Repräsentative UmfrageKatholiken im Erzbistum Köln gegen Rückkehr von Kardinal Woelki

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Woelki-Umfrage

Köln – Köln. Die Katholiken im Erzbistum Köln sind mit überwältigender Mehrheit gegen eine Rückkehr von Kardinal Rainer Woelki ins Amt des Erzbischofs. Dies ist das zentrale Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des „Forsa“-Instituts im Auftrag des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

82 Prozent sind der Ansicht, der Papst sollte Woelki jetzt absetzen. Sogar 92 Prozent der Kirchenmitglieder meinen, Woelki hätte von sich aus Konsequenzen ziehen und zurücktreten sollen. Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln und Woelkis Umgang damit hatten zu einer schweren Vertrauens- und Führungskrise geführt, in deren Folge Papst Franziskus im September 2021 eine von Mitte Oktober bis Anfang März befristete Beurlaubung des 65-Jährigen aussprach.

Eine Wiederaufnahme der Amtsgeschäfte, die gemäß einem päpstlichen Dekret für Aschermittwoch (2. März) vorgesehen ist, befürworten nur elf Prozent der Katholiken im Erzbistum. Bei den regelmäßigen Kirchgängern liegt der Anteil mit 23 Prozent höher. Aber auch in dieser Gruppe der besonders Kirchenverbundenen sprechen sich mehr als zwei Drittel (68 Prozent) für die Abberufung ihres Erzbischofs aus. In der Gesamtbevölkerung sind es 84 Prozent, nur 8 Prozent halten Woelkis Rückkehr für richtig. In der Stadt Köln, dem Sitz des Erzbistums, fällt das Votum aller Bürgerinnen und Bürger noch eindeutiger aus: Hier sind 86 Prozent für die Absetzung Woelkis, 7 Prozent für seine Rückkehr ins Amt.

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Für die Erhebung befragte Forsa vom 14. bis 16. Februar 1510 Personen über 18 Jahren, die in den zum Erzbistum Köln gehörenden Städten und Landkreisen leben. Konfession und Kirchenverbundenheit (Kirchgang) wurden gesondert erfasst. Aufgrund der großen Stichprobe sind auch die Ergebnisse für die konfessionellen Untergruppen repräsentativ. Die statistische Fehlertoleranz liegt angesichts bei plus/minus 2,5 Prozentpunkten. (jf)

Besonders auffallend ist nach Auskunft von „Forsa“-Chef Manfred Güllner, dass sich die Positionierungen in allen Altersgruppen wie auch in den politischen Lagern kaum unterscheiden.

Eine etwaige Rückkehr Woelkis sehen – neben den Kirchgängern – nur noch diejenigen Kirchenmitglieder (katholisch und evangelisch) etwas wohlwollender, die nach eigenem Bekunden noch nie an einen Kirchenaustritt gedacht haben: Hier sprechen sich 15 Prozent zugunsten des Erzbischofs auf, 74 Prozent präferieren seine Abberufung durch den Papst.

Einen Rücktritt Woelkis aus eigenem Antrieb hätten 93 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger auf dem Gebiet des Erzbistums Köln für richtig gehalten, in der Stadt Köln sogar 97 Prozent. Das Votum der Katholikinnen und Katholiken unterscheidet sich davon mit 92 Prozent nur unwesentlich. Auch die Kirchgänger sind zu 85 Prozent der Ansicht, ein freiwilliger Amtsverzicht des Erzbischofs wäre die richtige Entscheidung gewesen.

Für veränderungsfähig oder -willig hält den Kardinal nur eine verschwindende Minderheit der Menschen – und zwar unabhängig von Konfessionszugehörigkeit oder Alter. Im Gesamt der Bevölkerung glauben 82 Prozent, Woelki werde seine grundsätzlichen theologischen und kirchenpolitischen Positionen beibehalten. Nur 7 Prozent gehen davon aus, dass er sich künftig offener für Reformbestrebungen zeigen werde. In diesem Fall sind die Katholiken und hier insbesondere die Kirchgänger noch skeptischer: 85 aller Kirchenmitglieder und sogar 87 Prozent der Kirchgänger sehen Woelki als beharrlich, was seine Positionen betrifft. 8 bzw. 9 Prozent setzen auf eine künftig größere Reformbereitschaft.

Zu mehr als zwei Dritteln plädieren die Menschen im Erzbistum für eine Beteiligung der Gläubigen an der Entscheidung über Woelkis Zukunft. Dass man die Kirchenmitglieder dazu befragen und das Ergebnis verbindlich machen sollte, halten 70 Prozent in der Gesamtbevölkerung und 78 Prozent der Kölnerinnen und Kölner für richtig.

Die Haltung der Kirchenmitglieder selbst fällt mit 67 Prozent etwas zurückhaltender aus, liegt aber immer noch auf hohem Niveau. Unter den Kirchgängern ist der Ruf nach verbindlicher Beteiligung etwas deutlicher: 70 Prozent sprechen sich für eine solche Form der Teilhabe aus.

Für die Einholung eines Meinungsbilds bei den Gläubigen, deren Votum dann aber für die Kirchenleitung nicht bindend sein sollte, sprechen sich 16 Prozent der Katholiken aus. Von den Kirchgängern befürworten nur 11 Prozent eine unverbindliche Befragung. 12 Prozent bzw. 9 Prozent lehnen eine Mitbestimmung der Gläubigen über die Zukunft des Erzbischofs ab. 5 bzw. 10 Prozent haben dazu keine Meinung.

Hinsichtlich der Zufriedenheit mit Woelkis Amtsführung in den vergangenen sieben Jahren als Erzbischof fällt das Umfrage-Ergebnis desaströs aus. Nur 6 Prozent der Katholiken gaben an, sie seien mit Woelkis Arbeit zufrieden, 90 Prozent äußerten sich weniger oder gar nicht zufrieden. In der Gesamtbevölkerung sinkt der Anteil der Zufriedenen auf 3, in der Stadt Köln sogar auf nur 1 Prozent. In der größten Stadt des Erzbistums mit dem Sitz des Erzbischofs steigt der Anteil der Unzufriedenen auf 94 Prozent.

Die Werte sind quer durch alle Altersgruppen und politischen Lager ähnlich. Auffallend ist, dass die Unzufriedenheit in der Generation der über 60-Jährigen (91 Prozent) höher ist als in den jüngeren Alterskohorten. Eine Ausnahme beim Zufriedenheitswert stellen nur die Kirchgänger da. Bei ihnen kommt Woelki hier auf 17 Prozent. Weil es unter den Kirchgängern aber keine Unentschiedenen gibt, liegt der Anteil der Unzufriedenen mit 83 Prozent auf ähnlich hohem Niveau wie im Bevölkerungsdurchschnitt (87 Prozent). 

Sollte Woelki am 2. März – entgegen dem Mehrheitsvotum der Menschen im Erzbistum – ins Amt zurückkehren, befürworten 84 Prozent der Katholiken eine Probezeit. Nur 6 Prozent sagen, Woelki sollte seine Tätigkeit dann wieder unbegrenzt fortführen können. Hiervon weicht die Meinung der Kirchgänger und der Gesamtbevölkerung (jeweils 79 Prozent) nur unwesentlich ab. Besonders ausgeprägt ist der Wunsch nach einer Art Probezeit mit einem Anteil von 95 Prozent in der Generation der 18- bis 29-Jährigen.

Als „katastrophal“ bezeichnet Forsa-Chef Güllner die erhobenen Vertrauenswerte. Mit 9 Prozent liegt der Anteil derer, die großes Vertrauen in die katholische Kirche bekunden, im traditionell katholisch geprägten Territorium des Erzbistums Köln noch um ein Viertel unter dem bundesweit gemessenen Anteil von 12 Prozent. In der Stadt Köln kommt die katholische Kirche sogar auf einen Vertrauenswert von nur mehr 6 Prozent.

Bei den Katholiken liegt der Vertrauenswert mit 20 Prozent erwartungsgemäß höher. Bemerkenswert ist aber, dass der Anteil der Katholiken im Erzbistum, die der evangelischen Kirche großes Vertrauen entgegenbringen, mit 43 Prozent mehr als doppelt so hoch ist. Selbst bei den Kirchgängern halten sich das Vertrauen zur eigenen Kirche (60 Prozent) und zur evangelischen Kirche (59 Prozent) die Waage.

Hinsichtlich der Kirchenbindung weist die Umfrage ein aus Sicht der Kirchen alarmierendes Ergebnis aus: Die Hälfte (51 Prozent) aller Mitglieder der beiden großen christlichen Kirchen haben nach eigenen Angaben schon einmal über einen Kirchenaustritt nachgedacht. Bei den Katholiken sagen dies 60 Prozent, bei den Protestanten 42 Prozent. Auch 8 Prozent der Katholiken, die regelmäßig den Gottesdienst besuchen, hatten schon einmal Austrittsgedanken. Am höchsten liegt der Anteil mit 75 Prozent bei den 18- bis 29-Jährigen, die zurzeit noch Mitglied der katholischen oder evangelischen Kirche sind. Drei Viertel der jungen Leute haben sich damit bereits mit Austrittsgedanken getragen. Nur 17 Prozent verneinen dies. Mit höherem Alter sinkt der Anteil derer, die über einen Kirchenaustritt nachgedacht haben. Am niedrigsten ist er mit 43 Prozent bei den über 60-Jährigen. Diese Altersgruppe ist im Übrigen die einzige, die mehrheitlich (53 Prozent) angibt, bislang keinen Austritt erwogen zu haben.

Von denen, die die katholische Kirche verlassen haben, sind 85 Prozent vor Bekanntwerden der Missbrauchsfälle, 15 Prozent jedoch erst wegen der Missbrauchsfälle ausgetreten. 44 Prozent der heute Konfessionslosen waren zuvor Mitglied der katholischen, 38 Prozent der evangelischen Kirche.

Reaktionen

Bistumsverwalter Rolf Steinhäuser sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger: „Die Ergebnisse der Umfrage bedrücken mich sehr. Sie spiegeln die Vertrauenskrise wider, die uns belastet.“

Es werde nicht leicht sein, „für eine größere Akzeptanz des Erzbischofs zu wirken, an Gesprächsfäden wieder anzuknüpfen und eine neue Basis für ein Miteinander zu finden“. Die Aufgabe des Erzbischofs hänge nicht an kurzfristigen Umfrageergebnissen, „aber ohne eine Grundakzeptanz wird jeder Bischof amtsbehindert sein“, sagte Steinhäuser.

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sieht in den Umfrage-Ergebnissen den Beleg, dass Woelki die „Verbindung zur katholischen Basis in seinem Erzbistum verloren“ habe. Es werde nun zentral darauf ankommen, ob er „eine erkennbar neue Haltung in der Führung der Erzdiözese zeigt“, sagte Stetter-Karp dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Vertrauen sei nicht im Handumdrehen zurückzugewinnen. „Es muss auch darüber nachgedacht werden, was passiert, wenn dies nicht gelingt.“ Stetter-Karp erklärte es zum „Lackmustest“, ob Woelki die jüngsten Beschlüsse des Reformprozesses „Synodaler Weg“aufgreife.

Dazu zählt der Ruf nach einem Wegfall der Kündigungsdrohungen im kirchlichen Arbeitsrecht gegen Beschäftigte, die als Homosexuelle heiraten oder als Geschiedene eine zweite Ehe schließen. Die Katholische Frauen-Gemeinschaft (kfd) im Erzbistum forderte, Köln solle dem Vorbild der anderen NRW-Bistümer folgen und die Bestimmungen des Arbeitsrechts sofort aussetzen. „Auch in Köln muss endlich Schluss sein mit der Kultur der Angst“, sagte kfd-Geschäftsführerin Monika Kleinefenn. Die „ungeklärte Führungslage“ dürfe nicht dazu führen, dass Köln in einer für viele existenziellen Frage hintanstehen müsse. Nicht queere oder wiederheiratete Mitarbeitende setzten die Glaubwürdigkeit der Kirche aufs Spiel. Viel eher sei der Missbrauchsskandal für den Vertrauensverlust der Kirche verantwortlich, so Kleinefenn.

Der Vorsitzende des Diözesanrats, Tim O. Kurzbach, zeigte sich ähnlich wie Stetter-Karp nicht überrascht von den Ergebnissen der Umfrage. „Sie bestätigen aber, was in den Verbänden und in den Gemeinden allen klar ist“, sagte Kurzbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im Erzbistum herrsche „über alle Strömungen, egal ob alt oder jung, eine übergroße Einigkeit, dass dieses System enden muss. So darf die Kirche nicht weiter existieren."

Deshalb gelte es jetzt, Probleme zu lösen, so der Chef der Laien-Vertretung. Dass dies nicht in einem einzigen Fall gelungen sei, bevor der Erzbischof in seine „Auszeit“ ging, erschwere das Vorhaben. „Wenn Kardinal Woelki »einfach so« wiederkommt und alle bleiben, die dieses kaputte Machtsystem stützen, dann führt dies in eine Kernschmelze unseres Erzbistums“, fügte Kurzbach hinzu.

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