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NRW-SPD-Chef Achim Post„Wir brauchen ein AfD-Verbotsverfahren - jetzt!“

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Achim Post, Vorsitzender der NRW-SPD, war zu Gast beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ und ist im Porträt zu sehen.

Achim Post, Vorsitzender der NRW-SPD, war zu Gast beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zur Wehrpflichtdebatte sagt er: „Wir setzen uns für die Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes ein. Überzeugen statt verpflichten – das ist der richtige Ansatz.“

Am 29. Juni kommt die SPD in Berlin zu ihrem Bundesparteitag zusammen. Achim Post, der Chef der NRW-SPD, erwartet wichtige Weichenstellungen. Es geht um das AfD-Verbotsverfahren und den Umgang mit dem Manifest zur Russlandpolitik. 

Herr Post, welche Rolle wird das umstrittene Manifest zum Umgang mit Russland beim Bundesparteitag spielen?

Das ist schwer zu sagen. Ein Antrag der Initiatoren, über den abgestimmt werden könnte, liegt nicht vor und ist wohl auch nicht beabsichtigt. Nach den Debatten in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung des Manifests scheint klar zu sein, dass es für einen solchen Antrag auch keine Mehrheit gäbe.

Aber der Wunsch, im Ukraine-Krieg mehr auf Diplomatie zu setzen, trifft den Nerv von vielen Menschen, nicht nur in der SPD.

Ja, Diplomatie ist natürlich ein wichtiger Strang, um den Krieg zu beenden. Olaf Scholz hat als Bundeskanzler immer wieder versucht, auch diplomatische Möglichkeiten zu nutzen. Was das angeht, werden im Manifest ja auch keine neuen Ideen entwickelt.

Glauben Sie, dass eine Annäherung an Russland möglich ist, solange Putin im Amt ist?

Das kann ich nicht völlig ausschließen, aber halte es für unwahrscheinlich. Man sollte auch nicht glauben, dass ohne Putin alles besser wird. Es gibt dort keine wirkliche demokratische Opposition und keine fairen Wahlen. Die Vorstellung, dass die Ukraine, das Baltikum und Belarus zu Russland gehören, ist bei der politischen Elite in Moskau tief verwurzelt.

Das Manifest fordert eine Rückbesinnung auf die Grundsätze der Ostpolitik von Willy Brandt. Teilen Sie die Einschätzung, dass es eine Analogie zwischen der aktuellen Lage in Europa und der Situation in den 1970er Jahren gibt?

Die Analogie sehe ich nicht. In den 1970er Jahren gab es keinen Angriffskrieg, der von Russland angezettelt wurde.

Können Sie sich erklären, wieso die Initiatoren des Manifests dieses Faktum ausblenden?

Viele Unterzeichner sind in einem Alter, indem sie die Politik von Willy Brandt und dessen Nachwirkungen als Zeitzeugen miterlebt haben. Das war zweifelsohne eine historische Erfolgsgeschichte – ich glaube nur nicht, dass man sie derart auf die Gegenwart übertragen kann.

Die Initiatoren des Manifests werden von Kritikern als „Putin-Versteher“ bezeichnet. Wie groß ist der Image-Schaden, den die Debatte für die SPD ausgelöst hat?

Mit dieser Bezeichnung will man den Debattenbeitrag von vorneherein delegitimieren. Das ist nicht meine Art.

Die Bundesregierung will die Bundeswehr wieder zu einer Armee mit Abschreckungscharakter aufbauen. Wie könnte nach Ihrer Auffassung die Rückkehr der Wehrpflicht organisiert werden?

Wir setzen uns für die Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes ein. Überzeugen statt verpflichten – das ist der richtige Ansatz. Damit das Projekt Erfolg hat, muss die Bundeswehr attraktiver werden. Früher konnte man beim Bund seinen Lkw-Führerschein machen, sowas reicht heute nicht mehr als Benefit aus. Ich kann mir vorstellen, dass die Bundeswehr sich stärker als Anbieter von Berufsausbildungen profiliert. Da sehe ich große Chancen, die bislang nicht stark genug genutzt werden.

Die Bundeswehr verfügt in NRW nur noch über ein Panzerbataillon in Augustdorf, das jetzt aber nach Litauen verlegt werden soll. Muss der Abzug kompensiert werden?

Man kann ja nicht Dinge ausleihen, ohne für einen Ersatz zu sorgen. Das gilt auch für die Bundeswehr. Material, das wir liefern, muss nachbeschafft werden. Und Augustdorf wird als Bundeswehrstandort gerade in der Zeitenwende auch in Zukunft benötigt.

Der Bund will auch den Zivilschutz verbessern – braucht es neue Schutzbunker in NRW?

Ja, es wäre unehrlich zu sagen, dass wir nicht wieder mehr in den Zivilschutz und auch in Schutzeinrichtungen investieren müssen. Für die Finanzierung könnten Mittel aus dem Infrastrukturpaket der Bundesregierung verwendet werden.

Kaum im Amt ist die Bundesregierung außenpolitisch noch stärker gefordert als erwartet. Wie bewerten Sie das Auftreten des Bundeskanzlers auf der internationalen Bühne?

Olaf Scholz hat als Bundeskanzler auf dem internationalen Parkett einen guten Job gemacht, und Friedrich Merz probiert diese Arbeit fortzusetzen. Kontinuität ist eine Stärke in unserer Außenpolitik.

Achim Post (2.v.l.) und Sarah Philipp (2. v.r.) sind die Landesvorsitzenden der NRW-SPD. Sie stehen mit anderen Politikern auf einer Bühne und halten Blumensträuße in der Hand nach ihrer Wiederwahl.

Achim Post (2.v.l.) und Sarah Philipp (2. v.r.) sind die Landesvorsitzenden der NRW-SPD.

Die Duisburgerin Bärbel Bas soll zur Bundesparteichefin gewählt werden. Kann die Personalie der angeschlagenen NRW-SPD zu einem Comeback verhelfen?

Ich bin glücklich mit der Entscheidung. Bärbel Bas ist als Ministerin für Arbeit und Soziales eine Idealbesetzung, und es ist gut für NRW, wenn sie jetzt zusammen mit Lars Klingbeil für den Parteivorsitz kandidiert. NRW ist in der Parteispitze stark vertreten. Das wird dabei helfen, dass die NRW-SPD Schritt für Schritt weiter nach oben kommt. Wir haben derzeit rund 4000 Kommunalmandate. Ich gehe fest davon aus, dass wir unsere Position bei den Kommunalwahlen ausbauen und dass es 2027 bei den Landtagswahlen ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben wird.

Wie oft haben Sie schon darüber nachgedacht, ob Bärbel Bas Spitzenkandidatin der NRW-SPD bei den Landtagwahlen 2027 werden sollte?

Es steht außer Frage, dass Bärbel Bas eine hervorragende Kandidatin wäre. Aber wir sind breit aufgestellt. Die Entscheidung steht jetzt noch nicht an. Wir fokussieren uns auf die Kommunalwahlen. Unser Anspruch in Köln ist, mit Torsten Burmester den OB-Posten für die SPD zurückzuholen.

Bärbel Bas ist Bundesministerin. Wäre es nicht ein Rückschritt, in NRW als Ministerpräsidentin zu kandidieren?

Nein, da sehe ich kein Machtgefälle. NRW zu regieren, hat nicht nur für die SPD einen hohen Symbolwert. Deswegen ist die Spitzenkandidatur im größten Bundesland sicher auch für Bundespolitiker eine reizvolle und attraktive Herausforderung.

Erschwert es die Oppositionsarbeit in Düsseldorf, wenn die SPD in Berlin mitregiert?

Nein, die Konstellation im Bund trifft ja nicht zuerst uns, sondern vor allem die CDU. Wüst hat bei Problemen immer wieder mit dem Finger nach Berlin gezeigt. Das funktioniert jetzt nicht mehr.

Jochen Ott bezeichnet Hendrik Wüst als den „freundlichen Herrn Tutnix“. Wie erklären Sie sich die Beliebtheit des Ministerpräsidenten, wenn Wüst so schlecht arbeitet, wie die SPD behauptet?

Die Menschen in NRW wollen einen Ministerpräsidenten, der handelt, statt schweigt. Wenn Wüst das nicht tut, sind wir gerne bereit, zu übernehmen. NRW braucht eine Regierung, die Verantwortung übernimmt, besonders für die Familien, die den Laden am Laufen halten. Hendrik Wüst ist abwesend – bei drohenden Jobverlusten in der Industrie, beim massiven Unterrichtsausfall an Schulen und bei explodierenden Stauzeiten. Gute Wohnungen sind vielerorts unbezahlbar. Das gilt erst recht für den Kauf eines Eigenheims. Schwarz-Grün lässt Gestaltungsspielräume ungenutzt.

Achim Post gestikulierend im Gespräch

Achim Post im Gespräch zur Wohndebatte: „Wir brauchen mehr Wohnungsbaugesellschaften in öffentlicher Hand.“

Was meinen Sie?

Wir brauchen mehr Wohnungsbaugesellschaften in öffentlicher Hand. Früher war es einem Busfahrer möglich, ein kleines Haus für seine Familie zu kaufen. In den großen Städten ist das mittlerweile auch für Doppelverdiener kaum noch möglich. Deswegen haben wir so viele Pendlerinnen und Pendler wie kein anderes Bundesland. Bei dieser Entwicklung müssen wir stärker gegensteuern.

Deutschland diskutiert über eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro. Macht es Sinn, die Einkommen z.B. in der Gastronomie weiter zu erhöhen, wenn eine Pizza Margarita am Ende 20 Euro kostet?

Ein Mindestlohn von 15 Euro ist nötig, um die drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen. Für viele Geringverdiener geht es ums Existenzminimum. Wer das ignoriert, riskiert politischen Frust – das haben wir in den USA gesehen. Preissteigerungen, etwa in der Gastronomie, sollen durch die geplante Mehrwertsteuersenkung ab 2026 abgefedert werden. Ich erwarte, dass die Mindestlohnkommission Ende des Monats geschlossen entscheidet und die Erhöhung auf den Weg bringt.

Der Verfassungsschutz hat Belege dafür zusammengetragen, dass die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ zu werten ist. Ist es Zeit, die Zurückhaltung gegenüber einem Verbotsantrag aufzugeben?

Ja, diese Einstufung muss jetzt Konsequenzen haben. Der Rechtsstaat darf nicht länger mit einem Verbotsantrag zögern, denn die AfD greift die Grundwerte der Demokratie an. Ein Parteienverbot ist das schärfste Schwert des Rechtsstaates zum Schutz der freiheitlichen Grundordnung und kommt daher nur selten zum Einsatz. Das Verfahren wird juristisch, nicht politisch geführt. Wir brauchen jetzt eine breite demokratische Legitimation für ein AfD-Verbotsverfahren. Die NRW-SPD hat sich für ein Verbotsverfahren auf dem Landesparteitag im Mai ausgesprochen. Auch der Bundesparteitag wird einen entsprechenden Antrag beraten.

Besteht nicht aber die große Gefahr, dass die AfD durch einen Verbotsantrag noch stärker wird?

Die Angst vor der Agitation der AfD darf für uns nicht handlungsleitend sein. Neben den juristischen Schritten werden wir die AfD ja weiterhin politisch bekämpfen. Eine gute Politik der Bundesregierung wird einen erheblichen Beitrag dazu leisten können, dass die AfD an Zustimmung verliert. Bei der letzten Landtagswahl hatte die AfD in NRW 5,4 Prozent. Wir haben den Auftrag, das Vertrauen ehemaliger Stammwähler zurückzugewinnen.