Beten für Trump-WahlsiegSpringer-Chef Döpfner gerät in den USA in Bedrängnis

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Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE, auf dem Zeitungskongress des BDZV.

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE, auf dem Zeitungskongress des BDZV.

Grelle Schlagzeilen gehören zum Geschäft des Springer-Konzerns. Doch die Nachrichten, die der Verlag von „Bild“ und „Welt“ derzeit in den USA produziert, dürften in der Zentrale in Berlin für wenig Freude sorgen. Gerade erst wurde bekannt, dass eine Ex-„Bild“-Mitarbeiterin das Unternehmen vor einem Gericht in Los Angeles wegen Diskriminierung und Beihilfe zur Belästigung verklagt, da berichtet die „Washington Post“ über eine E-Mail von Vorstandschef Mathias Döpfner, in der dieser zum Gebet für Ex-Präsident Donald Trump aufrief. Zweieinhalb Seiten mit vielen tief recherchierten Details und schönen Fotos räumte das renommierte Blatt am Mittwoch dem Medienmogul aus Germany ein. Schon im dritten Absatz des Porträts steckte der politische Sprengsatz.

„Wollen wir alle am 3. November morgens eine Stunde in uns gehen und beten, dass Donald Trump wieder Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird?“, soll Döpfner im Herbst 2020 ausweislich eines Screenshots der E-Mail vorgeschlagen haben. Zur Begründung führte er an, der Ex-Präsident habe sich um die „Verteidigung der freien Demokratien gegen die Diktaturen in China und Russland“, die Stärkung der Nato und die Stabilisierung der US-Wirtschaft verdient gemacht: „Mehr hat keine amerikanische Regierung der letzten 50 Jahre geschafft“, heißt es in der Nachricht, die an seinen engsten Mitarbeiterkreis gegangen sein soll.

Döpfner leugnet Mail zunächst

Für das linksliberale Amerika ist der Ex-Präsident ein rotes Tuch. Entsprechend negativ fallen die Reaktionen aus. Döpfner habe zum „Gebet für Trumps Wiederwahl“ aufgerufen, titelte die Webseite „Rolling Stone“ befremdet. „Gott Allmächtiger!“ seufzte die digitale Boulevardseite „Daily Beast“. Rasend schnell verbreitete sich die Geschichte samt böser Kommentare bei Twitter – zusammen mit dem pikanten Detail, dass Döpfner auf Nachfragen der „Washington Post“ die Existenz der E-Mail zunächst geleugnet haben soll („Die gibt es nicht“) und erst nach Präsentation des Beweisstückes einräumte: „Das bin ich.“ Allerdings sei das Statement „ironisch und provokativ“ gemeint gewesen, betonte er.

Führende Demokraten überzeugt das nicht. „Lügen machen nie einen guten Eindruck für den Boss eines Medienunternehmens“, sagte Ted Lieu, ein prominenter Kongressabgeordneter aus Kalifornien. Wenn Döpfner schon Trump-Anhänger sei, solle er zumindest dazu stehen. Sein Herumgeeiere aber sei schlicht „erbärmlich“.

Springer hat große Ambitionen

Dass die Äußerungen eines deutschen Verlegers in den USA so viel Beachtung finden, ist kein Zufall. Seit dem Sommer 2019 ist die amerikanische Beteiligungsgesellschaft KKR größter Einzelaktionär bei Springer – noch vor Friede Springer, der Witwe des Firmengründers, und dessen verlegerischem Ziehsohn Döpfner. Zudem hat der deutsche Medienkonzern im Herbst 2021 die US-Mediengruppe Politico übernommen, die einen starken Auftritt in der amerikanischen Politikberichterstattung hat.

Damit sind Springers Ambitionen noch nicht erschöpft. „Wir wollen der führende digitale Verleger in den Demokratien rund um den Globus werden“, zitiert die „Washington Post“ Vorstandschef Döpfner in ihrem detailreichen Porträt. Die jüngsten Affären wecken Zweifel an diesem selbstbewussten Auftritt.

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Die „New York Times“ hatte bereits im Oktober 2021 ein großes Sittengemälde über „Sex, Lügen und geheime Zahlungen“ bei Springer veröffentlicht. Anlass war die Me-Too-Affäre des damaligen „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt, dem Machtmissbrauch, Drogenkonsum und sexuelle Beziehungen zu Untergebenen vorgeworfen wurden. „Ein hochfliegender deutscher Mediengigant hat bei den digitalen Medien die Nase vorn, scheint aber in der Vergangenheit festzustecken, wenn es um Arbeitsplatz und Geschäftsgebaren geht“, urteilte der angesehene Medienredakteur Ben Smith.

Reichelt wurde kurz nach Erscheinen der Enthüllungsstory gefeuert. Beendet ist die Me-Too-Affäre für Springer damit aber keineswegs. Im Dezember wird vor dem Gericht in Los Angeles die Klage der früheren „Bild“-Mitarbeiterin und Ex-Geliebten öffentlich verhandelt. Unschöne Zeugenaussagen, eine hohe Schadenersatzforderung und weiterer Imageschaden drohen.

KKR hat auf Reichelt-Ablösung gedrängt

Der Großanleger KKR dürfte darüber kaum begeistert sein. Im vergangenen Herbst soll er im Hintergrund auf eine Ablösung von „Bild“-Chef Reichelt gedrängt haben. Wie die New Yorker Investoren nun Döpfners mutmaßliche Eloge auf Trump einschätzen, kann man nur mutmaßen. „Das kommentieren wir nicht“, sagte eine Unternehmenssprecherin dieser Zeitung. Ausdrücklich beklagt Döpfner in der „Washington Post“, dass die amerikanische Presse zu polarisiert geworden und die ehrwürdigen Blätter „New York Times“ und „Washington Post“ zu stark nach links gedriftet seien.

Mit „Politico“ wolle Springer nun beweisen, dass ein „unparteiischer“ Journalismus der bessere Weg sei. Ein Verleger, der für die Wiederwahl des Presse-Feindes Trump beten lässt, scheint nicht so recht zu dieser neutralen Positionierung zu passen. Möglicherweise aber ist es genau das, was Döpfner unter Ironie versteht. Der 59-Jährige betont in der „Washington Post“ seine politische Unabhängigkeit. Er sei, wird Döpfner zitiert, ein „nicht-jüdischer Zionist“ mit „liberalen Neigungen“.

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