Kölner Politiker im RennenDie NRW-SPD sucht das Führungsteam, um Wüst zu schlagen

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Eine Passantin geht an der Zentrale der SPD-Nordrhein-Westfalen vorbei. Die großen Parteien CDU und SPD in Nordrhein-Westfalen verlieren weiter Tausende Mitglieder. Die SPD NRW schrumpfte 2022 um rund 4000 Mitglieder und zählte Ende des Jahres noch etwa 91.000 Genossen und Genossinnen mit Parteibuch. Die CDU hatte Ende 2022 noch 113 220 Mitglieder - ein Verlust von 2780 Mitgliedern (minus 2,4 Prozent) im Verlauf des Jahres. +++ dpa-Bildfunk +++

Zentrale der SPD Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf

Nach dem Rückzug von Thomas Kutschaty steht die NRW-SPD vor eine Neuanfang. Welche Politikerinnen und Politiker könnten die Partei wieder auf den Erfolgskurs bringen? Eine Analyse.

Ein Jahr nach der verlorenen Landtagwahl ist die NRW-SPD in Umfragen auf 20 Prozent abgerutscht. Nach dem Rückzug von Noch-Parteichef Thomas Kutschaty will die Partei bei einem Konvent in Münster am Wochenende über eine inhaltliche Neuaufstellung debattieren. Klar ist, dass hinter den Kulissen auch über Personalfragen gesprochen wird. „Wenn wir die Trendwende hinbekommen wollen, müssen die drei Kraftzentren der Partei eng miteinander verzahnt werden“, sagte ein Mitglied des Landesvorstands dem „Kölner Stadt-Anzeiger.“

NRW-SPD: „Müssen alte Denkmuster über Bord werfen“

Die drei Kraftzentren – das sind die Landtagsfraktion, die Familie der Kommunalpolitiker und die Landesgruppe der NRW-Abgeordneten im Bundestag. „Die Partei steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte“, heißt es. „Jetzt gilt es, mit den stärksten Persönlichkeit Flagge zu zeigen. Wegducken gilt nicht. Wir müssen alte Denkmuster bei der Besetzung von Spitzenposten über Bord werfen.“

Während die Partei erst nach den Sommerferien über die neue Spitze befinden will, wird die Landtagsfraktion bereits am 23. Mai über die Nachfolge von Thomas Kutschaty als Fraktionschef abstimmen. Hier könnte es zu einer Kampfabstimmung kommen.

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Kraftzentrum 1: Die Landtagsfraktion

Der erfahrene Haudegen: Jochen Ott Der frühere OB-Kandidat aus Köln verfügt als Schulexperte über wichtige Expertise auf einem zentralen Handlungsfeld der Landespolitik. Er ist ein guter Redner und beherrscht alle Instrumente, mit denen man den politischen Gegner unter Druck setzen kann. Die Chefrolle in der Fraktion würde sein Lebenswerk krönen – Ambitionen auf eine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl werden ihm nicht nachgesagt.

Der smarte Gentleman: Sven Wolf Sven Wolf trägt stets einen Anzug und hat das Auftreten eines Ministers. Hätte die NRW-SPD eine Regierung bilden können, hätte sich der Jurist aus Remscheid wohl aussuchen können, ob er das Innen- oder das Justizressort leiten wollen würde. Wie Ott gehört auch Wolf dem „Team Attacke“ an. Der smarte Gentleman eckt intern nicht an und verfügt über viele Unterstützer in der Fraktion.

Kraftzentrum 2: Die kommunalpolitische Familie

Der beliebte Strukturwandler: Thomas Eiskirch Bochum wurde vom Strukturwandel schwer gebeutelt, muss den Abzug von Opel und Nokia verkraften. OB Thomas Eiskirch hat die schwere Aufgabe, den Strukturwandel zu gestalten. Die Wähler trauen dem beliebten Stadtchef diesen Herkules-Job zu. Eiskirch war vor seinem Wechsel auf den OB-Sessel wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und ist in Düsseldorf gut verdrahtet. Er hätte den Auftritt und das Format eines SPD-Spitzenkandidaten.

Der vernetzte Joker: Frank Meyer Den gut vernetzten Frank Meyer haben bislang noch wenige Beobachter auf der Rechnung. Der Oberbürgermeister von Krefeld könnte aber im zukünftigen Führungsteam eine wichtige Rolle spielen. Meyer ist der Vorsitzende der einflussreichen Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) in NRW. Sollte sich Eiskirch zieren, einen Spitzenjob in der Partei zu übernehmen, wäre Meyer ein satisfaktionsfähiger Vertreter der „Kommunalos“ in der künftigen Führungsriege.

Der stärkste Mann in der NRW-SPD: Marc Herter Als Chef der mitgliederstärksten Region Westliches Westfalen wäre Marc Herter der geborene Nachfolger von Thomas Kutschaty. Er hat bei seinem Sieg bei den OB-Wahlen in Hamm den langjährigen Amtsinhaber der CDU mit einem spektakulären Wahlkampf aus dem Amt gekickt, indem er versprach, Hamm zur familienfreundlichsten Stadt in Deutschland zu machen. Herter hat die Führung der NRW-SPD bislang nur kommissarisch übernommen, lässt weitere Ambitionen aber offen. In der Partei hoffen viele, dass er Verantwortung übernehmen wird.

Kraftzentrum Nummer 3: Die Bundespolitik

Die gefährlichste Waffe der NRW-SPD: Bärbel Bas Die Duisburgerin Bärbel Bas ist die Präsidentin den Deutschen Bundestags. In der NRW-SPD hoffen viele, dass sie sich für die Rettungsmission der Landespartei gewinnen lässt. Sie ist prominent, beliebt und trifft den Ton, mit dem sich abgewanderte Wähler zurückgewinnen ließen. Ein großer Vorteil: Bas würde auch nach einer möglichen Abwahl der SPD aus der Bundesregierung einen Posten im Präsidium des Bundestags behalten und gilt als „unsinkbar“. Träte sie als Spitzenkandidatin an, könnte es für NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gefährlich werden.

Wenn alle Stricke reißen: Svenja Schulze In der Bundesregierung wurde sie zwar von der Umweltministerin zur Chefin des Entwicklungshilferessorts degradiert – aber in NRW glauben viele Genossen noch an Svenja Schulze. Die gebürtige Düsseldorferin wurde einst von Hannelore Kraft entdeckt und kennt die Landespartei, weil sie von 2017 bis 2018 Generalsekretärin war. Wenn andere Varianten scheitern, könnte Schulze auf den Schild gehoben werden. Sie selbst traut sich den Job jedenfalls zu.

Die junge Alternative: Jessica Rosenthal Jessica Rosenthal ist seit 2021 Bundesvorsitzende der Jusos. Die Politikerin aus Bonn stünde für die personelle Erneuerung der NRW-SPD. Sie zur Spitzenkandidatin zu küren, wäre ein Signal für die Erneuerung. Aber die 30-Jährige hat noch alle Zeit der Welt darüber zu entscheiden, welchen Karriereweg sie einschlagen will.

Die NRW-SPD wird bei einem außerordentlichen Landesparteitag am 26. August über das neue Führungspersonal entschieden. Dann soll auch das neue „Mission-Statement“, die Kernbotschaft der Partei, beschlossen werden. Johannes Rau sei mit dem Slogan „Versöhnen statt Spalten“ erfolgreich gewesen. Darunter könne man sich etwas vorstellen, hieß es. 2017 stand die Kampagne unter der Überschrift „#NRW“.

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