sei immer eine verlässliche Stimme für die Schiene in NRW gewesen. Konsequent hat er sich den Herausforderungen gestellt und daran gearbeitet, das Bahnfahren attraktiver zu machen.“
Zu Lübberinks erfolgreichsten Projekten zählen die Inbetriebnahme des ICE-Werks in Köln und der Rhein-Ruhr-Express, dessen Endausbau sich zwar verzögern wird, dessen Vorlaufbetrieb aber schon jetzt das Rückgrat des Regionalverkehrs in NRW bildet.
Ein Urgestein geht. Sein Nachfolger Jens Gräfer bringt neben 19 Jahren Bahnerfahrung vor allem eine Eigenschaft mit: Der promovierte Jurist ist in dem weitverzweigten Staatskonzern gut vernetzt. Das dürfte die mit Abstand wichtigste Voraussetzung für den Job in NRW in den kommenden Jahren sein.
Interessenskonflikte moderieren
Die Interessenskonflikte innerhalb der DB – eine Gesellschaft namens DB InfraGo will bauen und sanieren, der Fernverkehr will möglichst pünktlich fahren und der Regional- und S-Bahnverkehr deshalb nicht auf der Strecke bleiben – sind nicht die einzigen, die Gräfer moderieren und klären muss.
Auch in der Außenwirkung sind Fingerspitzengefühl und Diplomatie gefragt. So erwartet die neue Bahnchefin Evelyn Palla vor allem ein besseres Baustellenmanagement. Die Zeiten, als DB InfraGo Bauprojekte kurzfristig absagte und teilweise sogar die Übersicht verloren und auf den Umleitungsstrecken parallel gewerkelt hat, sollen so schnell wie möglich der Vergangenheit angehören. Gräfer habe „umfangreiche Erfahrungen in der politischen Begleitung von Projekten“, heißt es bahnintern. Für die Pendler in NRW sind das nicht mehr als Vorschusslorbeeren. Den Praxistest muss der Gütersloher erst noch bestehen.
