Kommentar zur IAADie Autowelt als Versuchslabor

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IAA VW Studie dpa

Die Studie „ID.5 GTX“ von VW.

Topmanager lassen sich ungern in irgendetwas übertreffen. Deshalb sind sie geworden, was sie sind – das Thema spielt dabei keine große Rolle. So ist es für die Klimaaktivisten auf der IAA Mobility in München nicht mehr ganz einfach, Angriffsfläche zu finden. Vor zwei Jahren setzten sie mit ihrem Protest noch die Agenda und hinterließen eine ratlose Branche im Tal der Tränen. Jetzt empfängt der VW-Chef die Greenpeace-Protestler mit freundlicher Plauderei, sein BMW-Kollege startet mit einer Ökooffensive in die Messe, und ihr Branchenverband VDA bekennt sich unermüdlich zu den Klimazielen.

Darauf wären die Konzerne allerdings nicht von selbst gekommen. Es brauchte den massiven Protest, eine klimabewegte Jugend und politische Vorgaben in vielen Teilen der Welt, um den Wandel voranzutreiben. Tatsächlich hat er – daran mag sich der Protest noch lange aufrichten – gerade erst begonnen.

Ökobilanz der E-Autos noch längst nicht makellos

Und er treibt durchaus sonderbare Blüten: Der Boom schwerer Hybrid-SUV ist eine hoffentlich kurzlebige Absurdität, die Ökobilanz von Elektroautos noch längst nicht makellos, und von manchem neuen Mobilitätsservice ahnt man heute schon, dass er weder der Umwelt noch dem Umsatz viel bringen wird.

Doch insgesamt sind das nur Nebenwirkungen eines Umbaus, wie ihn noch keine Industrie wagen musste – in dieser Radikalität und erst recht in diesen Dimensionen. Druck von außen hat ihn angestoßen, aber die Dynamik der Industrie mit ihrem schlichten Drang zum Erfolg hat ihn in Fahrt gebracht. Ungezählte Versuche mit innovativen Vernunftautos waren kommerziell gescheitert. Es brauchte Tesla, um zu lernen, dass ein gutes Gewissen erst in Verbindung mit Status und Spaß gekauft wird. Für Vernunft allein legt die Kundschaft nicht mehrere Monatsgehälter auf den Tisch.

So ist die Autowelt gerade ein riesiges Versuchslabor. Überall wird das Verhältnis von Vernunft und Kommerz neu austariert. Und alle haben geirrt, die mit dem Elektroantrieb eine gleichförmige Autowelt kommen sahen. Im Gegenteil: Wer ohne Achtzylinder leben kann, findet mehr Vielfalt als je zuvor. Es ist schade, dass Corona der IAA Mobility einen Fehlstart beschert. Sie zeigt nicht nur die alte Vielfalt von Kleinstwagen und Luxuslimousinen, sondern auch die neue von Lastenrädern und Mobilitätsservice.

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Was davon wie viel Erfolg hat, wird sich zeigen. Denn so übermächtig die Weltkonzerne scheinen und manchmal auch sind: Am Ende ist es ihnen egal, ob sie Leder oder vegane Innenausstattung verkaufen, ob das Auto wahnsinnig schnell oder irre sparsam ist. Sie wollen nur unser Geld. Und jeder kann selbst entscheiden, ob und wofür sie es bekommen.

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