Long-Hot-Summer-EffektWird man bei Hitze wirklich aggressiver?

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Hitze in Köln Pollerwiesen dpa

Hitze in Köln: Niedriger Rheinpegel und trockene Pollerwiesen (Symbolbild)

Köln/Berlin – Die Nachbarin, die zur Mittagszeit den Rasen mäht, der Arbeitskollege, der den guten Parkplatz vor der Nase blockiert oder die lange Schlange vor der Post: Wenn wir uns über etwas ärgern, werden wir wütend. Das ist in erster Linie eine körperliche Reaktion, die wir nur bedingt kontrollieren können. Gefühlt fällt uns das bei Hitze aber noch schwerer. Stimmt das?

Ob sich Nachbarn bei hohen Temperaturen mehr ankeifen oder Ehepaare sich öfter streiten, ist zwar nicht nachgewiesen. Aber: „Wir sind tendenziell wirklich aggressiver, wenn es draußen sehr heiß ist“, sagt die Psychologin Sandra Jankowski. Hitze sei demnach genau wie Lärm, Hunger, Schlafmangel oder Kälte ein Stressor, der den Organismus strapaziert. „Haben wir dann nicht genügend Ressourcen und sind dehydriert oder sehr müde, dann haben wir schlechte Laune und sind gereizt“, erklärt Jankowski.

Wird man bei Hitze wirklich aggressiver?

Auch Studien deuten darauf hin, dass Menschen bei Hitze einen kürzeren Geduldsfaden haben. So zeigt eine amerikanische Längsschnittstudie, die einen Zeitraum von 45 Jahren untersucht hat, etwa, dass gewalttätige Übergriffe in warmen Jahren und Jahreszeiten zunehmen, und eine andere Studie legt nahe, dass die Hilfsbereitschaft bei großer Hitze abnimmt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weisen in ihren Arbeiten allerdings auch darauf hin, dass es auch noch andere Gründe geben könne, die zu den Studienergebnissen führen.

Der Long-Hot-Summer-Effect

In der Psychologie wird auch der Begriff „Long-Hot-Summer-Effekt“ genutzt, um den Zusammenhang zwischen Verhalten und Außentemperaturen darzustellen. „Der Effekt beschreibt, dass die Häufigkeit von aggressivem Verhalten steigt, um so höher die Außentemperatur ist“, erklärt die Jankowski. Das sei auch bei Sportlern beobachtet worden, die im Wettkampf andere Sportler mehr foulten.

Ein Experiment hat den Long-Hot-Summer-Effect 1975 unter Laborbedingungen nachgestellt: 64 männliche Studenten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe durfte die andere kritisieren, wurde dafür aber von der zweiten Gruppe mit kleinen Elektroschocks bestraft.

Das Ergebnis des Experiments: Je heißer es im Versuchsraum wurde, desto häufiger verteilten die Studenten die Elektroschocks. Die Forschenden sahen es damit als erwiesen an, dass Hitze Auswirkungen auf das Aggressionsverhalten von Menschen hat.

Hitzestress unbedingt vermeiden

Doch was hilft dagegen? Einmal aufregen – und dann ist alles gut? Nicht unbedingt. Laut dem öffentlichen Gesundheitsportal Österreichs löst es Stress aus, wenn wir wütend oder aggressiv sind. Bei erhöhtem Stress werden verschiedene Hormone vermehrt ausgeschüttet: Adrenalin, Kortisol, Testosteron und Noradrenalin – wodurch der Blutdruck steigt und sich die Herzfrequenz erhöht. Das Stresslevel bleibt auch dann hoch, wenn der Wut freier Lauf gelassen wird. Aus der Haut zu fahren, bringt also keine Erleichterung – denn das Stresslevel bleibt weiter hoch.

Um dem Long-Hot-Summer-Effect und aufkeimender Aggression zu entkommen, empfiehlt die Psychologin Jankowski, viel zu trinken, ausreichend zu schlafen und zu essen und dabei kaum Alkohol zu sich zu nehmen und die Sonne zu meiden.

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