Corona-KriseHeil „stinksauer“ auf Adidas – Unternehmen bitten um Verständnis

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(Symbolbild)

Berlin – Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat sich empört über den Stopp von Mietzahlungen für Ladengeschäfte großer Firmen geäußert. "Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel", sagte sie am Samstag in Berlin. Die Corona-Hilfsgesetze böten dafür keine Grundlage. Es gelte weiterhin: "Mieter müssen selbstverständlich ihre Miete zahlen. Falls sie tatsächlich infolge der Krise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten, kann ihnen lediglich für einen begrenzten Zeitraum nicht gekündigt werden."

Gerichte könnten überprüfen, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, fügte Lambrecht hinzu. Mieter seien gut beraten, mit ihren Vermietern nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, wenn sie tatsächlich in Zahlungsschwierigkeiten seien, sagte Lambrecht.

Arbeitsminister Heil mit Appell in TV-Sendung

Arbeitsminister Hubertus Heil wurde im TV-Talk Hart-aber-fair-Extra auf die – inzwischen teilweise revidierte – Ankündigung von großen Unternehmen wie Adidas befragt. “Ich bin stinksauer”, wütete er. “Solche Unternehmen haben Rücklagen.”

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Arbeitsminister Hubertus Heil

Das Gesetz, wonach Mietern wegen Zahlungsrückständen infolge der Pandemie drei Monate lang nicht gekündigt werden darf, solle Menschen zugute kommen, die in Zahlungsschwierigkeiten sind. Die Regelung bezieht sich auf Wohn- und Gewerbemieten und gilt zunächst bis Ende Juni.

Zuvor hatten bekannte Handelsunternehmen wegen der angeordneten Ladenschließungen die Mietzahlungen für ihre Filialen in Deutschland eingestellt. Darunter sind Handelsketten wie Deichmann und H&M sowie Markenhersteller wie Adidas. Deichmann sprach von einer “präventiven Maßnahme, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten”.

SPD-Abgeordneter verbrennt Adidas-Hemd

In den Sozialen Medien geht die Empörung noch weit über die Worte von Christine Lambrecht und Olaf Schulz hinaus. Die SPD-Politikerin Katarina Barley tweetete: “Als globaler Konzern mit 3,2 Milliarden Gewinn 2019 eine Schutzvorschrift für MieterInnen in Existenznot auszunutzen, ist schäbig.” Dazu veröffentlichte Barley ein Foto von Adidas-Schuhen - den letzten, die sie gekauft habe.

Der bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post rief auf Instagram nicht nur zum Boykott des Sportartikel-Konzerns auf, sondern veröffentlichte auch ein Video, in dem er ein mit einem Brandbeschleuniger getränktes Adidas-Hemd in einem Metalleimer verbrennt.

Adidas und Deichmann erbitten Verständnis

Der Eigentümer der größten deutschen Schuhhandelskette, Heinrich Deichmann, zeigte sich am Montag entsetzt. “Unsere Unternehmensphilosophie ist darauf ausgerichtet, den Menschen zu dienen. Dass uns jetzt unterstellt wird, wir würden uns in der Krise bereichern wollen, das trifft mich sehr hart. Das ist überhaupt nicht der Fall”, sagte er.

"Wir haben nie gesagt, dass wir keine Mieten mehr zahlen. Wir haben unsere Vermieter gebeten, unsere Mieten zu stunden", betonte der 57-Jährige und fügte hinzu: "Falls ein Vermieter nicht in der Lage ist, eine Stundung wirtschaftlich zu verkraften, werden wir ihm helfen und dann werden wir auch die Miete zahlen." Gleichzeitig ließ der Unternehmer allerdings auch keinen Zweifel daran, dass er angesichts der staatlich angeordneten Ladenschließungen Zugeständnisse der Vermieter erwartet. "Wir werden die Vermieter bitten, einen Teil der Mietschäden zu übernehmen", sagte er. Es geht immerhin um 1500 Filialen allein in Deutschland.

Stundung statt Mietaussetzung

Deichmann betonte, der Schuhhändler sei zwar grundsätzlich finanziell solide aufgestellt. Doch auch für ihn sei die Coronavirus-Krise eine Herausforderung. "Wir sind in 30 Ländern tätig. In 28 Ländern sind unsere Geschäfte geschlossen und wir können überhaupt nicht absehen, wann diese Schließungen enden. Deshalb müssen wir versuchen, unsere Mitarbeiter und ihre Arbeitsplätze zu schützen."

Ob Deichmann einen Antrag auf Staatshilfe stellen müsse, hänge davon ab, wie lange die Krise anhalte. "Wenn wir am 20. April unsere Läden wieder öffnen können, wird das nicht notwendig sein. Aber wenn die Läden jetzt drei Monate geschlossen bleiben sollten, müssten wir auch darüber nachdenken."

Rabattschlacht zur Wiedereröffnung befürchtet

Der Unternehmer befürchtet, dass selbst nach der Wiederöffnung der Läden das Geschäft eher verhalten anlaufen wird. "Wir haben das ja in China beobachtet, auch dort hat es eine Zeit gedauert, bis die Umsätze wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben." Außerdem rechnet er mit einer Rabattschlacht. "Je länger die Schließung dauert, desto weniger passt die Ware noch zur Saison. Außerdem stapelt sich ja in den Lagern die unverkaufte Ware. Dann wird man sicher sehen, dass viel reduziert wird."

Adidas-Chef Kasper Rorsted hatte sich schon am Wochenende in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" um Schadensbegrenzung bemüht. Es gehe dem Unternehmen nicht darum, die Miete für den April nicht zu bezahlen, sondern lediglich um eine Stundung, sagte er.

Auch H&M betonte am Montag, es gehe erst einmal nur um eine Aussetzung der Zahlungen, nicht darum, keine Miete zu zahlen. Der Geschäftsführer von H&M Deutschland, Thorsten Mindermann, betonte: "Unser oberstes Ziel ist es, mit all unseren Partnern, sowohl private als auch institutionelle Vermieter, jetzt schnell individuelle Lösungen für die Mieten zu finden."

(RND)

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