Metall- und Elektroindustrie in NRWDie Ergebnisse der Tarifeinigung im Überblick

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IG Metall (Symbolbild)

Natürlich bedurfte es einer Nachtsitzung mit einem Verhandlungsmarathon. Danach stand die Tarif-Einigung für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen.

Das Besondere: Die Lohn- und Gehaltserhöhung von 2,3 Prozent ab Juli wird erst einmal nicht ausgezahlt, sondern bis Februar 2022 angespart. Dann kann das Geld entweder ausgezahlt oder in Freizeit umgewandelt werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehen Positives in der Einigung, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven. Rund 700.000 Beschäftigte in NRW werden von der Einigung profitieren, zu der außerdem eine sogenannte Corona-Prämie in Höhe von einmalig 500 Euro gehört, die im Juni überwiesen wird. Auszubildende erhalten 300 Euro. Der Kompromiss in NRW hat Pilot-Charakter, die IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall empfehlen, den Kompromiss auch in anderen Regionen zu übernehmen.

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Er würde dann für maximal 3,8 Millionen Arbeitnehmer gelten. „Dieser Tarifabschluss bietet tragfähige Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit: auf die akuten Probleme infolge der Corona-Pandemie ebenso wie auf die strukturellen Herausforderungen, die die Transformation für unsere Branchen mit sich bringt,“ sagte Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, am Dienstagmorgen. Mitten in einer der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik sei erreicht worden, „dass deren Folgen fair verteilt werden“. Einkommen würden stabilisiert und Arbeitsplätze gesichert. Auch die Nachfrage werde gestützt und damit auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.

Transformationsgeld ab 2022

Das sogenannte Transformationsgeld, das erstmals im Februar 2022 ausgezahlt werden soll, wird dann 18,4 Prozent eines Monatsentgelts ausmachen. Von 2023 an wird die einmal jährliche Extra-Überweisung 27,6 Prozent eines Einkommens ausmachen. Die Alternative ist, das Geld in zusätzliche freie Tage umzuwandeln. Dadurch kann auch die Arbeitszeit für maximal drei Jahre verringert werden, ohne das übliche monatliche Entgelt zu kürzen. In Kombination mit anderen bereits bestehenden tariflichen Bestimmungen ist es damit auch möglich, eine Vier-Tage-Woche in einem Unternehmen einzuführen. Wie die Bestimmungen konkret umgesetzt werden, müssen die Betriebsräte vor Ort in Verhandlungen mit dem Management aushandeln. Laut IG Metall soll folgendes Prinzip gelten: „Betriebe, denen es gut geht, zahlen das Geld an die Beschäftigten aus. Betriebe, denen es schlecht geht, wandeln das Geld in mehr Freizeit für die Beschäftigten um, verkürzen dadurch die Arbeitszeit und sichern damit Arbeitsplätze“.

Der Tarifvertrag läuft bis Ende September 2022. Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) wurden die neuen flexiblen Regelungen massiv von den Gewerkschaftern gefordert. Es geht darum, wie Unternehmen ohne Kündigungen durch längere Krisen kommen können. Denn auch Kurzarbeit, die in der Coronakrise eine wichtige Rolle spielt, ist zeitlich begrenzt – derzeit auf maximal 24 Monate. Doch die neuen Instrumente sollen auch über die Pandemie hinaus wirken. Vor allem bei den Automobilzuliefern stehen in den nächsten Jahren Tausende von Jobs auf dem Spiel, da viele Firmen noch von der Verbrenner-Technik abhängen, die von der Elektromobilität aber zusehends verdrängt wird.

Anforderungen wegen des Klimawandels

Mit dem Gesamtpaket wird ein großer Teil der Umsetzung des Tarifabschlusses in die Betriebe verlagert. So wurde denn auch ein zweites Element zur „Gestaltung der Transformation in den Betrieben“ ausgehandelt. Die IG Metall und die Arbeitgeber haben sich auf einen verbindlichen Prozess geeinigt, der Umstrukturierungen fördern soll. Ein Betriebsrat oder die Geschäftsführung kann die jeweils andere Seite zu gemeinsamen Beratungen darüber auffordern, wie es mit der Firma weitergehen soll, welche Investitionen nötig sind und wie die Pläne für die Personalentwicklung aussehen. Dazu können auch externe Experten hinzu gezogen werden. In NRW wird dies bereits in vielen Betrieben praktiziert. Seit geraumer Zeit macht sich die IG-Metall-Führung Sorgen, dass Unternehmen die massiven bevorstehenden Veränderungen verschlafen. Neben der E-Mobilität werden dürften neue Anforderungen wegen des Klimawandels kommen.

Hinzu kommt die forcierte Digitalisierung zahlreicher Prozesse, nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Administration oder im Vertrieb durchschlagen werden. Wie die Dinge konkret angegangen werden, soll dann in Zukunftstarifverträgen fixiert werden. Der Hintergrund: Eine Befragung von Beschäftigten habe ergeben, dass die Hälfte nicht wusste, wie sich ihr Arbeitgeber die Zukunft seines Unternehmens vorstellt, sagte eine IG-Metall-Sprecherin dem RND.

Zahlungen verschieben

Indes sprach auch Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger „von einem richtungsweisenden Abschluss, da er auch kleine und mittlere Betriebe auf dem noch langen Weg aus der Pandemie nicht überfordert“. Zudem bringe die Einigung Planungssicherheit für die Unternehmen und das Thema Zukunfts- und Beschäftigungssicherung werde adressiert, so der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Für Arndt Kirchhoff, Chef des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie in NRW, ist vor allem wichtig, dass seine Mitgliedsunternehmen wie schon 2020 auch in diesem Jahr „keine Erhöhung der Tabellenentgelte verkraften müssen“. Er lobte zudem einen „automatisch wirksamen Entlastungsmechanismus“. Dabei geht es um ein bereits 2018 vereinbartes Zusatzentgelt von rund 400 Euro, das im Oktober fällig wird. Ausgehandelt wurde nun: Kriselnde Unternehmen können diese Zahlungen verschieben oder ganz streichen.

Vor der entscheidenden Verhandlungsrunde hatten laut IG Metall in den vergangenen drei Wochen täglich im Schnitt 24.000 Beschäftigte mit Warnstreiks Druck auf die Arbeitgeber gemacht. Ursprünglich hatte die Gewerkschaft vier Prozent mehr Geld gefordert. Die Arbeitgeber hatten anfangs davon gesprochen, dass es derzeit nichts zu verteilen gebe. Doch in den vergangenen Wochen war auch deutlich geworden, dass sich die Lage in der Metall- und Elektrobranche deutlich verbessert hat.

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