„Die Linke ist nicht mehr die SED“Ex-Ministerpräsident für Öffnung der CDU zur Linken

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Wolfgang böhmer dpa

Wolfgang Böhmer (CDU) war von 2002 bis 2011 Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.

Herr Böhmer, wie sollte die thüringische CDU mit der Linken umgehen? Sollte sie sich öffnen? Oder sollte sie das mit Blick auf konservative Anhänger unterlassen?

Beides. Wenn man sich bewegt, was ich für sachlich richtig halten würde, dann muss man die eigenen Anhänger natürlich mitnehmen. Es kann keine Sprünge geben und keine Kehrtwenden um 180 Grad. Man muss aber anerkennen, dass die Linke nicht mehr die SED ist, dass sie sich verändert hat und jüngere sachbezogene Leute dabei sind, mit denen man auf kommunaler Ebene jetzt schon gemeinsam regieren könnte. Das wird ja auch schon praktiziert. Auf der Landesebene spielt natürlich die allgemeine Politik eine größere Rolle. Doch auch da können wir nicht mehr so argumentieren, wie das in den frühen 1990er-Jahren der Fall war. Politik beginnt mit der Anerkennung der Realität. Und auch die CDU muss anerkennen, dass sich die Realität, was die Linke betrifft, verändert hat.

Was würden Sie jetzt konkret tun, wenn Sie Landesvorsitzender in Thüringen wären?

Ich würde mich jetzt erstmal selbst bedauern. (Lacht) Das hilft aber nichts. Mike Mohring hat ja zugesagt, mit Bodo Ramelow zu reden. Das halte ich für richtig. Ich halte es genauso für richtig, wenn er sagt, dass eine Koalition nicht infrage kommt. Aber man kann sich auch dazwischen auf einiges einigen. Ich habe ja Zeiten erlebt, in denen die PDS im Landtag beantragt hat zu beschließen, dass zweimal zwei vier sei, und die CDU gesagt hat: „Für uns kommt das nicht infrage. Wir lehnen das ab.“ So kann man nicht weiter Politik machen. Wenn man der gleichen Meinung ist, dann sollte es keine Verweigerung geben, nur weil etwas von der Linken kommt. Aber wie gesagt: Weiter würde ich an Mohrings Stelle auch nicht gehen. Denn er muss die eigenen Leute mitnehmen.

Was Sie sagen, würde auf die Tolerierung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung hinaus laufen.

Zumindest auf das Ausschließen einer Fundamentalopposition. Wenn Mohring jetzt von einer Minderheitsregierung aus CDU, SPD, Grünen und FDP spricht, dann würde er ja auch von einer gewissen Tolerierung durch die Linke leben – wenn er was bewegen will.

Es sei denn, er spekuliert auf Unterstützung durch die AfD.

Das ist denkbar, halte ich aber für noch weniger wahrscheinlich. Die AfD ist im Moment noch nicht berechenbar.

Sie plädieren also für neue Antworten.

Man sollte auf jeden Fall nicht auf den Antworten der frühen 1990er Jahre bestehen. Die Welt hat sich bewegt. Die Linken haben sich verändert, auch die CDU hat sich verändert. Man muss dem Rechnung tragen.

Was sagen Sie zu den internen Reibereien in der Bundes-CDU? Droht ihr das gleiche Schicksal wie der SPD, der allmähliche Niedergang?

Im Moment würde ich das nicht behaupten. Aber natürlich besteht die Gefahr. Wenn Leute die Gefahr erkennen und gegensteuern, dann ist das vermeidbar.

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Wozu raten Sie, was den Konflikt zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer auf der einen Seite und Friedrich Merz mit seinen Anhängern auf der anderen Seite angeht?

Ich habe ja gehört, dass jüngere Leute in der CDU sagen, ältere Leute mit weißen Haaren sollten sich gefälligst zurücknehmen. Ich gehöre zu den Leuten mit den weißen Haaren, deren Zeit vorbei ist. Auch in Sachsen-Anhalt interessiert sich kaum noch ein CDU-Mensch für meine Meinung. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Ich weiß nicht, ob wir früher auch so waren. Aber ich halte es nicht für ausgeschlossen. Jetzt müssen die jungen Leute, die sich selbst für klüger halten, mal entscheiden. Ich finde wichtig, dass man zwischen persönlichen Emotionen und der Sache unterscheidet. Wie Frau Merkel mit Herrn Merz beim Frühstück in Wolfratshausen umgegangen ist, das war ja auch nicht die feine Art.

Inwiefern?

Sie hat damals die Kanzlerkandidatur gegen Edmund Stoibers Zusicherung getauscht, Vorsitzende der Unionsfraktion zu werden. Das sind Sachen, die man nicht vergessen kann. Aber man darf nicht Gefangener der eigenen Emotionen bleiben.

Von Markus Decker/RND

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