Wohlfahrtspflege schlägt Alarm1000 Kitas in NRW von Insolvenz bedroht

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In der Garderobe in einer Kindertagesstätte (Kita) hängen Kinderjacken.

In der Garderobe in einer Kindertagesstätte (Kita) hängen Kinderjacken.

Eingeschränkte Betreuungsangebote in Kitas und im Ganztag wirbeln den Alltag von  Kita- und Schulkindern in NRW durcheinander. Vielen Trägern geht das Geld aus

In NRW sind rund 1000 Kitas der Freien Wohlfahrtspflege von Schließungen bedroht. Das erklärte Landesgeschäftsführer Christian Woltering am Montag vor Journalisten in Düsseldorf. Ursache ist die Unterfinanzierung der Einrichtungen. „Den Trägern fehlen insgesamt rund 400 Millionen Euro, um die Mitarbeiter zu bezahlen. Durch den Tarifabschluss für den Öffentlichen Dienst müssen sie jedem Beschäftigen einmalig 3000 Euro zahlen. Viele Einrichtungen stehen jetzt vor der Insolvenz. Uns steht das Wasser bis zum Hals.“

Kitas müssen in Vorleistung gehen

Bislang müssen die Kitas für ihre Kosten 18 Monate in Vorleistung gehen, ehe Ausgleichzahlungen von Land und Kommunen erfolgen. „Bei einer Inflationsrate von zwei bis drei Prozent war das in der Vergangenheit schon nicht einfach, aber leistbar“, sagte Woltering. Bei einer Inflationsrate von zehn Prozent und mehr werde „das Delta aber einfach zu groß“.

NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) hatten den freien Trägern eine einmalige Überbrückungshilfe von 100 Millionen Euro zugesichert. Das Land will 2024 und 2025 die Pauschalen aus dem Kinderbildungs-Gesetz um fast vier Prozentpunkte auf 10 Prozent erhöhen. Die Regelung gelte aber erst ab dem August 2024, sagte Woltering. Paul habe in den Gesprächen mit Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) „nicht gut verhandelt“.

Ausfälle auch im Offenen Ganztag

Daniela Heimann, Sprecherin des Landeselternbeirat NRW, beklagte, schon jetzt sei die Betreuungssituation an den Kitas dramatisch. „Viele Einrichtungen stehen mit dem Rücken an der Wand“, sagte Heimann. Weil Fachkräfte fehlten, müssen Kinder regelmäßig morgens in der Kita abgewiesen werden. „Das wirbelt den Tagesablauf der ganzen Familie völlig durcheinander“, so die Elternvertreterin. Leidtragende seien vor allem die Mütter: „Sie geben ihre Erwerbstätigkeit auf, weil sie die Kinder selbst betreuen müssen.“

Laut NRW-Familienministerium waren im Oktober 2538 Kitas von Teilschließungen betroffen. Mangelverwaltung präge auch den Offenen Ganztag an den Schulen von NRW, kritisierte die Freie Wohlfahrtspflege. Auch dort ständen viele Jobs auf de Kippe, sagte Linda Jaskowiak, verantwortliche pädagogische Fachkraft der Offenen Ganztagsschule Horstschule in Herne (AWO Ruhr-Mitte): „Ich finde es den Eltern gegenüber absolut enttäuschend, ihnen keine klare Perspektive  aufzeigen zu können. Die Mehrheit der Eltern möchte Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können.“ Dazu gehöre natürlich auch die Offene Ganztagsbetreuung. „Das ist zermürbend für die Eltern, denen wir Stand heute noch nicht einmal sagen können, wie viele Kinder wir im neuen Schuljahr tatsächlich betreuen werden“, so Jaskowiak.

Städtetag verlangt mehr Geld

Die kommunalen Spitzenverbände in NRW fordern das Land auf, kurzfristig weitere Überbrückungshilfen für die Finanzierung der Kitas bereitzustellen. „Nach den großen Entbehrungen der Corona-Jahre brauchen Familien mehr denn je eine verlässliche Betreuung“, sagte Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages. Das Land müsse seine Überbrückungshilfe um mindestens weitere 100 Millionen Euro aufstocken.

Marcel Hafke, Familienexperte der FDP im Landtag, fordert Ministerin Paul auf, die Bildungschancen der Kinder und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. „Die Kitas sind im Anschlag, Personalmangel, Finanzielle Sorgen und Krankheitswellen lassen die Kitas nicht zur Ruhe kommen“, so der Liberale. Lisa-Kristin Kapteinat, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, erklärte, die soziale Infrastruktur habe bei Schwarz-Grün keine Priorität: „Ihr ist die Schwarze Null wichtiger.“

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