Bevor Abiturienten ein Medizinstudium antreten dürfen, müssen sie einen Eignungstest bestehen. Könnte eine solche Hürde auch für künftige Lehrer geeignet sein?
Zu viele StudienabbrecherKommt jetzt der Eignungstest für angehende Lehrer?

Viele Lehramtsstudenten brechen ihre Ausbildung ab. Nicht alles wissen von Anfang an, was auf sie zukommt.
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An nordrhein-westfälischen Schulen gibt es zu wenig Lehrpersonal - im vergangenen Jahr waren 6700 Stellen unbesetzt. Eine Ursache dafür ist, dass bundesweit mehr als 40 Prozent der Lehramtsstudenten ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen. Um das zu verhindern, wird im Düsseldorfer Landtag nächste Woche über eine Reform des Lehramtsstudiums debattiert. Die FDP beantragt, dass künftig vor Beginn der akademischen Ausbildung eine „Eignungsfeststellung“ zu absolvieren sein soll - ähnlich wie bei angehenden Ärzten der „Medizinertest“. Nicht alle sind vom Vorschlag der Liberalen begeistert.
In Finnland werden solche Eignungstests schon lange durchgeführt. Wer dort Lehrer werden will, muss nicht nur die entsprechenden Noten mitbringen, sondern sich auch einem persönlichen Gespräch stellen. Dabei geht es darum herauszufinden, ob die Probanden den komplexen Anforderungen an den Beruf mental gewachsen sind. „Wir dürfen nicht länger zuschauen, wie angehende Lehrkräfte massenhaft abspringen“, sagte Franziska Müller-Rech, schulpolitische Sprecherin der Liberalen, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es gehe darum, den Einstieg „attraktiver, realistischer und unterstützender“ zu gestalten. Ziel sei es, mehr junge Menschen für das Lehramt zu begeistern, die Abbruchquote im Studium zu senken und die Unterrichtsqualität spürbar zu steigern.
Einsatz an Brennpunktschulen schreckt oft ab - kommt aber zu spät
Bislang bemerken viele Studierende oft deutlich zu spät, dass ihnen der angestrebte Lehrerberuf doch nicht liegt. Der Einsatz zum Beispiel an Brennpunktschulen mit großen Herausforderungen wirkt abschreckend und macht eigene Defizite und Belastbarkeitsgrenzen deutlich. Die Studenten müssten Schule deshalb ab Semester eins mit Praxisphase erleben, sagt Müller-Rech. „Durch das neue Modell sollen junge Menschen schon früh im Studium erleben, was es heißt, Lehrerin oder Lehrer zu sein – mit realen Erfahrungen im Klassenzimmer und enger Begleitung durch erfahrene Mentorinnen und Mentoren.“
Rückenwind bekommt die Initiative für eine Reform der Lehrerausbildung von der Bildungsgewerkschaft VBE. „Eine reflektierende Auseinandersetzung über die Ausbildung, das Berufsbild und die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten in der Schule vor Aufnahme des Studiums und in den ersten Semestern kann nur hilfreich sein“, sagte der Vorsitzende Stefan Behlau unserer Zeitung. Unterricht aus der Perspektive des Schülers zu erleben, sei „etwas ganz anderes als Schule professionell zu gestalten“.
Auch fachliche Tiefe dürfe nicht leiden
Auch Ayla Celik, Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, wünscht sich Maßnahmen, um die hohe Abbruch-Quote zu verringern. Nötig sei „eine frühzeitige, qualifizierte Beratung für Studieninteressierte – damit junge Menschen bewusst und reflektiert in den Lehrberuf starten“ könnten, sagt Celik. Mehr Praxis im Studium dürfe aber nicht zulasten fachlicher Tiefe gehen: „Ohne fundiertes Fachwissen ist kein guter Unterricht möglich.“
Der von der FDP geforderte Eignungstest am Anfang des Studiums stößt bei vielen Praktikern aber auch auf offene Kritik. „Ob jemand die nötige Resilienz für den Lehrerberuf besitzt, dürfte durch eine Prüfung zu Beginn des Studiums nur schwer zu ermitteln sein“, sagte ein Gymnasiallehrer aus Köln unserer Zeitung. „Psycho-Tests“ könnten eher eine abschreckende Wirkung haben.
Auch Lena Zingsheim-Zobel, Sprecherin für Schule und Bildung, der Grünen im Landtag, lehnen derlei Verfahren ab. „Wir sind gegen neue Zugangshürden und mehr Bürokratie, zum Beispiel durch Eignungstests“, sagte Zingsheim-Zobel. Ziel müsse vielmehr sein, besser Chancen für alle zu bieten, die motiviert seien, den Lehrerberuf zu ergreifen: „Deshalb schaffen wir im Rahmen des Handlungskonzepts Unterrichtsversorgung weitere Studienplätze.“
Eine bestmögliche Vorbereitung der Studenten auf den Schulalltag – das wünscht sich auch die CDU. Die Auswirkungen einer umfassenden Reform der Lehrkräfteausbildung auf Schulen und angehende Lehrkräfte in NRW seien aber „nicht zu unterschätzen“, warnte die Schulexpertin Claudia Schlottmann. NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) zeigt sich für Veränderungen in der Lehrkräfteausbildung grundsätzlich offen. Die Ministerin tausche sich mit den zentralen Akteuren „persönlich regelmäßig“ darüber aus, was verbessert werden könne. Ein Feller-Sprecher sagte: „Im Laufe des Jahres wird das Schulministerium dem Landtag einen aktuellen Bericht zur Lehrkräfteausbildung vorlegen.“