KommentarImpfpflicht für Pfleger könnte schlimme Auswirkungen haben

Lesezeit 2 Minuten
Neuer Inhalt

Senioren zählen nach wie vor zur Gruppe mit höchster Priorität.

  • Pfle­ge­kräfte sollen sich nach dem Willen von Bayerns Mi­nis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU) impfen lassen.
  • Ist eine Pflicht für sie sinnvoll? Ein Kommentar.

Alle politischen Entscheidungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sind kontrovers diskutiert worden – mit einer Ausnahme: Es gab von Anfang an Einigkeit darüber, dass es keine Impfpflicht geben soll.

Zu groß war und ist bei allen Verantwortlichen die Sorge, dass ein zwangsweiser körperlicher Eingriff den breiten gesellschaftlichen Konsens zerstört, die umfassende Einschränkung von Freiheitsrechten zum Schutz der gefährdeten Mitbürger zu akzeptieren.

Bislang bestand auch Einigkeit darüber, dass eine Impfpflicht durch die Hintertür – etwa durch eine Bevorzugung von Geimpften – ebenfalls den gesellschaftlichen Grundkonsens bei der Corona-Bekämpfung infrage stellt. Solange nicht jedem Bürger ein Impfangebot gemacht werden kann, darf es deshalb keinerlei Privilegien geben. Es mag widersinnig klingen, auch Geimpfte nach der Rückkehr aus Risikogebieten in Quarantäne zu stecken. Doch es ist sogar medizinisch geboten, da bisher niemand weiß, wie ansteckend Geimpfte noch sein können.

Impfpflicht durch die Hintertür

Ohnehin bestand bei allen politischen Entscheidungsträgern die Annahme, eine Impfpflicht sei schon deshalb überflüssig, weil die übergroße Mehrheit der Bevölkerung eine Corona-Impfung regelrecht herbeisehnt. Das scheint sich allerdings gerade als Fehleinschätzung zu erweisen.

Mobile Impfteams berichten, dass sich in Altenheimen teilweise nur 20 Prozent der Pflegekräfte impfen lassen wollen. Da liegt es nahe, über eine Impfpflicht für diese Berufsgruppe und andere Heilberufe nachzudenken. Schließlich gibt es dafür auch ein Vorbild: Die Anfang 2020 eingeführte Masernimpfpflicht gilt zum Schutz der Kinder sowohl für Beschäftigte im Gesundheitswesen als auch für Erzieher und Lehrer. Und dennoch ist eine Impfpflicht zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt das falsche Mittel.

Es macht ratlos, dass ausgerechnet Menschen, deren Beruf die Betreuung von Hilfsbedürftigen ist, sich nicht impfen lassen wollen. Dennoch darf auch dem Pflegepersonal zugestanden werden, Angst vor einer neuartigen Impfung zu haben. Auch das offenbar bestehende Gefühl, als priorisierte Impfgruppe die Rolle eines Versuchskaninchens zu spielen, muss ernst genommen werden. Allen Bedenken kann mit überzeugenden Argumenten begegnet werden – aber wo ist die umfassende Informations- und Aufklärungskampagne der Bundesregierung?

Hilft die Aufklärung nichts, steht in Abwägung der Grundrechtseingriffe ein vergleichsweise mildes Mittel zur Verfügung, nämlich eine Testpflicht für Pflegekräfte, die sich nicht impfen lassen wollen. Niemandem nutzt es, wenn der Pflegenotstand noch dadurch verschärft wird, dass Pflegende durch eine Impfpflicht aus dem Beruf gedrängt werden.

KStA abonnieren