Streit um Putins KriegDie AfD steckt in einer neuen Identitätskrise

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Der AfD droht endgültig die Beobachtung durch den Verfassungsschutz.

Für die AfD beginnt am Dienstag die Woche der Wahrheit. Nichts weniger als die Zukunft der Rechtspartei steht zu zwei Anlässen auf dem Spiel. Zunächst verhandelt am Dienstag und Mittwoch das Verwaltungsgericht Köln über mehrere Klagen der Partei und ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“ gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Seit einem Jahr liegt eine Beobachtung der Gesamtpartei als rechtsextremer „Verdachtsfall“ wegen der Klagen auf Eis.

Lesen Sie hier eine Vorschau auf den Prozess in Köln.

Zeitgleich zu einer möglichen Urteilsverkündung in Köln kommt dann ab Mittwoch die Bundestagsfraktion zu einer viertägigen Klausur über „Strategie und Grundsatz“ im thüringischen Wintersportort Oberhof zusammen. Neben einem möglichen Ergebnis der Kölner Verhandlung wird vor allem der innerparteiliche Zwist über die AfD-Position zu Putins Überfall auf die Ukraine für hitzige Debatten sorgen.

„Beobachtung durch Verfassungsschutz wäre existenzgefährdend“

In Ost und West wird beides - Beobachtung und Ukraine-Krieg - höchst unterschiedlich bewertet. Im Osten ist die Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst bereits Realität: In Björn Höckes Thüringen gilt die AfD bereits als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“, in Brandenburg und Sachsen als Verdachtsfall. In Sachsen-Anhalt ist ähnlich wie im Bund ein Gerichtsverfahren anhängig.

Der Partei geschadet hat das nicht: Sowohl in Sachsen als auch in Thüringen liegt die AfD in aktuellen Umfragen bei 24 Prozent, in Thüringen wäre sie damit sogar stärkste Partei. Doch im Osten wird dieses Jahr nicht gewählt, dafür aber vier Mal in westdeutschen Bundesländern. Und da ist die Sicht eine deutlich andere „Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz wäre für uns existenzgefährdend“, sagt ein führender westdeutscher AfD-Vertreter dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Bereits jetzt würden sich Beamte und leitende Angestellte großer Konzerne nicht mehr offen zur AfD bekennen, geschweige denn in der Partei mitarbeiten wollen.

Chrupalla rechnet mit Erfolg vor Gericht

AfD-Chef Tino Chrupalla rechnet unterdessen mit einem Erfolg vor Gericht. „Sollte es nach Ansicht des Gerichts also tatsächlich „kritische“ Aspekte geben, die wir nach einer sorgsamen internen Prüfung ebenso bewerten, dann werden wir uns darum kümmern“, sagte er der dpa.

Auch neuere Aspekte wie die in einigen Regionen führende Rolle der AfD bei den Protesten gegen Corona-Maßnahmen dürften im Gerichtsverfahren zur Sprache kommen. Auch hier tut sich Höcke besonders hervor: Corona sei „in weiten Strecken eine Inszenierung“, sagte er im Januar in Zeulenroda. „Das ist eben keine Demokratie mehr“, rief er bei einer Demonstration am Samstag in Magdeburg.

Meuthen warnt vor Ex-Partei

Auch die Aussagen von Ex-Parteichef Jörg Meuthen nach seinem Parteiaustritt Ende Januar haben die Anwälte des Bundesamts dankend in ihre Argumentation aufgenommen: Die AfD zeige heute „totalitäre Anklänge“, warnte Meuthen.

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Die aktuelle Unruhe schlägt bis an die Basis der Partei durch. Am vergangenen Freitag traten fünf Kreistagspolitiker im brandenburgischen Barnim gemeinsam aus der AfD aus. Er könne sich mit der „völlig verfehlten Corona- und Ukrainepolitik der AfD“ nicht mehr mit der Partei identifizieren, schrieb der Fraktionsvorsitzende Marcel Donsch auf Facebook. „Der letzte negative Höhepunkt dieser Politik dürfte für viele wohl gewesen sein, dass die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag sitzen blieb, als alle anderen Abgeordneten den ukrainischen Botschafter stehend begrüßten“, kritisierte er. Käme nun auch noch die bundesweite Beobachtung dazu, sei „das Projekt AfD als gesamtdeutsche Partei gescheitert“.

Parteichef Chrupalla wird hinter den Kulissen heftig für seine Rede bei der Ukraine-Sondersitzung des Bundestags kritisiert. „Diese 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, Herr Scholz, sind wirklich irre“, hatte er ausgerufen - dabei fordert die AfD seit Jahren eine bessere Ausstattung der Armee. Rüdiger Lucassen, Ex-Bundeswehr-Oberst aus Nordrhein-Westfalen, mailte Ende vergangener Woche eine „Sprechempfehlung“ zum Ukraine-Krieg an Abgeordnete und Landesvorstände: „Die alleinige Verantwortung für die Opfer des Krieges trägt der russische Präsident.“ In der AfD kam diese Feststellung nicht überall gut an.

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