Der Landesrechnungshof fordert die schwarz-grüne Landesregierung auf, endlich alle Aufgaben auf den Prüfstand zu stellen.
Rekordschulden drohen„Der NRW-Haushalt 2026 steht auf tönernen Füßen“

Kräne und Baufahrzeuge an der Bahn-Baustelle im Bereich Bahnhof Voerde. Die rund 73 Kilometer lange Strecke von Oberhausen nach Emmerich ist ein Stück des europäischen Güterverkehrskorridors von Rotterdam bis Genua. Der Landesrechnungshof warnt davor, Geld aus dem Sondervermögen Infrastruktur zum Haushaltsausgleich einzusetzen. Foto: dpa
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Schrumpfende Steuereinnahmen, explodierende Ausgaben. Die finanzielle Lage des Landes verschlechtert sich zusehends. Die Präsidentin des Landesrechnungshofs warnt die Landesregierung, der Verlockung zu erliegen und noch mehr Schulden zu machen.
Die Neuregelung der Schuldenbremse im Grundgesetz hätte weitreichende Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte der Länder, sagte Brigitte Mandt bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts in Düsseldorf. „Die jetzt auch für NRW bestehende Möglichkeit, sich jährlich strukturell neu zu verschulden, darf nicht den Willen der Landesregierung und des Haushaltsgesetzgebers zur dringend erforderlichen Konsolidierung erlahmen lassen.“
Verlockungen durch Neuregelung der Schuldenbremse
Ab dem Haushaltsjahr 2025 dürfen sich auch die Länder jährlich mit 0,35 Prozent des nominalen Bruttosozialprodukts verschulden. Danach könnte die Landesregierung für das Jahr 2025 Kredite für mehr als 3,2 Milliarden Euro ohne Tilgungsregelung aufnehmen.
Der Schuldenstand von NRW ist zwar Ende 2024 erstmals seit 2019 wieder gesunken. Er liegt aber mit rund 162,9 Milliarden Euro nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. „Wenn jetzt noch weitere Schulden aufgenommen werden, folgen daraus zusätzliche Haushaltsbelastungen durch Zinsausgaben, die auch künftige Generationen zahlen müssen“, so die Präsidentin „Die neue Verschuldungsmöglichkeit käme damit einer ‚giftigen Versuchung‘ gleich.“
Ein Minus von 6,2 Milliarden Euro bei den NRW-Steuereinnahmen
Für künftige Haushaltsjahre zeichnet sich ab, dass es deutlich schwieriger als bisher wird, einen Haushaltsausgleich herbeizuführen. Nach der aktuellen Mai-Steuerschätzung muss das Land für 2026 bis 2028 mit insgesamt 6,2 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als bisher geplant rechnen. Zugleich werden die Ausgaben steigen – vor allem beim Personal, beim Schuldendienst und durch die anteilige Übernahme kommunaler Altschulden.
Das Land hatte sich verpflichtet, ab 2025 eine Altschulden-Regelung für hoch verschuldete Kommunen in NRW einzuführen, die aus eigener Kraft sonst nie mehr auf die Beine kämen. Dafür sind jährlich 250 Millionen Euro vorgesehen – über eine Laufzeit von 30 Jahren. Völlig offen ist, ob der Bund sich an dieser Regelung in gleichem Maße beteiligen wird.
Bereits in den letzten Jahren konnte in NRW ein Haushaltsausgleich nur durch den Einsatz außerordentlicher Einnahmen wie den Restbeständen der Sondervermögen herbeigeführt werden. Diese Mittel stünden dem Land nicht unbegrenzt zur Verfügung.
NRW-Haushalt: Erhebliche Deckungslücke
Die Prüfer haben das Zahlenwerk um diese Sondereffekte bereinigt, um die Brisanz der Lage zu verdeutlichen. Das Ergebnis: Ohne Corona-Rettungsschirm und Co. wären Ausgaben des Lands zwischen 2020 und 2024 um 26,1 Prozent gestiegen. Rechnet man die Plandaten fürs laufende Jahr noch hinzu, sind es sogar 31 Prozent.
„In seiner Finanzplanung 2024 bis 2028 hat das Ministerium der Finanzen ab 2026 globale Mehreinnahmen von jährlich mehr als 5,5 Milliarden veranschlagt – eine Größenordnung, die der Landeshaushalt bisher nicht kannte und bei denen das Ministerium selbst noch Klärungsbedarf sieht“, sagte Brigitte Mandt. „Wir befürchten hier eine erhebliche Deckungslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben – die Planung steht damit auf tönernen Füßen.“
Bei globalen Mehreinnahmen ist im Haushaltsplan steht nicht fest, wo und inwieweit sie konkret erwirtschaftet werden. „Das Ziel, einen strukturell tragfähigen Haushalt aufzustellen, muss weiterhin zentrales Anliegen des haushaltspolitischen Handelns sein“, betonte die Präsidentin.
Alle Aufgaben auf den Prüfstand
Die neue Möglichkeit, sich jedes Jahr strukturell neu zu verschulden, sollte erst in Anspruch genommen werden, wenn die vom Landesrechnungshof seit langem geforderte Aufgaben- und Ausgabenkritik mit einem Aufgabenscreening durchgeführt und Nachrangigkeiten festgelegt worden sind.
„Eine durchgreifende Haushaltskonsolidierung kann nur gelingen, wenn das Land nicht nur seine Schwerpunkte benennt, sondern auch bereit ist, sich von Aufgaben- und Ausgabenfeldern zu lösen oder sie zumindest nicht mehr im bisherigen Umfang zu bedienen“, sagte Mandt.

Brigitte Mandt, Präsidentin des Landesrechnungshofs von Nordrhein-Westfalen, stellt im Landtag den Jahresbericht vor. Foto: dpa
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Dazu bedarf es politischer Entscheidungen, die von der Landesregierung und dem Haushaltsgesetzgeber getroffen werden müssen. Zur Unterstützung wird ein Konsolidierungsplan empfohlen. Mit ihm soll die Transparenz der Entscheidungen sichergestellt und der zeitliche Rahmen zur Umsetzung der einzelnen Konsolidierungsschritte festgelegt werden.
Das Streichen von Aufgaben müsse zwingend auch zu einem Abbau oder eine Umschichtung von Personal einhergehen. Bei Aufgaben, von denen die Politik sagt, sie seien unverzichtbar, müsse geprüft werden, ob sie preiswerter erledigt werden können, heißt es in dem Bericht.
Erst im Anschluss an diesen Prozess sollte die strukturelle Neuverschuldung genutzt werden - und das auch nur im unbedingt erforderlichen Umfang.
Konsolidierung muss Vorrang haben
„Keinesfalls darf sie als gesetzter Einnahmeposten zum Haushaltsausgleich angesehen werden. Sie sollte nur für zusätzliche Investitionen werden“, sagte Mandt. „Unabhängig davon gilt: Die im Haushalt vorhandenen Mittel müssen sparsam und wirtschaftlich genutzt werden. Dazu ist jeder Mitarbeitende in den Ressorts und in jeder Verwaltungseinheit aufgefordert, sich der Verantwortung beim Umgang mit finanziellen Ressourcen des Landes bewusst zu werden.“
Die Rechnungsprüfer warnen auch davor, den Anteil des Landes am Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen, der für NRW mit rund 21,1 Milliarden Euro bis ins Jahr 2036 beziffert wird, zum Stopfen von Finanzlöchern zu nutzen. Das Geld müsse ausschließlich in zusätzliche Investitionen für die Infrastruktur fließen.